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Er begehrte sie nicht, wollte sie nicht begehren. Es gab für Mark Parker nicht viel auf dieser Welt, wovor er Achtung hatte. Es war ihm ein Bedürfnis, Kitty Achtung entgegenzubringen. Außerdem war sie die einzige Frau, in deren Gesellschaft er sich absolut wohl fühlte; denn bei ihr konnte er sich geben, wie er war, hatte er es nicht nötig, Eindruck zu machen, brauchte er das alte Spiel nicht zu spielen.

Sie setzten sich auf einen großen Felsblock und betrachteten staunend die Fülle von Schönheit, die sie umgab. Das Schloß, das Meer, der Himmel, die Berge.

»Ich glaube«, sagte Mark schließlich, »das hier ist die schönste Aussicht, die es auf der ganzen Welt gibt.«

Sie nickte.

Es waren wunderbare Tage für sie beide gewesen. Kitty schien seit der Ankunft von Mark ein ganz neuer Mensch geworden zu sein. Sie hatte die wunderbar heilende Wirkung einer Beichte an sich erfahren.

»Ich muß gerade an etwas Schreckliches denken«, sagte Kitty. »Ich denke daran, wie froh ich bin, daß man diesen Colonel Howard Hillings nach Palästina geschickt hat, und daß ich dich ganz für mich allein habe. Wie lange kannst du bleiben?«

»Ein paar Wochen, solange du mich dahaben willst.«

»Ich möchte, daß wir uns nie wieder so weit voneinander entfernen.«

»Bist du dir eigentlich klar darüber«, sagte er, »daß im Dom-Hotel alle Welt davon überzeugt ist, wir hätten eine Affäre?«

»Wunderbar!« sagte Kitty. »Ich werde heute abend ein Schild an meine Tür hängen, auf dem mit großen roten Buchstaben steht: Ich liebe Mark Parker wahnsinnig.«

Sie blieben eine weitere Stunde sitzen und begannen dann lustlos hinabzusteigen, um vor Einbruch der Dunkelheit in der Stadt zu sein. Kurze Zeit, nachdem Mark und Kitty zum Hotel zurückgekehrt waren, langte Mandria in Kyrenia an, fuhr zum Hafen und parkte am Kai. Ari stieg aus und sah hinüber zu dem Turm des Kastells, das auf der anderen Seite des Hafens am Rande des Meeres stand. Er ging zusammen mit Mandria hinüber, und beide stiegen die Treppe im Innern des Turms hinauf. Oben vom Turm hatte man einen sehr guten Überblick, und Ari musterte die Gegend aufmerksam und schweigsam wie immer.

Den Abschluß des Hafens gegen die See bildeten die beiden Arme der Mole, von denen der eine von dem Turm des Kastells aus, auf dem sie standen, und der andere gegenüber von dem Kai mit seinen Häusern in annähernd kreisförmigen Bogen hinausgingen, bis sie sich fast berührten. Nur eine schmale Öffnung blieb frei, die Hafeneinfahrt. Das Hafenbecken war nicht groß, nur einige hundert Meter im Durchmesser, und es war voll von kleinen Fahrzeugen.

»Glauben Sie, daß man die Aphrodite hier in den Hafen hereinbekommen kann?« fragte Ari.

»Sie hereinzubekommen ist kein Problem«, sagte Mandria. »Aber mit ihr zu wenden und wieder hinauszufahren, das wird schwierig.« Ari schwieg nachdenklich, während sie zum Wagen zurückgingen. Sein Blick war auf den kleinen Hafen gerichtet. Es begann bereits dunkel zu werden, als sie bei dem Wagen anlangten.

»Sie fahren wohl am besten allein nach Famagusta zurück. Ich habe im Dom-Hotel noch etwas mit jemandem zu besprechen«, sagte Ari, »und ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Ich werde schon irgendwie nach Famagusta kommen.«

Bei jedem anderen hätte Mandria es übelgenommen, wie ein TaxiChauffeur weggeschickt zu werden, doch bei Ben Kanaan gewöhnte er sich allmählich daran, Befehle entgegenzunehmen. Er drehte den Zündschlüssel herum und startete.

