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Eine knappe Meile von Negba entfernt befand sich Fort Suweidan — das Scheusal auf dem Berg. Fort Suweidan war von den Engländern den Arabern übergeben worden. Die Araber konnten den Kibbuz Negba von dem Fort aus in Trümmer schießen, während man in Negba auch nicht über eine einzige Schußwaffe verfügte, mit der man das Fort hätte erreichen können.

Die Siedler von Negba erkannten schnell, wie wichtig die von ihnen kontrollierte Straßenkreuzung für die Invasionsarmee war. Sie wußten aber auch, daß sie nicht unbesiegbar waren. Doch obwohl sie wußten, was ihnen bevorstand, beschlossen sie, zu bleiben und zu kämpfen. Auch als die Kanonen von Fort Suweidan das letzte Gebäude in Trümmer gelegt hatten, die tägliche Wasserration auf ein paar Tropfen reduziert werden mußte und die Knappheit an Lebensmitteln einer Hungersnot gleichkam, hielten die Verteidiger von Negba weiterhin stand. Immer wieder griffen die Ägypter an, und jedesmal wurden sie von den Juden abgewiesen. Bei einem dieser Angriffe, bei dem die Ägypter mit Panzerunterstützung vorgingen, verfügten die Juden nur noch über fünf Schuß Panzerabwehrmunition, doch damit erledigten sie vier Panzer. Wochenlang leistete Negba den Ägyptern Widerstand. Seine Verteidiger kämpften, wie die alten Hebräer von Massada gekämpft hatten, und Negba wurde zum ersten Symbol der Widerstandskraft des neuen Staates.

Die ägyptische Angriffskolonne, die an der Küste vorging, ließ im Fort Suweidan eine starke Besatzung zurück und setzte ihren Vormarsch fort, wobei sie bedrohlich nahe an Tel Aviv herankam. Bei Aschdod, nur zwanzig Meilen von Tel Aviv entfernt, verstärkten die Israelis ihre Verteidigungsstellungen. So eilig man im Hafen die Schiffe entladen konnte, die Waffen heranbrachten, so eilig wurden diese Waffen, zusammen mit neu angekommenen Einwanderern, nach Aschdod geschafft, um der ägyptischen Kolonne den Weg zu verlegen.

Die Ägypter machten halt, um sich neu zu formieren, den Nachschub heranzubringen, die Verbindungswege zum Hinterland abzusichern und um den entscheidenden Angriff vorzubereiten, der ihnen den Weg nach Tel Aviv öffnen sollte.

Die andere Hälfte der ägyptischen Invasionsarmee stieß vor ins Innere des Landes, in die Negev-Wüste. Während sie unbehelligt durch die arabischen Ortschaften Ber Scheba, Hebron und Bethlehem vorrückte, berichteten Radio Kairo und die ägyptische Presse triumphierend von »Sieg auf Sieg«.

Es war geplant, diese zweite Kolonne an der »glorreichen« Eroberung von Jerusalem zu beteiligen; ihre Aufgabe war es, die Stadt vom Süden her anzugreifen, während gleichzeitig vom Norden her ein Angriff der Arabischen Legion erfolgen sollte. Die Ägypter beschlossen jedoch, den Ruhm nicht mit anderen zu teilen, und machten sich allein auf den Weg nach Jerusalem.

Sie formierten sich bei Bethlehem und griffen den Kibbuz Ramat Rachel an — Hügel der Rachel —, eine vorgeschobene Stellung zur Verteidigung der Neustadt Jerusalems gegen einen vom Süden erfolgenden Angriff, an der Stelle errichtet, an der Rachel einst über die Verbannung der Kinder Israels geweint hatte.

Die Siedler von Ramat Rachel wehrten den Angriff der Ägypter so lange ab, bis sie ihre Stellung nicht länger halten konnten, und zogen sich dann langsam nach Jerusalem zurück. Am südlichen Stadtrand stieß Verstärkung der Hagana zu ihnen, und gemeinsam mit den Leuten der Hagana eroberten sie ihren Kibbuz zurück, warfen die Ägypter hinaus und jagten sie nach Bethlehem.

JERUSALEM

Als die Engländer aus Jerusalem abzogen, besetzte die Hagana rasch die dadurch freigewordenen Stadtteile und unternahm Angriffe auf diejenigen Stadtviertel, die von Kawukys Irregulären besetzt waren. Es waren Kämpfe um einzelne Straßen, bei denen Jungens und Mädchen der Gadna als Meldegänger beteiligt waren und Männer in Straßenanzügen das militärische Kommando führten. Nächstes Ziel der Hagana war die Einnahme eines arabischen Vororts, der die Juden auf dem Skopus von denen der Neustadt trennte. Nachdem das erreicht war, sahen sich die Juden einer schwierigen Frage gegenüber. An sich wäre es ihnen jetzt möglich gewesen, die Altstadt zu besetzen. Befand sich auch diese in ihrer Hand, hatten sie eine geschlossene, gut zu verteidigende Front, während sie ohne die Altstadt verwundbar waren. Überlegungen politischer Art und die Sorge, daß die heiligen Stätten dabei Schaden leiden könnten, bewegen die Hagana jedoch, die Altstadt nicht zu besetzen, obwohl innerhalb ihrer Mauern mehrere tausend frommer Juden lebten.

