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Im Jemen begab sich der oberste Chacham zum Imam und bat, der Allbarmherzige möge den Juden erlauben, heimzukehren. Dem Imam schien es aus einer Reihe politischer und wirtschaftlicher Gründe besser, die Juden im Lande zu behalten. Daraufhin gab der Chacham dem Imam den guten Rat, sich das Alte Testament vorzunehmen und genau die entsprechenden Kapitel des Buches Exodus zu lesen.

Tagelang saß der Imam mit untergeschlagenen Beinen in seinem Harem und überlegte. Was der Rabbi gesagt hatte, gab ihm zu denken. Sein Herz war schwer bei dem Gedanken an die Zehn Plagen. Erst kürzlich hatte eine Typhusepidemie ein Viertel der Bevölkerung seines Landes hinweggerafft. Der Imam hielt sie für eine Warnung Allahs. Er erklärte sich daher damit einverstanden, daß die Juden das Land verließen, allerdings unter der Bedingung, daß das gesamte jüdische Eigentum an ihn überging, daß die Auswanderer eine Kopfsteuer entrichteten und daß mehrere hundert Handwerker und Spezialisten dablieben, die den Moslems ihre Kunst beibringen sollten.

Die Juden von Jemen verließen Heim und Hof. Sie packten, was sie tragen konnten, in ein Bündel und begaben sich in langen Trecks durch die Wildnis des Gebirges, die Glut der Sonne und die Stürme der Wüste.

Diese freundlichen kleinen Leute mit der olivfarbenen Haut und den feingeschnittenen Gesichtern machten sich auf den Weg zur Grenze des Protektorats Aden. Auf dem Kopf trugen sie einen Turban, und ihre langen gestreiften Gewänder waren von der gleichen Art, wie man sie im Palast des Königs Salomon getragen hatte. Die Frauen waren in schwarze Umhänge mit weißen Rändern gekleidet, und ihre Babys trugen sie in Tüchern auf dem Rücken. So wanderten sie mühsam durch das Land, gehorsam den Worten der Weissagung, eine leichte Beute für die Beduinen, die ihnen ihre kümmerliche Habe als Wegzoll abnahmen.

Ziel des Auszugs der Jemeniten war die Hafenstadt Aden. Die Briten wußten zunächst nicht recht, was sie mit diesen Leuten anfangen sollten, die da in Scharen über die Grenze ihres Protektoratgebiets hereingeströmt kamen. Zwar waren sie auf die Juden wegen des Palästina-Mandats noch immer nicht gut zu sprechen, doch diesen Jemeniten gegenüber vermochten sie keinerlei Haß zu empfinden. Sie erklärten sich bedingt damit einverstanden, daß die Jemeniten ins Land kämen und ein Lager errichteten, vorausgesetzt, daß die Israelis sie in Aden abholten.

Diese Menschen boten einen bejammernswerten Anblick, als sie am Ende ihrer Wanderung angelangt waren. Sie waren zerlumpt, verwahrlost und halbtot vor Hunger und Durst. Was sie mitgenommen hatten, war ihnen von den Arabern gestohlen worden; doch jeder hatte noch seine Bibel bei sich, und jede Dorfgemeinschaft brachte die heilige Thora ihrer Synagoge mit.

In aller Eile wurde in der Nähe von Aden, bei Hashed, ein Lager errichtet. Leute aus Israel patrouillierten an der Grenze zwischen dem Protektorat und Jemen. Sobald die Nachricht von der Ankunft einer weiteren Gruppe eintraf, schickte man eilig Lastwagen an die Grenze, die die Auswanderer nach Hashed brachten. In Hashed fehlte es an Personal und allem anderen. Die Organisatoren waren nicht imstande, mit den Bedürfnissen der herbeiströmenden Massen Schritt zu halten.

Wasserleitung, WC oder elektrisches Licht waren für die Jemeniten unbegreifliche Dinge. Innerhalb von Stunden sahen sich diese Menschen mit dem Fortschritt von fast dreitausend Jahren konfrontiert. Motorisierte Fahrzeuge, westliche Kleidung, Medikamente und tausend andere Dinge waren ihnen fremd und unheimlich.

