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Den ganzen Winter hindurch und in den Frühling hinein hielt die Belagerung an. Yarkoni besprach eines Tages mit Sutherland und Remez die Lage. Das Ergebnis war bitter. Die Juden hatten fünfzig ihrer besten Soldaten verloren, sie waren bei den letzten zwölf Sack Mehl angelangt, und die Munition reichte keine fünf Tage mehr. Yarkoni hatte nicht einmal mehr Knallkörper für seine Nachtpatrouillen. Die Araber, die die Schwäche spürten, wurden allmählich dreister.

»Ich hatte Ari versprochen, ihn nicht mit unseren Schwierigkeiten hier zu behelligen«, sagte Yarkoni. »Doch ich fürchte, ich muß ihn jetzt aufsuchen und mit ihm reden.«

Noch in der gleichen Nacht stahl er sich aus Safed fort und suchte Ari in seinem Hauptquartier auf. Er gab ihm einen genauen Lagebericht und sagte zum Schluß: »Es ist mir sehr unangenehm, dich damit zu behelligen, Ari, aber in drei Tagen werden wir anfangen müssen, Ratten zu essen.«

Ari brummte vor sich hin. Die standhafte Verteidigung der Juden von Safed war für den gesamten Jischuw ein begeisternder Ansporn gewesen. Safed war nicht nur ein strategisch wichtiger Punkt, es hatte sich auch zu einem Symbol des entschlossenen Widerstandes entwickelt. »Wenn es uns gelingen sollte, die Schlacht um Safed zu gewinnen, dann wäre das ein verheerender Schlag für die Moral der Araber in ganz Galiläa«, sagte er.

»Ari — jedesmal, wenn wir einen Schuß abgeben müssen, gibt es vorher eine Diskussion darüber.«

»Ich habe eine Idee«, sagte Ari. »Komm mit.«

Ari teilte eine Nachtpatrouille ein, die wenigstens einen kleinen Nachschub an Verpflegung nach Safed hineinbringen sollte, und ging dann mit Joab zur Waffenkammer. Dort zeigte er dem verblüfften Marokkaner ein seltsames Gebilde aus Gußeisen und Schrauben.

»Was zum Teufel ist das?« fragte Joab.

»Joab — was du vor dir siehst, ist eine Davidka.«

»Eine Davidka?«

»Ja, ein Kleiner David, ein Erzeugnis jüdischen Erfindungsgeistes.« Joab strich sich nachdenklich über das Kinn. In gewisser Hinsicht mochte das Ding Ähnlichkeit mit einer Waffe haben. Und doch gab es auf der ganzen Welt nichts, was man mit diesem Gebilde hätte vergleichen können.

»Und was kann man mit diesem Ding anfangen?« fragte Joab.

»Wie mir gesagt wurde, kann man damit Granaten abschießen, wie mit einem Mörser.«

»Und wie funktioniert das?«

»Keine Ahnung. Wir haben es noch nicht ausprobiert. Doch nach einem Bericht aus Jerusalem soll es sich als sehr wirkungsvoll erwiesen haben.«

»Für wen — für die Juden oder für die Araber?«

»Hör zu, Joab. Ich habe diese Waffe für eine besondere Gelegenheit aufgespart. Jetzt ist diese Gelegenheit da. Der Kleine David ist dein — nimm ihn mit nach Safed.«

Die Nachtpatrouille, die die Notrationen nach Safed trug, brachte auch den Kleinen David und fünfzehn Kilo Munition mit. Sofort nach seiner Rückkehr rief Joab Yarkoni die Führer der Hagana und des Palmach zusammen, und stundenlang stellte man Vermutungen darüber an, wie das Monstrum wohl funktionierte. Zehn Leute waren dabei anwesend, und es gab zehn verschiedene Ansichten.

Schließlich kam jemand auf den Gedanken, Brigadier Sutherland kommen zu lassen. Er wurde im Hotel aus dem Bett geholt und zum Hauptquartier gebracht. Er betrachtete den Kleinen David mit ungläubigem Staunen.

»Nur ein Jude konnte sich so etwas ausdenken«, sagte er schließlich. »Wie ich höre, soll sich das Ding in Jerusalem als sehr wirkungsvoll erwiesen haben«, sagte Joab entschuldigend.

Sutherland betätigte sämtliche Hebel, Griffe und Visiereinrichtungen, und im Verlauf der nächsten Stunden entwickelten sie ein Abschußverfahren, das möglicherweise zum Ziel führen würde — allerdings nur möglicherweise.