Ein Beobachtungsposten im Turm einer in der Altstadt gelegenen armenischen Kirche wurde auf die Bitte der Mönche von den Juden geräumt. Kaum waren die Juden abgezogen, als sich die Irregulären in diesem Turm einnisteten und sich weigerten, ihn zu räumen. Dennoch waren die Juden davon überzeugt, daß es auch die Araber nicht wagen würden, die Altstadt anzugreifen, diesen von drei Religionen verehrten heiligsten Ort der ganzen Welt.

Diese Hoffnung sollte sich jedoch als trügerisch erweisen. Glubb Pascha, der britische Kommandeur der Arabischen Legion, hatte die feierliche Zusicherung gegeben, daß die Legion nach Jordanien zurückkehren werde, wenn die Engländer Palästina geräumt hätten. Doch als die Engländer aus Jerusalem abgezogen waren, eilte die Arabische Legion in offener Verletzung des gegebenen Versprechens herbei, griff die Stadt an und konnte den Juden einen Teil des Viertels, den die Hagana schon besetzt hatte, wieder abnehmen. Die Verteidigung des Vororts, der die Neustadt mit dem Skopus-Berg verband, war den Makkabäern übertragen worden; sie verloren ihn an die Legion, so daß die jüdischen Streitkräfte auf dem Skopus isoliert waren. Und dann gab Glubb der Arabischen Legion den Befehl, die Altstadt anzugreifen und restlos zu zerstören.

Nach den Erfahrungen, die sie in all den Jahren mit den Arabern gemacht hatten, gaben sich die Juden keinerlei Illusionen mehr hin. Doch dieser Angriff auf das Allerheiligste übertraf alles andere. Der eindringenden Legion stand nichts entgegen außer ein paar tausend strenggläubiger Juden, die keinen Finger zu ihrer Verteidigung rühren konnten. Die Hagana schickte eilig so viele ihrer Leute, wie sie irgend entbehren konnte, in die Altstadt hinein. Mehrere hundert zorniger Makkabäer gingen freiwillig mit ihnen. Für sie gab es, nachdem sie erst einmal innerhalb der Mauern der Altstadt waren, kein Entrinnen mehr.

JERUSALEM-KORRIDOR

Die Straße von Jerusalem nach Tel Aviv bildete weiterhin den Schauplatz der erbittertsten Kämpfe des ganzen Krieges. Die HügelBrigade des Palmach hatte ein halbes Dutzend der beherrschenden Höhenstellungen in den Hügeln von Judäa erobert. Kastei befand sich fest in ihrer Hand, und sie hatten Comb, Suba und genügend andere Schlüsselstellungen angegriffen und erobert, um Bab el Wad, die bedrohte Zufahrt nach Jerusalem, offenzuhalten.

Und dann kam es zu einem der unrühmlichsten Ereignisse der jüdischen Geschichte. Die Verteidigung des arabischen Bergdorfes Neve Sadij war den Makkabäern übertragen worden. Durch eine Reihe sonderbarer und unerklärlicher Vorgänge brach unter den Makkabäern eine Panik aus, und es begann eine wilde und grundlose Schießerei, die nicht mehr aufzuhalten war, nachdem sie einmal angefangen hatte. Mehr als zweihundert arabische Zivilisten kamen dabei ums Leben. Durch das Massaker von Neve Sadij hatten die Makkabäer, die sich so große Verdienste erworben hatten, der jungen Nation einen Makel angeheftet, dessen Beseitigung Jahrzehnte erfordern sollte.

Zwar hatte die Hügel-Brigade den Bab el Wad geöffnet, doch die Engländer machten es den Arabern leicht, Jerusalem zu blockieren, indem sie der Legion das Teggart-Fort von Latrun übergaben. Das ehemalige britische Gefängnis für politische Häftlinge, in dem irgendwann einmal alle führenden Männer des Jischuw gesessen hatten, versperrte als massiver Block den Zugang zum Bab el Wad. Daher wurde Latrun zum wichtigsten Angriffsziel der Israelis. Man machte einen verzweifelten Plan zur Eroberung des Forts und stellte hierfür eine Spezialbrigade auf. Sie bestand größtenteils aus jüdischen Einwanderern, die aus der Internierung auf Zypern oder aus europäischen DP-Lagern gekommen waren. Die Offiziere waren für eine so schwierige militärische Operation gleichfalls ungeeignet. Nach kurzer Ausbildung begab sich diese Brigade in den Korridor und versuchte einen nächtlichen Angriff auf Latrun. Er war mangelhaft geplant, wurde schlecht geführt, und die Arabische Legion schlug ihn ab.