Die Unterkünfte waren prächtig und individuell eingerichtet. Mavras Zimmer war mit einem dicken Teppich aus irgendeinem Fell, einem Schreibtisch, Frisiertisch, einem Badezimmer, einem Toilettentisch im alten Stil und einem riesigen, runden Bett ausgestattet.
Sie freute sich, das Zimmer zu sehen. Obwohl sie sich etwas darauf zugute tat, Alkohol vertragen zu können, war der Wein außerordentlich stark gewesen, vielleicht mit Absicht. Sie hatte die Wirkung eigentlich erst bemerkt, als sie aufgestanden war. Sie fühlte sich schwindlig. Zuerst argwöhnte sie, im Wein könnte ein Betäubungsmittel gewesen sein, aber dann wurde ihr klar, daß es nur seine Stärke war.
Trelig wünschte ihr eine gute Nacht und schloß die große Tür mit schwerem Schlag. Sie ging sofort darauf zu und drückte die Bronzeklinke nieder.
Sie war abgesperrt, wie sie erwartet hatte.
Als nächstes durchsuchte sie die Räume. Einer ihrer Ohrringe summte schwach, und sie trat in die Mitte des Zimmers unter einen hübschen, aber vorwiegend dekorativen Lüster. Sie holte den Stuhl vom Schreibtisch und stieg hinauf. Das Summen wurde sehr laut. Sie nickte vor sich hin. An der Unterseite des Lüsters war eine winzige, fast unsichtbare, ferngesteuerte Kamera angebracht, die in jede Richtung gedreht werden konnte und eine Infrarot-Zusatzlinse besaß.
Binnen zehn Minuten fand sie zwei weitere Kameras, eine im eigentlichen Badezimmer, dem einzigen Ort, den die Lüsterkamera nicht erreichen konnte, und eine weitere im Duschkopf. Die drei Kameras waren so angeordnet, daß kein Winkel der Räumlichkeiten unerfaßt blieb.
Sie waren gut versteckt, gewiß, aber nicht so geschickt, daß nicht jeder, der danach suchte, sie finden mußte. Trelig wollte, daß sie entdeckt wurden, wenn jemand sich dafür interessierte; es war eine Demonstration seiner Macht und des Ausgeliefertseins der Besucher.
Sie ging zum Bett. Keine Decke, bemerkte sie. Bei der perfekten Klimasteuerung des Raumes brauchte man sie auch nicht. Allerdings konnte man nichts unter einer Decke verstecken.
Sie setzte sich auf die Bettkante, mit dem Rücken zur Kamera, zog die Stiefel aus, den Peitschengürtel über den Kopf und legte ihn auf die rechte Seite, wo die Kamera ihn nicht erfassen konnte. Dann die Ohrringe auf den Gürtel. Sie griff hinüber zu einem Nachttisch, zog ein paar Papiertücher hervor und griff nach einem kleinen Spiegel. Sie begann, sich teilweise abzuschminken.
Während sie das tat, drehte ihr Fuß einen der Stiefel auf die Seite und hielt ihn dort fest, während der andere Fuß an vier Stellen Knöpfe herausdrückte. Die Sohle klappte an winzigen inneren Scharnieren heraus und gab den Blick auf eine Anzahl kleiner Gerätschaften frei. Sie zog vorsichtig das Benötigte heraus, umklammerte es mit den Zehen und ergriff ein zweites Werkzeug mit dem anderen Fuß.
Sie stand auf, zog den Pullover aus und streifte das Trikot ab. Als sie sich bückte, um es abzulegen, griff ihre Hand nach den beiden Gegenständen.
Nackt richtete sie sich auf und drehte sich herum. Die Bewegung sah natürlich aus, aber die Beobachter würden den naheliegenden Schluß ziehen: am Körper nichts versteckt. Ihre Finger, die Unerfahrene beim Karten- und Muschelspiel hereingelegt hatten, seit sie klein gewesen war, hielten die beiden Objekte unsichtbar fest. Sie nahm auf dem Bett die Lotoshaltung ein und drehte mit der rechten Hand das Licht ab.
Im selben Augenblick, als das Licht ausging, ließ sie einen der Gegenstände auf das Bett fallen und richtete den anderen auf den Lüster, geleitet von einem Lichtstrahl, den wegen der speziellen Kontaktlinsen, die sie trug, nur sie sehen konnte.
Sie traf die Kamera, ergriff das andere Gerät, ein winziges Rechteck, und legte es so hin, daß es auf dem Kissen lag und zur Kamera wies. Befriedigt legte sie den ersten Gegenstand hin und entspannte sich im Lotossitz mit geschlossenen Augen.
Das Ganze hatte keine zehn Sekunden gedauert.