»Mandria — Sie waren mir eine große Hilfe. Vielen Dank.«

Mandria strahlte, während Ari sich entfernte. Das waren die ersten freundlichen Worte, die er von Ben Kanaan gehört hatte. Er war überrascht und gerührt.

Im großen Saal des Dom-Hotels mengten sich die Klänge eines Strauß-Walzers mit dem Gewirr englischer Sätze, dem Klirren der Gläser und dem leisen Rauschen des Meeres, das von draußen hereindrang. Mark trank seinen Kaffee aus, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und starrte dann über Kittys Schulter zum Eingang hin, wo soeben ein hochgewachsener Mann erschienen war. Der Mann beugte sich zu dem Ober und flüsterte ihm etwas ins Ohr, und der Ober zeigte auf den Tisch, an dem Mark saß. Mark machte große Augen, als er Ari ben Kanaan erkannte. »Du machst ein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte Kitty.

»Das habe ich auch, und er wird gleich hier sein. Wir haben einen sehr interessanten Abend vor uns.«

Kitty wandte sich um und sah Ari ben Kanaan, der wie ein Riese ihren Tisch überragte. »Freut mich, daß Sie mich noch kennen, Parker«, sagte er, nahm unaufgefordert Platz und wandte sich an Kitty. »Und Sie sind offenbar Mrs. Katherine Fremont.«

Aris und Kittys Blicke trafen sich, und beide sahen sich an. Es entstand ein unbehagliches Schweigen, bis sich Ari schließlich nach einem Kellner umsah und ihn heranrief. Er bestellte Sandwiches. »Darf ich vorstellen, Kitty«, sagte Mark. »Das ist Ari ben Kanaan, ein sehr alter Bekannter von mir. Mrs. Fremont ist Ihnen ja offenbar bekannt.«

»Ari ben Kanaan«, sagte Kitty. »Was für ein sonderbarer Name.« »Es ist ein hebräischer Name, Mrs. Fremont, und bedeutet: Löwe, Sohn Kanaans.«

»Das ist geradezu verwirrend.«

»Ganz im Gegenteil, das Hebräische ist eine sehr logische Sprache.« »Ach, wirklich? Den Eindruck hatte ich nicht«, sagte Kitty mit einem leicht sarkastischen Unterton.

Mark beobachtete die beiden. Sie waren sich kaum begegnet, und schon war zwischen ihnen das Wortgeplänkel im Gang, das Spiel, das er selbst so oft gespielt hatte. Offenbar hatte Ben Kanaan bei Kitty irgendeine angenehme oder unangenehme Schwingung ausgelöst, dachte Mark, denn sie zeigte die Krallen.

»Eigentlich sonderbar«, sagte Ari, »daß das Hebräische auf Sie nicht den Eindruck des Logischen macht. Immerhin fand Gott das Hebräische so logisch, daß er die Bibel in dieser Sprache schreiben ließ.«

Kitty lächelte und nickte. Die Kapelle ging über zu einem Foxtrott. »Tanzen Sie, Mrs. Fremont?«

Mark lehnte sich zurück und sah zu, wie Ben Kanaan Kitty auf die Tanzfläche führte, den Arm um sie legte und sie mit geschmeidiger Eleganz über das Parkett bewegte. Es war offensichtlich, daß auf den ersten Blick der Funke übergesprungen war, und diese Vorstellung behagte Mark gar nicht; es fiel ihm schwer, daß Kitty ein sterbliches Wesen sein sollte wie andere auch, empfänglich für die Spiele der Sterblichen. Die beiden tanzten nahe an seinem Tisch vorbei. Kittys Gesicht war seltsam verändert, sie schien wie betäubt.

Doch dann mußte Mark an etwas anderes denken, was ihn selbst anging. Von dem Augenblick an, da er in Zypern gelandet war, hatte er das Gefühl gehabt, daß hier irgend etwas in der Luft lag. Dieses Gefühl wurde durch das Auftauchen Ben Kanaans bestätigt. Er kannte den Mann aus Palästina genau genug, um sich darüber klar zu sein, daß er einer der wichtigsten Agenten von Mossad Aliyah Bet war. Er begriff auch, daß Ben Kanaan etwas von ihm wollte. Und was war mit Kitty? Wußte er über sie nur deshalb Bescheid, weil sie mit ihm zusammen war, oder gab es dafür noch irgendeinen anderen Grund?