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Alistair legte den Hörer hin und machte sich eiligst auf den Weg zu Sutherlands Büro.

Die Wagenkolonne kam in den Hafen gerollt und hielt auf dem Kai. Ari ben Kanaan entstieg dem Jeep an der Spitze der Kolonne, und der Fahrer fuhr mit dem Jeep davon. Die Lastwagen kamen herangefahren und hielten bei der Exodus. Jungens und Mädchen stiegen aus und begaben sich rasch und ohne jeden Lärm an Bord. Alles vollzog sich, dank der Ausbildung durch Seew Gilboa, in mustergültiger Disziplin. An Bord schleusten Joab, David und Hank Schlosberg, der Kapitän, die Jugendlichen an ihre Plätze im Raum und an Deck.

Am Kai blieben ein paar Neugierige stehen und staunten. Einige englische Soldaten zuckten die Achseln und kratzten sich am Kopf. Sobald einer der Lastwagen leer war, fuhr der Fahrer damit in die Berge davon und ließ ihn in der Nähe der Ruinen von St. Hilarion stehen. Die 23. Transportkompanie, die in diesem Augenblick ihre Aufgabe erfüllt hatte, hörte zu existieren auf. Joab hinterließ in seinem Lastwagen einen Zettel, auf dem er sich bei den Engländern für die Überlassung des Fahrzeuges bedankte. Ari ging an Bord und begab sich in das Ruderhaus. Nach zwanzig Minuten war der letzte Lastwagen entladen und alle an Bord. Ari übergab Hank das Kommando.

Der Kapitän lichtete den Anker und ließ die Maschinen auf Touren laufen.

»Geht zu den Kindern«, sagte Ari zu Seew, David und Joab, »und erklärt ihnen genau, was wir vorhaben und was wir von ihnen erwarten. Jedes Kind, das meint, es könne die Sache nicht durchstehen, soll hierher ins Ruderhaus kommen, mir Bescheid sagen; dann wird es nach Caraolos zurückgebracht werden. Macht den Kindern klar, daß ihr Leben in Gefahr ist, wenn sie bleiben. Weder von euch noch von den Kindern soll auf diejenigen, die lieber von Bord gehen wollen, irgendein Druck ausgeübt werden, um sie zum Bleiben zu veranlassen.«

Während die Palmach-Angehörigen von der Brücke nach unten gingen, um die Kinder zu unterweisen, begab sich die Exodus in die Mitte des Hafens und ging dort vor Anker.

Im nächsten Augenblick tönte ganz Kyrenia wider vom Schrillen der Sirenen. Ari richtete sein Fernglas auf die Hügel und die Küstenstraße und sah Dutzende englischer Lastwagen und Jeeps, die sich Kyrenia näherten. Er mußte laut lachen, als er sah, wie die Lastwagen der einstmaligen 23. Transportkompanie, die von Kyrenia aus in die Berge gebracht wurden, den Wagenkolonnen mit englischen Soldaten begegneten, die in entgegengesetzter Richtung herangebraust kamen.

Dann sah Ari nach unten. Die Kinder an Deck waren ruhig.

Die Engländer kamen heran und strömten in den Hafen! Ein Wagen nach dem andern hielt auf dem Kai und entlud Soldaten. Offiziere zeigten aufgeregt zu der Exodus hin und brüllten Befehle. Soldaten rannten im Galopp auf beiden Seiten die Mole entlang und brachten bei der engen Hafeneinfahrt Maschinengewehre und Granatwerfer in Stellung, um die Exodus am Auslaufen zu hindern.

Immer mehr Wagen kamen heran. Der Kai wurde abgesperrt, neugierige Zuschauer wurden zurückgedrängt. Innerhalb einer Stunde wimmelte es im Hafen von fünfhundert schwerbewaffneten Soldaten. Vor der Hafeneinfahrt nahmen zwei Torpedoboote Aufstellung. Am Horizont sah Ari drei Zerstörer, die eilig herankamen. Das Sirenengeheul nahm kein Ende! Der kleine verschlafene Ort verwandelte sich in ein Aufmarschgebiet! Dann kamen Tanks herangerollt, und die Maschinengewehre und Granatwerfer wurden durch Artillerie ersetzt.

Unter erneutem Sirenengeheul erschien am Kai ein Wagen, dem Brigadier Sutherland, Caldwell und Alistair entstiegen. Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, begab sich zu Sutherland und erstattete Meldung.

