Newsted und Ladislas lagen am Boden, Ladislas gleichgültig zu den Sternen aufblickend, Newsted bequem ausgestreckt. Hammil hatte sie von den andern weggeholt. Er strahlte vor Freude über den zu erwartenden Triumph.
Michael Wireman, der unauffällig hinter Potter getreten war, saß nun im Schatten des plumpen, kleinen Centaurers und verfolgte schweigend die Szene.
»Ich habe mich entschlossen, den ersten Schritt gegen die Eindringlinge zu unternehmen«, sagte er großartig, ein Auge auf Potter gerichtet.
»Wenn du meinst, daß wir hinuntergehen und den feindlichen Kommandoposten am Highway erledigen, warum sagst du das nicht gleich?« Newsted nahm Hammil den Wind aus den Segeln. Ladislas grunzte zufrieden.
»Etwas mehr Höflichkeit, wenn ich bitten darf, Newsted!« schnauzte Hammil ihn an.
»Meine Herren«, mischte Potter sich ein, »es freut mich, daß General Hammil innerhalb so kurzer Zeit einen Plan ausarbeiten konnte. Das ist sehr ermutigend.«
»Gehen wir morgen?« brummte Ladislas.
Hammil hatte sich wieder gefaßt. »Sehr gut. Dann sind wir uns also einig. Morgen früh werde ich eine Kampftruppe gegen den feindlichen Kommandoposten anführen.«
Er wird ihn anführen? dachte Michael Wireman. Das hätte er nicht von Hammil erwartet, sondern eher, daß er Ladislas oder Newsted schicken würde. »Ich möchte auch dabei sein«, meldete er sich.
Hammil spähte in seine Richtung. »Was machen Sie da?«
»Niemand sagte, daß ich nicht zur Mannschaft gehöre«, antwortete Michael Wireman, »und so kam ich mit. Was soll das Ganze? Glauben Sie, ich würde Ihre Geheimnisse an den Feind weitergeben? Kann ich nun mitkommen? Ich möchte Sie unter Beschuß sehen, Hammil, nur einmal möchte ich das sehen.«
Hammils Augen wurden zu Schlitzen, dann lächelte er hämisch. »Sie sind mehr als willkommen, Wireman.«
»Danke.« Michael Wireman sonnte sich in diesem Gefühl nachlässiger Respektlosigkeit. »Und ich werde mich nicht töten lassen. Diesen Gefallen tue ich Ihnen nicht.« Er schwieg und würdigte Hammil keines weiteren Blicks. Potter seufzte leise.
Die Kampftruppe bestand aus zehn Mann, dazu kamen noch Hammil, Ladislas, Potter und Michael Wireman. Newsted hatte das Kommando über das Lager erhalten.
Hammil war übermütig und aufgeregt auf ihrem Marsch den Berg hinunter, Richtung Highway. Mit hochgeworfenem Kopf, von Zeit zu Zeit selbstzufrieden lächelnd, trottete er ungeduldig dahin. Die Möglichkeit eines Angriffs rivalisierender Banden schien er ganz vergessen zu haben. Oder vielleicht glaubte er, an diesem schicksalsschweren Tag könne nichts schiefgehen.
»Schauen Sie ihn an«, sagte Michael Wireman zu Potter. »Hätte nie gedacht, ihn so eifrig zu sehen.«
Ladislas, der neben Potter ging, brummte: »Auf diesen Kommandoposten hat er es schon lange abgesehen.«
»Eine Art privater Kampf also«, bemerkte Michael Wireman.
Potter zuckte die Achseln. »Mir ist das gleichgültig, solange ich sehe, wie diese Leute gegen Feinde vorgehen.«
»Mir auch«, meinte Michael Wireman.
Plötzlich ging Ladislas vor, berührte Hammils Schulter und erinnerte ihn an etwas. Hammil nickte und schwenkte zur Linken ab. Ladislas kam zurück und marschierte an Michael Wiremans Seite weiter.
»Wir gehen nun parallel zum Highway bis zur Kreuzung, an der der Kommandoposten steht.« Mit keinem Wort erwähnte er, daß Hammil sie geradewegs hinunter und wahrscheinlich entlang der offenen Straße geführt hätte, wäre er nicht dazwischengetreten.
»Wie geht es Ihrem Vater, Junge?« fragte er.
»Als ich ihn verließ, ging es ihm gut«, antwortete Michael Wireman. »Warum — kannten Sie ihn?«
»Ich war sein Gegner bei den letzten Wahlen.« Danach schwieg er wieder.
