Mavra übergab ihre Pistole; die Waffen, auf die sie sich in Wirklichkeit verließ, waren durch jeden Abtaster gekommen, den sie bisher ausprobiert hatte. Bei der Landung auf Prompeii stellte sie fest, daß sie recht hatte. Sie ging dreist durch den Abtaster, und er lähmte sie nicht, wie zwei andere, die versteckte zerlegte Pistolen und Messer trugen.
Schließlich waren sie alle überprüft worden, und Mavra schaute sich um.
Der kleine Raumflughafen war für zwei Schiffe von dieser Art gebaut; ein zweites stand auf dem Feld, fast mit Sicherheit Treligs privates Raumfahrzeug. Überall sah man Wachen und Abtaster, aber damit hatte sie gerechnet. Ihr Auftrag schien nicht unausführbar zu sein.
Sie wußte, daß sie Hilfe von den anderen hätte gebrauchen können, wagte aber aus demselben Grund nicht, an sie heranzutreten, aus dem die anderen sie nicht verwenden konnten. Es sprach viel dafür, daß Trelig zumindest einen von ihnen, wahrscheinlich mehrere eingeschleust hatte.
Kein Gepäck wurde ausgeladen, da keines zugelassen worden war. Trelig würde für alles sorgen, hatte er erklärt, und er setzte eine Grenze dafür fest, was dabei mitgeführt werden durfte.
Der Mann selbst stand bereit, um sie zu begrüßen — hochgewachsen, viel größer als die Neu-Harmonisten, eine riesige, muskulöse, außerordentlich gutaussehende Version des Modells. Er trug ein wallendes, weißes Gewand und sah mit seinen sehr langen Haaren wie ein Erzengel aus.
»Willkommen! Willkommen! Liebe Freunde!«rief er mit seiner inzwischen berühmt gewordenen Rednerstimme. Er hatte viel Geld dafür bezahlt und den entsprechenden Gegenwert dafür bekommen. Dann begrüßte er jeden beim Namen und küßte im universellen förmlichen Begrüßungsritual die Hände. Als er die von Mavra ergriff, stiegen seine buschigen Brauen, auch sie eine Abweichung vom Modell Neue Harmonie, in die Höhe.
»Was für erstaunliche Fingernägel!«rief er.»Meine Liebe, Sie sehen aus wie eine verführerische Katze!«
»So?«sagte sie, ohne ihre Verachtung zu verbergen.»Ich dachte, Sie hätten auf Neue Harmonie alle Katzen getötet.«
Er grinste verschlagen und ging weiter. Als alle begrüßt waren, führte er sie zu dem kleinen, eleganten Terminal hinaus. Die Aussicht war überwältigend. Zuerst war es grün — außerordentlich grün, ein Garten mit hohem, aber sorgfältig gepflegtem Gras. Zu ihrer Linken befand sich ein großer Wald, der sich bis zum scheinbar nahen Horizont zu erstrecken schien; zur Rechten gab es kleine Hügel, die bewachsen waren mit Bäumen und Blumen in allen Farben. Und in der Mitte, vielleicht einen halben Kilometer entfernt, stand eine Stadt von einer Art, die sie noch nie gesehen hatte.
Ein Hügel beherrschte die Szene; auf den Wiesenhängen stand ein hohes Gebäude aus poliertem Marmor. Es war riesenhaft, wie ein Amphitheater oder ein Tempel. Unten am Fuß des Hügels gab es eine Reihe stilvoller Gebäude nach altem Modell, ebenfalls aus Marmor, mit gewaltigen römischen Säulen, die mächtige Dächer trugen; diese waren geschmückt mit Skulpturen aus der Mythologie, in den Stein geschnitten. Zu jedem führten breite Marmorstufen hinauf, und manche waren so offen, daß die Besucher weite Innenhöfe, geschmückt mit Blumengirlanden, hohen Statuen und Springbrunnen, sehen konnten. Das Hauptgebäude besaß eine Kuppel und die längste und großartigste Freitreppe. Trelig führte sie dorthin.
»Ich lasse hier nur so wenig wie möglich Technologie zu«, erklärte er unterwegs.»Die Diener sind Menschen, Essen und Trinken sind von Hand zubereitet, in manchen Fällen mit der Hand geerntet. Keine angetriebenen Fahrzeuge. Ich mache natürlich einige Konzessionen, wie die Beleuchtung, und die ganze Welt ist unter der Plasmaglocke mit Luftpumpen klimatisiert, aber wir bevorzugen das Rustikale.«
Sie hatten keine Schwierigkeiten mit dem Spaziergang oder der Treppe; die Schwerkraft von 0,7 sorgte dafür, daß sie sich alle hervorragend fühlten, beinahe so, als könnten sie fliegen, und sie waren von dem Weg weniger ermüdet, als wenn sie auf einer 1g-Welt einen Kilometer zurückgelegt hätten.