Die Frauen wehrten sich schreiend, als man versuchte, ihnen die verlausten Lumpen auszuziehen und gegen saubere Kleidung auszutauschen. Sie lehnten es ab, sich untersuchen zu lassen, und protestierten gegen Einspritzungen und Schutzimpfungen. Sie widersetzten sich immer wieder den Pflegern, die versuchten, Kinder, die wegen schwerer Unterernährung dringend behandelt werden mußten, vorübergehend in eine Krankenstation zu bringen. Glücklicherweise fand man wenigstens eine Teillösung, durch die verhindert wurde, daß die Bemühungen der Ärzte und des Pflegepersonals völlig vergeblich waren. Das Pflegepersonal des Lagers, größtenteils Israelis mit einer sehr genauen Kenntnis der Bibel, lernte es sehr bald, zu den Rabbis der Jemeniten zu gehen und sie auf eine passende Bibelstelle hinzuweisen. Mit diesem Mittel ließ sich beinahe alles erreichen. Wenn es nur in »dem Buch« geschrieben stand, waren die Jemeniten mit allem einverstanden. Das Lager von Hashed wurde größer und größer, und von der Grenze meldete man, daß immer neue Gruppen von Jemeniten im Anmarsch waren. Die Provisorische Regierung von Israel mußte die Jemeniten, gemäß der Vereinbarung mit den Engländern, schleunigst aus Aden abtransportieren. So kam es, daß aus den Arctic Circle Airways die Palestine Central Airways wurden, und daß Fester J. Mac Williams, ohne es zu ahnen, eine jahrtausendealte Prophezeiung in Erfüllung gehen ließ, indem er mit dem ersten der »großen Adler« aus dem Himmel zur Erde herniederschwebte.

Die Ankunft des Flugzeuges löste ungeheure Aufregung aus. Die Leute der ersten Gruppe nahmen ihre Thora und ihre Wasserflaschen und begaben sich zum Flugplatz. Sie sahen den Adler und nickten sich bedeutungsvoll zu: Gott hatte ihn gesandt, wie er es versprochen hatte. Doch sie weigerten sich, an Bord zu gehen. Der Rabbi erinnerte daran, daß Sabbat war. Es entspann sich eine aufgeregte Diskussion. Der Lagerleiter erklärte, daß Tausende von Menschen darauf warteten, nach Israel zu kommen, und daß es diesen Menschen gegenüber nicht gerecht wäre, den Adler auch nur einen Tag lang aufzuhalten. Doch was immer man geltend machte, nichts konnte die Jemeniten veranlassen, gegen den Sabbat zu verstoßen. Sie saßen eisern unter den Flügeln des Adlers und waren nicht von der Stelle zu bewegen. Nachdem sie dreitausend Jahre lang gewartet hatten, konnten sie auch diesen einen Tag noch warten.

Fester J. Mac Williams warf einen Blick auf diese sonderbaren Gestalten, hörte sich das unverständliche Palaver an, bedachte Stretch Thompson mit einem kurzen, aber kräftigen Fluch, begab sich in die Stadt und betrank sich sinnlos.

Am nächsten Morgen erwachte er mit einem furchtbaren Kater, da er griechischen Ouzo, Reiswein und Whisky gemixt hatte. Er fuhr mit brummendem Schädel zum Flugplatz. Er sah zu, wie die Jemeniten mit ihren Wasserflaschen und ihrer Thora an Bord gingen. »Heiliger Herr Jesus«, war sein Kommentar zu dieser Prozession. »Herr Flugkapitän«, sagte eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah sich einem großgewachsenen, gutgebauten Mädchen gegenüber, die sich ihm als Hanna vorstellte. Sie war Mitte Zwanzig, trug die im Kibbuz üblichen blauen Shorts und Sandalen an den Füßen. »Ich fliege mit Ihnen und kümmere mich um die Passagiere.« In diesem Augenblick fing die Sache an, für Fester interessant zu werden. Hanna schien nicht zu bemerken, mit welcher Aufmerksamkeit er sie musterte. »Haben Sie irgendwelche besonderen Anweisungen? Es ist schließlich das erstemal, daß wir mit diesen Leuten einen Flug unternehmen.« »Besondere Anweisungen? Nein. Wenn Sie nur dafür sorgen, daß diese seltsamen Gestalten da nicht nach vorn in die Kanzel kommen. Bei Ihnen ist das natürlich was anderes — Sie sind jederzeit herzlich willkommen. Und bitte nennen Sie mich einfach Tex.«

Fester beobachtete das Einsteigen der Leute. Die Reihe der Jemeniten schien kein Ende zu nehmen. »He — was ist hier eigentlich los! Was denken Sie denn, wieviel von diesen Leuten in der Maschine Platz haben?«

»Auf der Liste stehen hundertvierzig.«

»Sind Sie wahnsinnig? Damit bekomme ich die Kiste nicht vom Boden hoch. Also, Hanna, laufen Sie hin und sagen sie dem, der dafür zuständig ist, er soll die Hälfte wieder ausladen.«

»Aber diese Leute wiegen doch so wenig«, sagte das Mädchen bittend.

»Erdnüsse wiegen auch wenig. Das bedeutet noch lange nicht, daß ich eine Milliarde Erdnüsse einladen könnte.«