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»Sie meinen die Schwierigkeiten kleineren Ausmaßes«, sagte Sutherland. »Wie steht es mit den großen?«

»Ich verstehe Sie nicht ganz.«

»In den Vereinigten Staaten leben sechs Millionen Juden, und in Rußland vier. Wie steht es damit?«

Kitty dachte eine Weile intensiv nach, ehe sie antwortete. »Bei den paar amerikanischen Juden, die nach Israel gekommen sind, handelt es sich entweder um Idealisten oder um Neurotiker. Ich glaube nicht, daß der Tag jemals kommen wird, an dem amerikanische Juden aus Angst vor Verfolgung nach Israel kommen müßten. Ich möchte diesen Tag jedenfalls nicht erleben. Was Rußland angeht, so gibt es da eine seltsame und ergreifende Geschichte, die verhältnismäßig wenig Menschen kennen.«

»Sie machen mich neugierig«, sagte Sutherland.

»Nun, Sie wissen sicherlich, daß man in Rußland versucht hat, das jüdische Problem dadurch aus der Welt zu schaffen, daß man die Alten einfach aussterben ließ und die Jungen von frühester Kindheit an ideologisch zu drillen begann. Und Sie wissen natürlich auch, daß der Antisemitismus in Rußland noch immer sehr heftig ist.«

»Ich habe davon gehört.«

»Diese unwahrscheinliche Geschichte, von der ich berichten will, ereignete sich bei den letzten hohen Festtagen, und sie zeigt, daß der Versuch der Sowjets völlig mißlungen ist. Der israelische Gesandte begab sich zu der einzigen Synagoge, die es in Moskau noch gibt. Nach dreißig Jahren des Schweigens erschienen auf den Straßen plötzlich dreißigtausend Juden, die den Abgesandten aus Israel nur einmal sehen und berühren wollten! Ja, ich glaube, daß es eines Tages eine große Einwanderungswelle von Juden aus Rußland geben wird.«

Was Kitty da erzählt hatte, berührte Sutherland zutiefst. Er dachte schweigend darüber nach. Ja, so war es: ein Jude hörte niemals auf, Jude zu sein. Und irgend einmal kam der Tag, an dem er sich zu seinem Judentum bekennen mußte. Sutherland dachte an seine geliebte Mutter.

Sie bogen von der Hauptstraße ab und fuhren nach Yad El hinein. Sara ben Kanaan kam aus dem Haus gestürzt, um sie zu begrüßen. »Sind wir die ersten?«

»Dov ist schon da. Aber nun kommt schon — herein, herein.«

Dov kam ihnen entgegen. Er schüttelte Sutherland die Hand und umarmte Kitty herzlich. Sie hielt ihn auf Armeslänge von sich. »Major Dov Landau, Sie sehen von Mal zu Mal besser aus.« Sutherland besah sich Saras Rosen im Wohnzimmer nicht ohne ein Gefühl des Neides.

»Wo sind denn all die andern?« fragte Kitty.

»Jordana ist gestern abend nach Haifa gefahren. Sie sagte, sie werde heute beizeiten zurück sein«, erklärte Sara.

»Karen schrieb mir, daß sie einen Tag vorher von Nahal Midbar fortfahren wollte«, sagte Dov. »Das wäre also gestern gewesen. Da hat sie an sich reichlich Zeit, herzukommen. Aber vielleicht hat sie in Haifa übernachtet.«

»Kein Grund zur Aufregung«, sagte Sutherland. »Sie wird bestimmt rechtzeitig zum Seder hier sein.«

Kitty war enttäuscht, daß Karen noch nicht da war, doch sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Das Verkehrsproblem war sehr schwierig, besonders an einem Festtag. »Kann ich Ihnen bei irgend etwas helfen?« fragte sie Sara.

»Ja, indem Sie sich hinsetzen und es sich gemütlich machen. Es sind schon ein Dutzend Anrufe für Sie gekommen. Im ganzen Hule-Tal wissen Ihre Kinder, daß Sie herkommen. Sie sagten, sie wollten auf einen Sprung hereinsehen, um Ihnen guten Tag zu sagen.«

Sara entfernte sich eilig wieder in ihre Küche.

Kitty wandte sich an Dov. »Ich habe viel Gutes über Sie gehört, Dov«, sagte sie.

Dov zog die Schultern hoch.

»Seien Sie nicht unnötig bescheiden. Man hat mir berichtet, daß Sie mit einem großen Projekt zur Regulierung des Jordan beschäftigt sind.«

»Ja, allerdings brauchen wir dazu das Einverständnis der Syrer, aber die werden natürlich nicht einverstanden sein. Dabei wäre der Vorteil für Syrien und Jordanien zehnmal größer als für uns. Trotzdem sind sie dagegen.«

»Und aus welchem Grund?« fragte Sutherland.

