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Mark ging ins Bad, wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser und suchte nach einem Handtuch. »Was kann ich für Sie tun, Freddy?«

»Wir wurden heute nachmittag von der CID telefonisch davon unterrichtet, daß Sie mit dem Flugzeug hier angekommen seien. Es liegt keine offizielle Bestätigung Ihres Auftrages vor.«

»Mein Gott, was seid ihr für eine mißtrauische Bande! Tut mir leid, Freddy, aber ich muß Sie enttäuschen. Ich bin auf dem Weg nach Palästina, und hier verbringe ich nur meinen Urlaub.«

»Mein Besuch bei Ihnen hat keinen dienstlichen Charakter, Parker«, sagte Caldwell. »Nur, sehen Sie, wir sind so ein bißchen empfindlich bei dem Gedanken an unsere Beziehungen in der Vergangenheit.« »Ihr habt ein gutes Gedächtnis«, sagte Mark und fing an, sich umzuziehen. Caldwell machte für Mark einen Whisky zurecht. Mark betrachtete den englischen Offizier nachdenklich und fragte sich verwundert, warum dieser Mann ihm eigentlich so sehr gegen den Strich ging. Vielleicht lag es an der Arroganz, die ihn als typisches Exemplar dieser ewigen Kolonisten abstempelte. Caldwell war ein schrecklich langweiliger Bursche, stur und engstirnig. Was Mark beunruhigte, war Freddy Caldwells Gewissen, oder vielmehr das völlige Fehlen eines Gewissens. Was recht oder unrecht war, das ergab sich für Caldwell aus einer Heeresdienstvorschrift oder aus einem Befehl.

»Habt ihr vielleicht irgendwelche schmutzigen Dinge hier auf Zypern zu verbergen?«

»Werden Sie bitte nicht komisch, Parker. Diese Insel gehört uns, und wir möchten gern wissen, was Sie hier wollen.«

»Wissen Sie, das gefällt mir an euch Engländern. Ein Holländer würde sagen: Scheren Sie sich zum Teufel. Ihr Burschen aber sagt immer: Würden Sie bitte so freundlich sein, sich zum Teufel zu scheren. — Ich sagte bereits, daß ich hier im Urlaub bin. Feiere hier Wiedersehen mit einer alten Bekannten.«

»Und wer ist das?«

»Ein Mädchen namens Kitty Fremont.«

»Ah, die Kinderpflegerin. Eine tolle Frau, wirklich hinreißend. Lernte sie vor einigen Tagen beim Gouverneur kennen.« Freddy Caldwell sah auf die Verbindungstür zu Kittys Zimmer, die nur angelehnt war, und hob fragend die Augenbrauen.

»Geben Sie Ihre dreckige Phantasie in die Reinigung«, sagte Mark. »Ich kenne sie seit fünfundzwanzig Jahren.«

»Aha, die Liebe wird also immer größer.«

»Stimmt. Und daher bekommt Ihr Besuch jetzt gesellschaftlichen Charakter — also verschwinden Sie gefälligst.«

Caldwell lächelte, setzte sein Glas ab und klemmte sich sein Stöckchen unter den Arm.

»Freddy Caldwell«, sagte Mark, »ich möchte Sie gern einmal sehen, wenn dieses Lächeln aus Ihrem Gesicht weggewischt ist.«

»Wovon in drei Teufels Namen reden Sie eigentlich?«

»Wir befinden uns im Jahre 1946, Major. Ein Haufen Leute haben im letzten Krieg die Schlagworte gelesen, um die es in diesem Kampf gehe, und haben daran geglaubt. Eure Uhr geht nach. Ihr werdet den kürzeren ziehen, überall — zuerst in Indien, dann in Afrika, und dann im Nahen Osten. Ich werde zur Stelle sein, um zuzusehen, wie ihr das Mandat in Palästina verliert. Und man wird euch sogar auch aus Suez und Jordanien hinauswerfen. Die Sonne sinkt über dem Empire, Freddy, was wird Ihre Frau bloß anfangen, wenn sie keine vierzig schwarzen Boys mehr hat, denen sie mit der Peitsche befehlen kann?«

»Ich habe Ihre Berichte über den Nürnberger Prozeß gelesen, Parker. Sie haben diese schreckliche amerikanische Tendenz, die Dinge zu dramatisieren. Außerdem, alter Knabe, habe ich gar keine Frau.«

»Ihr seid höfliche Burschen.«

»Sie sind also hier im Urlaub, Parker, vergessen Sie das nicht. Ich werde Brigadier Sutherland Ihre Grüße übermitteln. Cheerio.«

Mark lächelte und zog die Schultern hoch. Und dann fiel es ihm wieder ein — Welcome to Cyprus. Das Shakespeare-Zitat hieß vollständig: »Willkommen hier in Zypern — Ziegen und Affen!«

II.