Im Inneren des mächtigen Gebäudes gab es einen großen Saal. Ein Tisch aus echtem Eichenholz war üppig gedeckt; er war niedrig, und sie würden beim Essen auf weichen Fellkissen sitzen. Unter dem Tischbereich befand sich ein etwas tiefer gelegter polierter Holzboden, wie eine Tanzfläche, und das Ganze war von hohen Marmorsäulen eingefaßt. Zwischen den Säulen waren Seidenbehänge gespannt, offenbar in Streifen, aber sie verdeckten die Sicht.
Mavra schaute hinauf und sah, daß die Kuppel im Inneren ein kompliziertes Mosaikmuster aufwies. Die Beleuchtung war ausreichend — obschon der Saal außer im Bereich des polierten Bodens ein wenig düster wirkte —, aber so indirekt, daß man nicht erkennen konnte, woher das Licht kam.
Trelig führte alle zu ihren Plätzen und setzte sich an das obere Ende des Tisches. Vor jedem Platz standen Fruchtbecher, echte Früchte, wie sie alle feststellten. Andere exotische Früchte schmückten den Tisch — Goldorangen, Apfelsinen, Ananas. Viele stocherten vorsichtig mit ihren Eßstäbchen in dem Obst herum; die meisten hatten das Echte vorher noch nie gegessen.
»Versuchen Sie den Wein«, empfahl ihr Gastgeber.»Echt, mit Alkohol. Wir haben hier unsere eigenen Weinberge und bringen sehr gute Lagen hervor.«
Und er war gut, viel besser als die synthetischen, mit denen sie alle aufgewachsen waren. Mavra stocherte im Obst herum. Mit künstlichen Produkten groß geworden, zog sie diese dem Echten vor. Aber der Wein schmeckte ausgezeichnet. Dergleichen konnte man zwar überall bekommen, doch zu Preisen, die für die meisten Leute unerschwinglich waren.
Trelig klatschte in die Hände, und vier Frauen erschienen. Sie waren alle gebräunt und schwarzhaarig, aber sonst deutlich voneinander verschieden. Gewiß stammten sie von anderen Welten als Neue Harmonie. Sie hatten alle lange Haare, waren stark geschminkt und parfümiert. Außerdem waren sie barfuß und trugen nur dünne, einteilige Gewänder in fremdartigem, aber offenkundig antikem Schnitt. Man konnte beinahe hindurchsehen.
Sie räumten geschickt die Fruchtbecher und Weingläser ab, ohne am Tisch jemanden direkt anzusehen oder ein Wort zu sagen. Sie waren kaum hinter den Behängen verschwunden, als andere Frauen, die sich mit derselben starräugigen Gewandtheit bewegten, auftauchten. Sie trugen silberne Tabletts auf ihren Köpfen.
»Widerlich«, hörte Mavra einen Mann in ihrer Nähe zischen.»Menschliche Wesen, die andere menschliche Wesen bedienen, wenn Roboter das ebensogut können.«
Die meisten nickten knapp und zustimmend, obwohl sich Mavra fragte, wie viele der Besucher Kom-Welt-Politiker mit ganzen Sklavenbevölkerungen waren.
So ging das während der ganzen Mahlzeit weiter, jeder Gang zeitlich genau eingeteilt. Wein wurde in großer Auswahl und Menge angeboten, und nie durfte ein Glas leer sein. Die Frauen funktionierten wie Maschinen.
Mavra zählte acht verschiedene Bedienerinnen, und niemand wußte, wie viele noch hinter dem Vorhang für sie tätig waren.
Die Mahlzeit war fremdartig, exotisch und außerordentlich gut. Mavra war aber schon nach dem zweiten Gang satt, und mehrere am Tisch gaben im weiteren Verlauf auf. Der bärtige Mann schlang alles, was serviert wurde, hinunter, und Trelig nahm von jedem Gang etwas.
Danach zeigte er ihnen, wie die Polster zu Liegen umgeklappt werden konnten, und sie entspannten sich bei noch mehr Wein und Knabberzeug, während eine kleine Truppe von Musikern und Jongleuren auf der beleuchteten Fläche sie unterhielt. Die Festlichkeiten gingen geraume Zeit weiter, und der Abend war tatsächlich genußreich. Trelig verstand es, ein Bankett zu geben.
Als endlich die letzte Vorführung vorbei war und die Gäste höflich klatschten, war es Zeit für Trelig, sie alle für die Nacht unterzubringen.
»Sie werden dort alles finden, was Sie brauchen, eine komplette, moderne Toilette. Schlafen Sie gut. Wir haben morgen einen erstaunlichen Tag vor uns.«Er führte sie über die Bühne und durch einen Vorhang, der den Blick auf eine lange Marmorhalle freigab. Ihre Schritte hallten, als sie durch die Halle gingen, die endlos zu sein schien. Schließlich bogen sie ab und erreichten einen anderen, scheinbar identischen Korridor. Hier öffnete Trelig jedoch eine große Eichentür, die vielleicht zehn Zentimeter dick war, und führte jeden in sein Zimmer.