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»Na und? Du weißt doch, wir fragen die Leute von Mossad oder Palmach nicht danach, was sie vorhaben.«

»Doch, diesmal frage ich danach. Unsere beiden Namen stehen nicht auf der Liste. Ich mache diese Papiere nicht fertig, wenn sie nicht auch uns mitnehmen.«

»Du weißt ja gar nicht, ob wirklich ein Schiff da ist. Und sollte ein Schiff da sein und wir nicht mitfahren, dann wird das seine Gründe haben. Wir beide haben eine ganz bestimmte Arbeit hier in Caraolos zu tun.«

»Ich frage nicht danach, ob sie mich hier brauchen oder nicht. Man hat mir versprochen, daß man mich nach Palästina bringt, und ich fahre mit.«

»Denkst du denn gar nicht daran, daß wir diesen Männern von Palmach auch etwas schuldig sind für all das, was sie für uns getan haben?«

»Für uns getan, für uns getan! Weißt du eigentlich gar nicht, weshalb die so darauf versessen sind, Juden nach Palästina zu schmuggeln? Meinst du wirklich, sie täten das nur, weil sie uns so lieben? Nein, das machen sie, weil sie Leute brauchen, die gegen die Araber kämpfen.«

»Und was ist mit den amerikanischen Juden und all den andern, die nicht gegen die Araber kämpfen? Warum helfen die uns?«

»Das will ich dir sagen. Die geben Geld, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Sie fühlen sich schuldig, weil man sie nicht auch in die Gaskammern gesteckt hat.«

Karen biß die Zähne aufeinander und schloß die Augen, um ihre Fassung nicht zu verlieren. »Dov, Dov! Gibt es für dich nichts anderes als Haß?« Sie drehte sich um und wollte zur Tür.

Dov lief ihr nach und versperrte ihr den Ausgang. »Jetzt bist du wieder wütend auf mich«, sagte er.

»Ja, das bin ich.«

»Karen, du bist der einzige Freund, den ich habe.«

»Du willst ja nur nach Palästina, damit du dich den Terroristen anschließen und Menschen töten kannst.«

Karen ging zurück, setzte sich in eine Schulbank und seufzte. An der Wandtafel vor ihr stand in Blockschrift der Satz: DIE BALFOUR-DEKLARATION VOM JAHRE 1917 ENTHÄLT DAS VERSPRECHEN ENGLANDS, DEN JUDEN EINE HEIMAT IN PALÄSTINA ZU GEBEN. »Ich möchte auch nach Palästina«, sagte sie leise. »Ich wünsche es mir so sehr, daß es mich fast umbringt. Mein Vater erwartet mich dort — das weiß ich bestimmt.«

»Geh jetzt wieder in dein Zelt und warte dort auf mich«, sagte Dov. »Ben Kanaan wird gleich hier sein.«

Als Karen gegangen war, lief Dov zehn Minuten lang nervös hin und her durch das Klassenzimmer und steigerte sich in immer größere Wut hinein.

Endlich öffnete sich die Tür und die hohe, breite Gestalt Ari ben Kanaans kam herein, gefolgt von David ben Ami und Kitty Fremont. David machte die Tür zu und schloß ab.

Dov kniff mißtrauisch die Augen zusammen. »Die da will ich nicht dabeihaben«, sagte er.

»Aber ich«, sagte Ari. »Also rede.«

Dov blinzelte und zögerte unschlüssig. Er wußte, daß er gegen Ben Kanaan nicht aufkam. Er ging zu der Nische und schnappte sich die Vordrucke der Überführungsliste. »Ich nehme an, daß Sie hier in Zypern ein Aliyah-Bet-Schiff haben, und daß die dreihundert, die auf dieser Liste stehen, auf dieses Schiff gebracht werden sollen.«

»Gar keine schlechte Idee«, sagte Ari. »Weiter.«

»Wir haben eine Abmachung getroffen, Ben Kanaan. Ich mache diese Liste für Sie nicht fertig, wenn nicht auch mein Name und der von Karen Clement draufkommt. Noch irgendwelche Fragen?«

Ari warf Kitty von der Seite einen raschen Blick zu.

»Hast du eigentlich schon mal daran gedacht, Dov, daß du der einzige Spezialist hier bist, und daß wir dich deshalb hier brauchen?« sagte David ben Ami. »Und hast du auch schon mal daran gedacht, daß ihr beiden, du und Karen, hier wertvoller seid als in Palästina?« »Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, daß mir das verdammt gleichgültig ist?« antwortete Dov.

Ari senkte den Blick, um ein Lächeln zu verbergen. Dov war ein schlauer Bursche und mit allen Wassern gewaschen. Es waren ausgekochte Jungens, die die Konzentrationslager überleben konnten.