»Wir müssen den Lauf des Jordan einige Kilometer weit verändern. Die Araber behaupten, wir täten das aus strategischen Gründen, obwohl wir ihnen angeboten haben, Beobachter zu entsenden. Aber wir werden es schon schaffen.«

Dov holte tief Luft. Es war ihm deutlich anzumerken, daß er etwas auf dem Herzen hatte, über das er mit Kitty gern gesprochen hätte. Sutherland, dem das nicht entgangen war, begab sich an das andere Ende des Raumes und beschäftigte sich angelegentlich mit den Büchern, die dort standen.

»Hören Sie, Kitty«, sagte Dov, »ich hätte gern mit Ihnen über Karen gesprochen, bevor sie da ist.«

»Ja, Dov, gern.«

»Sie ist schrecklich eigensinnig.«

»Ich weiß. Ich war vor ein paar Wochen in Nahal Midbar, und wir hatten ein langes Gespräch miteinander.«

»Hat sie Ihnen erzählt, daß ich die Möglichkeit habe, in Amerika zu studieren?«

»Nein, sie hat mir nichts davon erzählt, doch ich wußte es ohnehin schon. Wissen Sie, ich habe so lange in Israel gelebt, daß ich mein eigenes Spionagesystem entwickelt habe.«

»Ich weiß nicht, was ich machen soll. Sie meint, sie könne die Siedlung nicht im Stich lassen. Ich fürchte, sie wird sich weigern, mit mir zu kommen. Ich — ich kann mich einfach nicht für zwei Jahre von ihr trennen.«

»Ich werde sie mir vornehmen«, sagte Kitty lächelnd. »Karens Widerstand wird von Minute zu Minute schwächer. Keine Sorge, Dov — das kommt bestimmt alles in Ordnung.«

Die Haustür wurde aufgerissen, und Jordana stürmte mit ausgebreiteten Armen herein.

»Schalom alle miteinander«, rief sie.

Kitty umarmte sie.

»Ima!« rief Jordana. »Komm her — ich habe eine Überraschung für dich!«

Sara kam eben aus der Küche gestürzt, als Ari zur Haustür hereinkam.

»Ari!«

Sara suchte nach ihrem Taschentuch, während ihr vor Freude die Tränen in die Augen stiegen und sie ihren Sohn umarmte.

»Ari! Oh, Jordana, du rothaariger Teufel! Warum hast du mir denn nichts davon gesagt, daß Ari kommt!«

»Weißt du, Mama«, sagte Ari, »wir hatten uns gedacht, daß du vielleicht auch für einen unerwarteten Gast etwas zu essen hast.«

»Ihr Teufel!« sagte Sara, drohte den beiden mit dem Finger und wischte sich mit dem Taschentuch verstohlen über die Augen. »Laß dich ansehen, mein Sohn. Du siehst müde aus, Ari. Du arbeitest zuviel.«

Ari nahm sie lachend in die Arme. Und dann entdeckte er Kitty Fremont.

Im Raum entstand ein unbehagliches Schweigen, während die beiden einander anstarrten. Jordana, die das Zusammentreffen sorgfältig arrangiert hatte, sah von einem zum andern.

Kitty erhob sich langsam. »Schalom, Ari«, sagte sie.

»Schalom«, flüsterte er.

»Macht es euch gemütlich«, sagte Jordana, hakte ihre Mutter unter und ging mit ihr in die Küche.

Dov begrüßte Ari. »Schalom, Brigadier Ben Kanaan«, sagte er.

Kitty beobachtete Dov. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung, während er zu Ari, dem Kommandeur der »Wüstenwölfe« aufsah. »Schalom, Dov. Sie sehen gut aus. Wie ich höre, wollt ihr uns da unten in der Wüste Wasser bringen.«

»Wir werden uns große Mühe geben, Brigadier.«

Sutherland und Ari schüttelten sich die Hände.

»Ich habe Ihren Brief bekommen, Sutherland. Sie sind jederzeit herzlich in Elath willkommen.«

»Ich bin sehr begierig, mir die Negev-Wüste einmal genau anzusehen. Vielleicht können wir schon unser Treffen verabreden.« »Gern. Und wie macht sich Ihr Garten?«

»Also, ich muß sagen, die Rosen Ihrer Mutter sind die ersten, die ich mit einem gewissen Neid betrachtet habe. Aber hören Sie, alter Junge, Sie dürfen diesmal nicht wieder abfahren, ohne vorher einen Nachmittag bei mir gewesen zu sein.«