Während Mark Parker darauf wartete, Kitty Fremont nach langer Zeit endlich wiederzusehen, warteten in einem anderen Teil von Zypern zwei Männer auf ein sehr andersgeartetes Wiedersehen. Sie warteten in einem Wald, vierzig Meilen von Kyrenia entfernt, nördlich von Famagusta.

Der Himmel war wolkig verhangen, und es leuchtete kein Stern. Die beiden Männer standen schweigend und starrten durch die Dunkelheit hinunter zum Strand der Bucht.

Sie standen in einem unbewohnten, verfallenen weißen Haus, oben auf dem Hügel, inmitten eines Waldes von Pinien, Eukalyptusbäumen und Akazien. Nichts war zu sehen oder zu hören, es war dunkel und still, bis auf einen gelegentlichen Windhauch und den leisen, unregelmäßigen Atem der beiden Männer.

Der eine war ein griechischer Zyprer, ein Waldaufseher; er war nervös.

Der andere schien so unbewegt wie eine Statue, und sein Blick war beständig auf das Wasser gerichtet. Er hieß David ben Ami, und dieser Name bedeutete: David, Sohn Meines Volkes.

Die Wolken begannen aufzureißen. Ein schwaches Licht fiel auf das stille Wasser der Bucht und den Wald, auf das weiße Haus und das Gesicht von David ben Ami, der am Fenster stand. Er war klein, von schlanker und zarter Figur, ein Mann Anfang der Zwanziger. Selbst in diesem schwachen Licht ließ das schmale, sensible Gesicht mit den tiefliegenden Augen den Geistesarbeiter erkennen, den Intellektuellen.

Das Gewölk verzog sich und der Lichtschein lief über die Trümmer marmorner Säulen und Statuen hin, die rings um das weiße Haus in weitem Umkreis den Boden bedeckten.

Trümmer. Die vergänglichen Überreste von Salamis, der einstmals berühmten Stadt, die um die Zeitenwende in hoher Blüte gestanden hatte. Salamis, in grauer Vorzeit von Teuker, dem Kriegshelden, gegründet, als er aus dem Trojanischen Krieg heimkehrte. Salamis, das durch ein Erdbeben zerstört wurde und sich von neuem erhob, um ein zweites Mal dem Ansturm der Araber unter dem Banner des Islams zu erliegen und sich danach nie wieder zu erheben. Das Licht schimmerte auf den Trümmern Tausender von Säulen, die das weite Gebiet bedeckten, auf dem sich einstmals ein griechisches Forum erhoben hatte.

Die Wolken ballten sich zusammen, und es war wieder dunkel.

»Er müßte längst da sein«, flüsterte der Grieche nervös.

»Da«, sagte David ben Ami, »ich höre etwas.«

Von weit draußen auf dem Wasser war das schwache Geräusch eines Motors zu hören. David ben Ami hob das Glas an die Augen. Das Geräusch des Motors wurde lauter.

Draußen blitzte ein Scheinwerfer auf, der einen Lichtstrahl über das Wasser zu dem weißen Haus auf dem Hügel sandte. Ein kurzes Blinkzeichen — einmal, zweimal, dreimal.

David ben Ami und der Waldaufseher rannten den Hügel hinunter, über das Geröll und durch das Gestrüpp, bis sie den Strand erreichten. Ben Ami erwiderte mit der Taschenlampe das Signal. Das Geräusch des Motors verstummte.

Ein Mann, nur als undeutlicher Schatten zu erkennen, glitt über die Bordwand und begann auf den Strand zuzuschwimmen. David ben Ami entsicherte seine Maschinenpistole und spähte den Strand hinauf und hinunter, um festzustellen, ob sich etwa eine englische Patrouille näherte. Der Schwimmer tauchte jetzt aus dem Wasser auf und watete an Land. »David!« rief eine Stimme.

»Ari!« rief Ben Ami zurück. »Hierher, rasch!«

Zu dritt rannten sie den Strand hinauf, an dem weißen Haus vorbei und zu einem Landweg. Dort wartete ein Taxi, verborgen im Gebüsch. Ben Ami dankte dem Griechen für seine Hilfe, und das Taxi fuhr los, nach Famagusta.

»Meine Zigaretten sind naß geworden«, sagte Ari.

David gab ihm ein Päckchen. Die Flamme des Feuerzeuges beleuchtete für einen Augenblick das Gesicht des Mannes, der Ari hieß. Er war groß und kräftig, in auffälligem Gegensatz zu dem kleinen, feingliedrigen Ben Ami. Er hatte ein gutgeschnittenes Gesicht, doch der Ausdruck seiner Augen war kalt und hart.