»Es scheint, du hast die Trümpfe in der Hand«, sagte Ari. »Setz deinen Namen mit auf die Liste.«

»Und was ist mit Karen?«

»Davon war bei unserer Abmachung nicht die Rede.«

»Aber ich mache es jetzt zur Bedingung.«

Ari ging zu ihm hin, baute sich dicht vor ihm auf und sagte: »Das paßt mir nicht, Dov.«

Dov begehrte auf. »Schlagen Sie mich doch! Ich bin von Spezialisten geschlagen worden! Bringen Sie mich um! Ich habe keine Angst. Nach dem, was ich bei den Deutschen erlebt habe, kann mich nichts mehr einschüchtern.«

»Hör auf, zionistische Propaganda herzubeten«, sagte Ari. »Geh in dein Zelt und warte dort. Du bekommst in zehn Minuten Antwort von uns.«

Dov schloß die Tür auf und rannte hinaus.

»Dieses kleine Biest!« sagte David.

Ari gab David einen Wink, und David ging hinaus. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als Kitty wie von Sinnen auf Ari losstürzte und rief: »Karen geht nicht auf dieses Schiff! Das haben Sie mir fest zugesagt! Sie geht nicht auf die Exodus!«

Ari packte sie bei den Handgelenken. »Ich rede kein Wort mit Ihnen, wenn Sie sich jetzt nicht zusammennehmen. Wir haben genug auf dem Hals, auch ohne eine hysterische Frau.«

Kitty riß sich heftig los.

»Hören Sie zu«, sagte Ari. »Mit dieser Möglichkeit hatte ich wirklich nicht gerechnet. In weniger als vier Tagen ist es soweit. Dieser Bursche hat uns in der Hand, und er weiß es. Wenn er die Papiere nicht fertigmacht, sind wir aufgeschmissen.«

»Reden Sie mit ihm — versprechen Sie ihm alles, was er will, aber lassen Sie Karen hier!«

»Ich würde mit ihm reden, bis ich heiser bin, wenn ich meinte, daß damit irgend etwas zu erreichen wäre.«

»Ben Kanaan, bitte — er wird nachgeben. Er wird nicht darauf bestehen, daß Karen mitkommt.«

Ari schüttelte den Kopf. »Ich habe Jungens wie ihn zu Hunderten gesehen. Es ist nicht viel in ihnen heil geblieben. Karen ist für Dov das einzige, was ihn noch mit der Welt der anderen verbindet. Sie wissen genausogut wie ich, daß er zu diesem Mädchen halten wird.« Kitty lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wandtafel, ihr Kleid streifte über die Kreide, mit der dort angeschrieben war: DIE BALFOUR-DEKLARATION VON 1917 ENTHÄLT DAS VERSPRECHEN ENGLANDS ...

Ben Kanaan hatte recht, und sie wußte es. Und Mark hatte auch recht gehabt.

»Es gibt nur einen Weg«, sagte Ari. »Gehen Sie zu diesem Mädchen und sagen Sie ihm, wie es in Ihnen aussieht. Erklären Sie Karen, weshalb Sie möchten, daß sie hierbleibt.«

»Das kann ich nicht«, sagte Kitty mit leiser Stimme. »Ich kann nicht.« Sie hob den Blick und sah Ben Kanaan verzweifelt und hilflos an.

»Mit so was hatte ich wirklich nicht gerechnet«, sagte er. »Tut mir leid, Kitty.« Es war das erstemal, daß er sie Kitty nannte.

»Bringen Sie mich zu Mark zurück«, sagte sie.

Sie gingen hinaus. Draußen stand David. »Geh zu Dov«, sagte Ari, »und sag ihm, daß wir mit seinen Bedingungen einverstanden sind.« Dov rannte los, als er es erfahren hatte. Atemlos und aufgeregt kam er in Karens Zelt gestürzt. »Wir fahren nach Palästina!« rief er.

»O Gott«, sagte Karen. »O Gott!«

»Wir dürfen nicht darüber reden. Die anderen wissen nichts davon, nur du und ich.«

»Und wann?«

»In den allernächsten Tagen. Ben Kanaan und seine Leute werden mit Lastwagen und in englischen Uniformen kommen. Angeblich, um uns in das neue Lager bei Larnaca zu bringen.«

»O mein Gott.«

Hand in Hand verließen sie das Zelt. Langsam gingen sie durch die langen Reihen der Zelte unter den Akazien zu dem Spielplatz, wo Seew mit einer Schulklasse Messerfechten übte.

Dov Landau ging weiter, allein, an der Wand aus Stacheldraht entlang. Er sah draußen die englischen Wachtposten auf und ab gehen. Am Ende der langen Wand aus Stacheldraht stand ein Wachtturm, ausgerüstet mit Maschinengewehr und Scheinwerfer. Stacheldraht — Maschinengewehre — Wachtposten —.