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»Unsinn. Er ist ein hervorragender Reporter. Seine Berichte über die Nürnberger Prozesse waren großartig. Wir haben damals in Holland einen Fehler gemacht, der uns teuer zu stehen kam, und dieser Mann fand ihn heraus und berichtete darüber. Schließlich war er Kriegsberichterstatter.«

»Scheint es Ihnen richtig, Sir, wenn wir es für durchaus möglich halten, die Tatsache, daß Mrs. Fremont in Caraolos arbeitet, könnte etwas damit zu tun haben, daß Parker einen Bericht über das Lager vorbereitet?«

»Major Alistair — sollten Sie jemals angeklagt werden, einen Mord begangen zu haben, so möchte ich Ihnen wünschen, daß man Sie nicht auf Grund von Beweisen verurteilt, wie Sie mir sie soeben erbracht haben.«

Auf den Wangen des Majors erschienen vor Erregung kleine rote Flecken.

»Diese Fremont ist nun einmal eine der fähigsten Kinderpflegerinnen im ganzen Nahen Osten. Die griechische Regierung hat sie nach Saloniki geholt, wo sie ein Waisenheim geleitet hat, und zwar hervorragend. Das steht auch in Ihrem Bericht. Mrs. Fremont und Mark Parker sind seit ihrer Kindheit miteinander befreundet. Das steht gleichfalls in Ihrem Bericht. Und es steht ferner in Ihrem Bericht, daß es die jüdische Wohlfahrt war, die sich wegen der Arbeit im Lager an sie gewandt hatte. Sie lesen doch Ihre Berichte, Major Alistair, oder?«

»Verzeihung, Sir ...«

»Ich bin noch nicht zu Ende. Nehmen wir einmal an, unser schlimmster Verdacht sei begründet. Nehmen wir also an, daß Mrs. Fremont tatsächlich Material für Mark Parker sammelt. Nehmen wir weiter an, daß Mark Parker eine Artikelserie über Caraolos schreibt. Ich bitte Sie, meine Herren, wir haben jetzt Ende 1946; der Krieg ist seit mehr als anderthalb Jahren vorbei. Die Leute wollen nichts mehr von Flüchtlingen hören, und wenn sie etwas darüber lesen, dann macht es auf sie sehr wenig Eindruck. Wenn wir aber eine amerikanische Kinderpflegerin und einen amerikanischen Pressemann aus Zypern hinauswerfen, ist das sicherlich eine Sensation für die Leute. Meine Herren, die Sitzung ist beendet.«

Alistair nahm rasch seine Akten zusammen. Fred Caldwell, der kochend vor Wut dagesessen hatte, sprang auf. »Und ich sage, wir sollten ein paar von diesen Dreckjuden aufhängen, damit sie sehen, wer eigentlich der Herr im Hause ist.« Damit wollte er hinaus.

»Freddy!« rief Sutherland hinter ihm her. Caldwell, schon in der Tür, blieb stehen und drehte sich um. »Wenn Sie den Juden unbedingt an den Kragen wollen, kann ich veranlassen, daß Sie nach Palästina versetzt werden. Die Juden dort sind nicht hinter Stacheldraht, und sie sind bewaffnet. Solche Männlein wie Sie essen sie gern zum Frühstück.«

Caldwell ging rasch mit Alistair den Flur entlang und brummte wütend in sich hinein. »Kommen Sie mit in mein Büro«, sagte Alistair. Caldwell ließ sich in einen Stuhl fallen und fuchtelte mit den Händen herum. Alistair nahm einen Brieföffner von seinem Schreibtisch und spielte nervös damit, während er im Büro auf und ab ging.

»Also, wenn Sie mich fragen«, sagte Caldwell, »man sollte den Alten adeln und in den Ruhestand versetzen.«

Alistair kam zurück zum Schreibtisch und biß sich unschlüssig auf die Lippe. »Hören Sie, Freddy, ich habe mir die Sache schon seit mehreren Wochen überlegt. Sutherland verhält sich wirklich ganz unmöglich. Ich werde General Tevor-Browne einen persönlichen Brief schreiben.«

Caldwell zog die Augenbrauen in die Höhe. »Das ist ein bißchen riskant, alter Junge.«

»Wir müssen irgend etwas unternehmen, ehe uns diese verdammte Insel eines Tages um die Ohren fliegt. Sie sind Sutherlands Adjutant. Wenn Sie mich dabei unterstützen, dann garantiere ich Ihnen, daß nichts ins Auge geht.«

Caldwell hatte es satt mit Sutherland. Und Alistair war ein angeheirateter Verwandter von Tevor-Browne. Er nickte zustimmend.

»Dann könnten Sie bei der Gelegenheit bei Tevor-Browne auch gleich ein gutes Wort für mich einlegen.«

Es klopfte, und herein kam ein Korporal mit einem Bündel neuer Informationen. Er übergab Alistair das Bündel und ging wieder hinaus. Alistair blätterte die Meldungen durch und seufzte. »Als ob ich nicht schon genug Sorgen hätte. Auf der Insel ist eine organisierte Bande von Dieben tätig. Die Burschen sind so gerissen, daß wir nicht einmal herausbekommen, was sie eigentlich klauen.« Einige Tage später traf Major Alistairs dringender und vertraulicher Bericht bei General Tevor-Browne ein. Seine erste Reaktion war, Alistair und Caldwell nach London kommen zu lassen und ihnen eine gewaltige Standpauke für diesen Bericht zu halten, der an Meuterei grenzte. Doch dann machte er sich klar, daß Alistair es nicht riskiert hätte, ihm einen solchen Brief zu schicken, wenn er nicht ernstlich beunruhigt wäre.