Befriedigt von dem, was sie mit ihren Speziallinsen sehen konnte, öffnete sie die Augen und glitt vorsichtig und lautlos vom Bett, bemüht, das kleine Rechteck nicht zu verrücken.
Sie vergewisserte sich, daß es seine Lage beibehalten hatte. Das Gerät war unglaublich kompliziert; sie hatte es erst entdeckt, als es dazu benützt worden war, sie bei einer kleinen Betrugsaffäre hereinzulegen, und viel Geld dafür bezahlt. Was es leistete, war, daß es das erste Bild, das die Kamera aufnahm, erstarren ließ und festhielt. Es gab eine automatische Anpassung von mehreren Sekunden von der normalen zur Infrarotaufnahme, ein wenig länger zur neuen Scharfeinstellung. Sie hatte dann elf Sekunden Zeit, den Rückkopplungs-Projektor, wie er genannt wurde, auszulösen und in Position zu bringen.
Ruhig, mit der Heimlichkeit und Vorsicht einer erfahrenen Einbrecherin, zog Mavra sich an. Sie begann, in die Stiefel zu schlüpfen, besann sich aber anders, als sie an das hallende Echo draußen dachte. Sie entfernte die Schnalle vom Peitschengürtel und benützte den Dorn, um ihn unter die Peitsche zu schieben, dann drehte sie den kleinen Peitschengriff, um ihn leicht herausziehen zu können, indem sie die fast unsichtbaren Nieten löste.
Sie hatte mit den Papiertüchern nicht ihre Schminke entfernt, sondern sie gleichmäßig über das ganze Gesicht verteilt und sich auch die Hände damit eingerieben. Nun nahm sie ein kleines Päckchen in Schrumpfverpackung aus ihrem linken Stiefel und öffnete es, um das winzige Kissen herauszunehmen. Sorgfältig und methodisch wischte sie damit über alle entblößten Hautflächen. Die schwache Chemikalie reagierte auf eine andere in der Schminke und sorgte dafür, daß sie tiefschwarz wurde. Als nächstes entfernte sie die Spezial-Kontaktlinsen, träufelte mit einer ganz kleinen Pipette zwei Tropfen in ihre Augen, dann nahm sie ein anderes Linsenpaar aus ihrem Päckchen und führte sie ein. Sie waren durchsichtig, aber wenn sie die winzige Batterie in ihrer Gürtelschnalle einschaltete, verwandelten sie sich in Infrarotlinsen. Auf Neu-Pompeii gab es nicht nur eine Person mit Katzenaugen.
Sie schaltete auf Infrarot, griff nach dem Spiegel und betrachtete sich. Sie sah natürlich zum Fürchten aus, aber die chemische Schwärzung war eine wirksame Abwehr gegen die Wärmestrahlung, die von Infrarotaugen wahrgenommen wurde. Sie dunkelte ein paar Stellen nach, bis sie im Spiegel nichts mehr sehen konnte. Ihre Hände prüfte sie mit normalem Blick.
Dann kamen die Mini-Ampullen. Sie paßten unter ihre langen, scharfen Nägel, und die Injektorspitzen verschmolzen mit den Spitzen ihrer Fingernägel. Sie lud sie alle, nicht immer mit demselben Stoff. Mehr als eines dieser kleinen Geräte hatte ihr schon den Hals gerettet — und war anderen teuer zu stehen gekommen.
Schließlich berührte sie die zweite Energiekapsel an der Schnalle. Sie speiste das Material in den Chemikalien und in ihrer Kleidung. Wärmeortungsanlagen würden sie ignorieren.
Den Juwelenraub auf Baldash versuchte man noch immer aufzuklären.
Das große Türschloß stellte kein Problem dar, aber die vier Sensoren in der Tür. Sie paßten fast fugenlos in den Rahmen, und Mavra konnte nur zwei Streifen hineinzwängen. Beim dritten war eine Klinge erforderlich. Obwohl sie kein Messer hatte, diente das speziell behandelte Material in ihrem Stiefel als eines. Der Zehennagel eines großen Tieres auf einer fernen Welt, scharf geschliffen, behandelt wie ihre eigenen Nägel. Eine schöne, dünne, flache Klinge.
Die anderen Streifen waren leicht hineinzuschieben, und sie öffnete langsam und vorsichtig die Tür. Es gab keinen Alarm, und sie schaute hinaus. Der Korridor war dunkel, aber offenbar nicht bewacht. Obwohl Trelig sich so sehr auf Menschen verließ, benützte er ein professionelles Sicherheits-Supersystem, und das war sein Fehler. Erfolgreiche Verbrecher — jene, die nicht gefaßt worden waren — hatten sich längst gegen Infrarot und Mikrofone gewappnet.