»Was Professor Danko Ihnen nicht gesagt hat«, ergänzte Potter, »ist, daß er nur mit fünfzehn Stimmen Abstand verlor.«
Michael Wireman sah seinen Vater vor sich: im billigen Anzug, vorgebeugt, mit einem Topf voll Gips die Sprünge der Wand ausbessernd. »Verloren, wie?« sagte er und schaute Ladislas Danko an. »Ich wünschte, Sie hätten gewonnen.«
Der Kommandoposten war ein einfaches Blockhaus an der T-förmigen Kreuzung zweier Straßen und offensichtlich nur dazu da, ambitionierte Bergsteiger zurückzuhalten. Das Blockhaus war weiß gestrichen und von Blumen umgeben. Der Pfad, der von der Haustür zum Highway führte, teilte sich in der Mitte und umschloß eine rund angelegte Felsengruppe, aus der sich ein Fahnenmast erhob. Die feindliche Fahne schwang in der warmen Brise ruhelos hin und her. Auf der gerodeten Fläche vor dem Haus war sorgfältig Gras gesät, dieses zweifellos immer gut gegossen und zu einem wunderbaren Rasen herangezogen worden. Eine ungepanzerte Limousine parkte neben dem Blockhaus; auf dem emaillierten Schild stand: Pennsylvania State Police. Alles in allem machte es den Eindruck einer militärischen Einrichtung in Zeiten absoluten Friedens, und Michael Wireman konnte sich sehr gut einen Herrn Kommissar vorstellen, der sich mehr Sorgen um den Zustand seines Rasens machte als um die Bereitschaft seiner Waffen.
Hammil und Ladislas verteilten die Leute im Halbkreis.
Die Vorstellung, das offene Gelände zwischen ihnen und dem Haus durchqueren zu müssen, schien Hammil nicht zu berühren. Vielleicht zählte Feigheit nicht zu seinen unangenehmen Eigenschaften, oder vielleicht hatte es ihm dieses Blockhaus wirklich so sehr angetan. Er richtete sich einen Augenblick lang auf, nur wenige Meter im Gebüsch, und überblickte seine Leute. Dann nickte er Ladislas zu, der zwei Finger in den Mund steckte und durchdringend pfiff.
Sie brachen aus dem Unterholz hervor, warfen sich flach auf den Boden und feuerten.
Es war ein arger Schlag für Michael Wireman, zu sehen, wie schnell die leichte automatische Kanone ihre Läufe durch die Schießscharten steckte und zurückschoß.
Die feindlichen Geschosse fuhren zwischen die Männer gegenüber Michael Wireman und rissen den Boden zwischen ihnen auf. Sie waren verstreut und schwer zu treffen, aber trotzdem überlebten einige diesen Kampf nicht. Dann erfolgte ein Krachen. Eine rostfarbene Rauchwolke verbreitete sich. Einer von Hammils Leuten war weg und mit ihm seine selbstgemachte Bombe.
Es sah aus, als würden sie nie siegen. Dann aber ergoß sich das Feuer aus C.S.O.-Gewehren in die Schießscharten, und kein Schütze wäre gegen diesen Flammenschwall aufgekommen. Ein weiterer von Hammils Leuten sprang hoch, lief im Zickzack vor, schwang den Arm und warf einen mit Schießpulver vollgestopften Leinensack gegen die Wand des Blockhauses. Gleichzeitig mit dem Aufprall hatte das Feuer das Pulver erreicht; es gab einen Knall, und ein breiter Spalt klaffte in der Mauer.
Hammil brüllte: »Vorwärts!« und alle liefen vor, gedeckt durch die Bresche in der Verteidigung des Kommandopostens. Sie zwängten sich verzweifelt durch das Mauerloch, verloren nochmals zwei Männer, aber sonst nahmen sie das Blockhaus ohne weitere Schwierigkeiten.
Was früher nett und sauber gewesen sein mußte, war jetzt staubig, als hätte jahrelang niemand drinnen gewohnt. Sogar der tote feindliche Soldat sah aus, als wäre nie Leben in ihm gewesen. Zuviel Staub lag auf ihm. Kleinkalibrige Patronen bedeckten den Boden, die Wände hatten Sprünge.
Hammil kam gerade ins Zimmer zurück. Er stieß einen feindlichen Offizier vor sich her. Michael Wireman schaute die beiden neugierig an.
Der Fremde war groß, schlank, mit eingefallenen Wangen und hohen Backenknochen. Er hatte eine sandfarbene Haut, gekräuseltes braunes Haar, braune Augen und ein spitzes Kinn. Er ging schnell genug, um Hammils Stößen nach Möglichkeit auszuweichen, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, daß er es deshalb tat. Im Zimmer blieb er stehen und drehte sich um.
Hammil, die Hände in die Hüften gestemmt, grinste ihn an. »Kennen Sie mich?« bellte er mit vor Aufregung schriller Stimme.