Falls sich Tevor-Browne dafür entschied, Alistairs Rat zu befolgen und in Caraolos rasch durchzugreifen, um eventuelle Pläne der Juden zu durchkreuzen oder zu vereiteln, mußte er sich beeilen. Denn Ari ben Kanaan hatte bereits den genauen Zeitpunkt festgesetzt, zu dem die Kinder mit Sicherheit aus Caraolos fortgebracht werden sollten. Die Engländer hatten bekanntgegeben, daß die neuen Lager in der Nähe von Larnaca fertiggestellt seien, und daß man in den nächsten Tagen damit beginnen würde, einen großen Teil der Insassen aus den überfüllten Lagern bei Caraolos dorthin zu überführen. Die Flüchtlinge sollten mit Lastwagen hingebracht werden, und zwar zehn Tage lang täglich jeweils drei- bis fünfhundert. Ari setzte den sechsten Tag als Zeitpunkt X des Unternehmens Gideon fest.

XX.

PERSÖNLICH ZU ÜBERBRINGEN AN MR. KENNETH BRADBURY AMERICAN NEWS SYNDICATE, LONDON Lieber Brad, der Überbringer dieses Briefes und des beiliegenden Berichtes aus Zypern ist F. F. Whitman, ein Pilot der British Intercontinental Airways.

Der Tag X des Unternehmens Gideon ist in fünf Tagen. Telegrafieren Sie mir sofort, ob Sie meinen Bericht bekommen haben. Ich habe mich auf eigene Faust eingeschaltet, glaube aber, daß eine ganz dicke Sache daraus werden könnte.

Am Tage X werde ich Ihnen ein Telegramm schicken. Wenn die Unterschrift MARK ist, so bedeutet das, daß alles planmäßig verlaufen ist und daß Sie die Story loslassen können. Wenn es mit PARKER unterschrieben ist, dann halten Sie die Story noch zurück, denn das bedeutet, daß irgend etwas schiefgegangen ist. Ich habe F. F. Whitman als Belohnung für sichere Überbringung 500 Dollar, versprochen. Seien Sie so gut und geben Sie ihm das Geld, ja?

Mark Parker

MARK PARKER

DOM-HOTEL

KYRENIA/ZYPERN

TANTE DOROTHEA WOHLBEHALTEN IN LONDON GELANDET STOP HABEN UNS ALLE SEHR GEFREUT SIE ZU SEHEN STOP HOFFEN BALD VON DIR ZU HÖREN.

BRAD

Marks Bericht lag also im Londoner Büro von ANS vor, um auf ein verabredetes Stichwort hin in den Zeitungen zu erscheinen.

Kitty zog, als sie in Caraolos zu arbeiten anfing, vom Dom-Hotel in das King-George-Hotel in Famagusta um. Mark beschloß, im DomHotel wohnen zu bleiben, um an Ort und Stelle zu sein, wenn die Exodus in den Hafen von Kyrenia kam.

Er war zweimal im Wagen nach Famagusta gefahren, um Kitty zu besuchen. Beide Male hatte er sie nicht angetroffen, da sie im Lager gewesen war. Was Mark schon befürchtet hatte, wurde ihm von Mandria bestätigt: dieses junge Mädchen im Lager arbeitete als Kittys Assistentin, und die beiden waren den ganzen Tag zusammen. Mark machte sich Sorgen. Kitty schien die unsinnige Idee zu haben, ihre tote Tochter sei in diesem Mädchen wieder lebendig geworden. Das Ganze war nicht normal, war irgendwie überspannt. Dazu kam noch, daß Kitty sich darauf eingelassen hatte, gefälschte Papiere aus dem Lager herauszuschmuggeln.

Bis zu der entscheidenden Phase des Unternehmens Gideon waren es nur noch wenige Tage. Die Spannung machte Mark nervös, und Kittys sonderbares Betragen machte ihn noch nervöser. Er verabredete sich mit ihr im King George.

Auf der Fahrt nach Famagusta waren seine Nerven bis zum Zerreißen angespannt. Es war alles allzu glatt gegangen. Ben Kanaan und seine Räuberbande hatten die Engländer völlig in die Irre geführt. Die Engländer waren sich darüber klar, daß irgend etwas im Gange war, aber es schien ihnen einfach nicht möglich, dahinten zukommen, wo die Drahtzieher saßen. Mark war voller Bewunderung für die Klugheit Ben Kanaans und den Mut des Palmach. Die Ausrüstung der Exodus und die Ausbildung der dreihundert Jugendlichen waren mustergültig. Diese Sache würde tatsächlich die sensationellste Story ergeben, die er jemals in die Finger bekommen hatte, doch er machte sich zur gleichen Zeit auch sehr große Sorgen über seine Beteiligung an der ganzen Angelegenheit.