»Das Schiff da draußen, Sir, das ist es. Und es ist tatsächlich vollgeladen mit Juden. Aber es kann unter gar keinen Umständen entkommen.«

Sutherland sah sich im Hafen um. »Was ihr hier aufgebaut habt, genügt, um eine Panzerdivision zu bekämpfen«, sagte er. »Die auf dem Schiff da müssen wahnsinnig geworden sein. Lassen Sie sofort eine Lautsprecheranlage installieren.«

»Jawohl, Sir.«

»Also, wenn Sie mich fragen«, sagte Caldwell, »wir sollten den Kahn in die Luft jagen.«

»Ich habe Sie aber nicht gefragt«, sagte Sutherland scharf. »Cooke! Lassen Sie das ganze Hafengebiet absperren. Organisieren Sie ein Prisenkommando — Tränengas, leichte Waffen, für den Fall, daß sie nicht freiwillig zurückkommen wollen. Freddy, laufen Sie doch eben mal 'rüber zum Dom-Hotel und sagen Sie auf der Kommandantur Bescheid, daß ich eine allgemeine Nachrichtensperre wünsche.« Alistair musterte schweigend die Exodus.

»Was halten Sie von der Sache, Alistair?«

»Gefällt mir nicht, Sir«, sagte er. »Die würden so etwas nicht am hellichten Tage inszenieren, wenn sie nicht irgend etwas anderes im Schilde führten.«

»Nun beruhigen Sie sich schon, Alistair. Sie vermuten hinter allem irgendeinen finsteren Anschlag.«

Mark Parker drängte sich durch die Absperrung und näherte sich den beiden Offizieren.

»Was bedeutet die ganze Aufregung eigentlich?« fragte er Alistair. Als Alistair Mark sah, wußte er sofort, daß sein Verdacht richtig gewesen war. »Nun seien Sie mal nett, Parker«, sagte er, »und sagen Sie uns, was los ist. Wirklich, alter Junge, wenn Sie das nächstemal mit mir telefonieren, sollten Sie vorher Ihren britischen Akzent auffrischen.«

»Ich verstehe nicht, wovon Sie reden, Major Alistair.«

Sutherland ging allmählich ein Licht auf. Er sah von der Exodus zu Parker und Alistair, und ihm wurde klar, daß Mossad Aliyah Bet ihn überrumpelt hatte.

Die Röte stieg ihm ins Gesicht.

Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, kam und meldete: »Das Prisenkommando wird in zehn Minuten bereitstehen, Sir. Zweihundert Mann, die auf Fischerbooten zu dem Schiff hinausfahren.«

Sutherland hatte kaum hingehört. »Wo bleibt denn der Lautsprecher, verdammt noch mal!«

Zehn Minuten später hob Sutherland das Mikrophon an den Mund. Im Hafen wurde es still. Das Prisenkommando stand bereit, um an Bord der Exodus zu gehen, die in der Mitte des Hafenbeckens vor Anker lag.

»Hallo, da draußen! Hier spricht Brigadier Bruce Sutherland, der Inselkommandant von Zypern«, hallte es mit vielfältigem Echo durch den Hafen. »Können Sie mich hören?«

Im Ruderhaus der Exodus schaltete Ari ben Kanaan seine Lautsprecher-Anlage ein. »Hallo, Sutherland!« rief er. »Hier spricht Capain Caleb Moore von der 23. Transportkompanie Seiner Majestät Jüdischer Streitkräfte auf Zypern. Wenn Sie Ihre Lastwagen suchen, sie stehen oben bei St. Hilarion.«

Sutherland wurde blaß. Alistair fiel der Unterkiefer herunter.

»Hallo, da draußen!« rief Sutherland zurück. »Wir geben Ihnen zehn Minuten Zeit, an den Kai zurückzukommen. Wenn Sie nicht freiwillig kommen, sind wir gezwungen, Ihnen ein schwerbewaffnetes Prisenkommando zu schicken, das Sie mit Gewalt zurückbringt.«

»Hallo, Sutherland! Hier spricht die Exodus. Wir haben dreihundertundzwei Kinder an Bord. Unser Maschinenraum ist mit Dynamit gefüllt. Wenn einer Ihrer Männer bei uns an Bord kommen sollte, oder wenn auch nur ein Schuß auf uns abgegeben wird, dann sprengen wir uns in die Luft!«

In diesem Augenblick ging Mark Parkers Bericht von London aus über Fernschreiber in alle Welt.

Sutherland, Alistair und die fünfhundert englischen Soldaten auf dem Kai waren sprachlos, als jetzt am Mast der Exodus eine Flagge gehißt wurde. Es war der Britische Union Jack, mit einem riesigen Hakenkreuz in der Mitte.

Der Kampf der Exodus hatte begonnen!

XXX.

ANS-SONDERBERICHT

DAVID GEGEN GOLIATH, MODELL 1946