Am nächsten Morgen wurde die Davidka an eine freie Stelle gebracht und so aufgestellt, daß sie ungefähr in die Richtung des von den Arabern besetzten Polizeigebäudes und einiger in der Nähe gelegener Häuser zeigte, die von den Arabern benutzt wurden, um von dort aus Schüsse auf das jüdische Viertel abzugeben.

Die Munition des Kleinen David sah genauso sonderbar aus wie das Geschütz. Sie hatte die Form einer Keule, deren oberes Ende aus einem Eisenzylinder bestand, der mit Dynamit gefüllt und mit Zündköpfen versehen war. Der dicke Stiel der Keule sollte angeblich in das Rohr des Mörsers hineinpassen. Beim Abschuß sollte der Stiel mit solcher Gewalt herausgeschleudert werden, daß er die ganze vorderlastige Dynamitladung auf das Ziel zuwirbelte. Sutherland fürchtete, daß die sonderbare Keule nur ein paar Meter weit fliegen und unmittelbar vor ihnen in die Luft gehen würde.

»Falls dieser Sprengkopf einfach nur aus dem Ende des Rohres herausfällt — wie ich mit Sicherheit annehme«, sagte er, »dann werden wir höchstwahrscheinlich die gesamte jüdische Bevölkerung von Safed einbüßen.«

»Dann schlage ich vor, daß wir eine lange Leine daran festmachen, damit wir das Ding aus sicherer Entfernung abschießen können«, sagte Remez.

»Und wie zielen wir damit?« fragte Yarkoni.

»Es hat nicht viel Sinn, mit diesem Monstrum zielen zu wollen«, sagte Sutherland. »Stellt es einfach so auf, daß es ungefähr in die richtige Richtung zeigt, und dann wollen wir beten, daß alles gut geht.« Der Rabbi und viele der frommen Kabbalisten versammelten sich um den Kleinen David und debattierten lang und breit darüber, ob diese Waffe für sie alle den Tag des Gerichts bedeutete oder nicht. Schließlich sprach der Rabbi über dem Geschütz segnende Worte und bat Gott, sie gnädigst zu verschonen, denn sie hätten wahrlich in Frömmigkeit gelebt und alle Gesetze beachtet.

»Also los — damit wir es bald hinter uns haben«, sagte Remez pessimistisch.

Die Kabbalisten entfernten sich eilig und begaben sich in Sicherheit. In das Rohr des Mörsers wurden Zündhütchen geschoben. Eins der keulenähnlichen Geschosse wurde vorsichtig hochgehoben. Man steckte den langen Stiel in das Rohr. Der mit Dynamit gefüllte eiserne Zylinder schwebte bedrohlich über dem Ende des Rohres. An dem Abschußmechanismus wurde eine lange Leine befestigt. Alles begab sich in Deckung. Die Erde stand still.

»In Gottes Namen — schießt«, befahl Yarkoni mit unsicherer Stimme.

Remez riß an der Leine — und das Unerwartete geschah: der Kleine David schoß. Der Stiel fuhr zischend aus dem Rohr, und der Dynamitkübel flog, sich um sich selbst drehend, im Bogen den Berg hinauf. Während er durch die Luft wirbelte und kleiner und kleiner wurde, machte er ein unheimlich zischendes Geräusch. Dann schlug das Geschoß krachend in ein arabisches Haus in der Nähe des Polizeigebäudes ein.

Sutherland fiel der Unterkiefer herunter.

Yarkonis Schnurrbart ging in die Höhe.

Remez machte große Augen.

Die alten Kabbalisten unterbrachen ihr Gebet lange genug, um dem Geschoß erstaunt nachzusehen.

Die Keule explodierte mit Donnergetöse und ließ die Stadt bis in ihre Grundfesten erzittern. Es hörte sich an, als sei der halbe Hang in die Luft gesprengt worden.

Nach einer kurzen Pause schweigender Verblüffung brachen die Verteidiger des jüdischen Viertels in laute Freudenrufe aus, umarmten und küßten sich, beteten und jubelten.

»Beim Zeus!« war alles, was Sutherland sagen konnte. »Beim Zeus!«

Die Palmach-Angehörigen bildeten einen Ring um den Kleinen David und tanzten eine Horra.

»Kommt, Leute, wir wollen einen zweiten Schuß abgeben.«

Die Araber hörten, wie die Juden jubelten, und sie wußten, warum. Schon das Geräusch der fliegenden Bombe genügte, um tödlichen Schrecken zu verbreiten, ganz zu schweigen von der Explosion. Weder von den Palästina-Arabern noch von den Irregulären hatte jemand mit etwas Derartigem gerechnet; jeder Schuß, den der Kleine David abgab, hatte Verheerung und Chaos zur Folge.