Выбрать главу

Doheny sah ihm dabei zu. »Das ist ein Hauptschlüssel, den Sie da am Ring haben, wie?«

Brade ärgerte sich über diese Frage. Er steckte die Schlüssel schnell weg. »Ich muss jederzeit in das Gebäude kommen können.« »Ja, klar. Passt er für alle Labors?«

»Für alle, die keine Spezialschlösser haben. Die meisten Fakultätsangehörigen dürften Hauptschlüssel besitzen.« »Ja, klar.« Doheny lächelte und nickte.

Brade führte während der Heimfahrt eine stumme Diskussion mit sich selbst. Da war Doheny also wiedergekommen. Der Anlass war ein durchaus plausibler gewesen. Er, Brade, hatte mit seinem Verlangen nach dem Schlüssel selbst dafür gesorgt. Und der Mann hatte durchaus normale Fragen gestellt, er hatte keine Feindseligkeit, keinen Argwohn gezeigt. Warum hätte er das auch tun sollen?

Und doch - warum hatte er wissen wollen, wann er nach Hause fuhr? Wozu das Interesse an dem Hauptschlüssel? Wieso war ihm der übrigens so schnell aufgefallen? Hatte er darauf besonders geachtet? Und warum sich unnütz Sorgen machen, hm? Brade zwang seine Gedanken in eine andere Bahn.

Das Abendessen verlief sehr ruhig. Ginny hatte inzwischen von dem Vorfall erfahren. (Die Nachrichten hatten ihn tatsächlich erwähnt, und Freundinnen hatten Doris angerufen, um mit ihr darüber zu sprechen. Und Ginny hatte dabei aufmerksam zugehört.)

Sie durfte natürlich nicht selbst darüber sprechen, und alle ihre Bemühungen in dieser Richtung wurden von beiden Eltern entschieden abgebogen. Die Aufregung hielt sie jedoch während des ganzen Abendessens gefangen und sorgte dafür, dass sie mit kräftigem Appetit aß.

Dies hatte seine guten Auswirkungen, da der Anblick der ausnahmsweise anstandslos essenden Tochter Doris in gute Laune versetzte, die ihrerseits zur Folge hatte, dass sich einige der Sorgen auflösten, die Brade bedrückten.

Die angenehme Stimmung hielt vor bis zum Nachtisch und der an Ginny ergehenden Aufforderung, ihr Betätigungsfeld nach oben zu verlegen und ihre Wochenendhausaufgaben zu machen, ein Bad zu nehmen und sich dann schlafen zu legen.

»Und ich möchte, dass um neun Uhr der Fernsehapparat ausgeschaltet wird, Virginia«, sagte Doris.

Ginny beugte sich über das Treppengeländer, und ihre dunklen Augen funkelten lebhaft. »He, Pa, vergiss nicht, dass wir morgen in den Zoo gehen.«

»Sprich deinen Vater nicht mit >he< an«, sagte Doris, »und das kommt ganz darauf an, wie du dich heute abend aufführst. Gibt's Ärger, geht's morgen nirgendwohin.«

»Ach, ich mach schon keinen Ärger. Wir gehen morgen, Pa, nicht wahr?«

Und Brade blieb nichts anderes übrig, als zuzusagen. »Wenn es nicht regnet«, fügte er hinzu.

»Eigentlich weiß ich noch gar nicht, ob ich morgen kann, Doris«, sagte Brade nachher.

»Was?« rief Doris aus der Küche, als sie gerade die Geschirrspülmaschine eingeschaltet hatte. Sie kam ins Wohnzimmer zurück. »Was hast du gesagt?«

»Ich sagte, ich weiß noch gar nicht, ob ich morgen in den Zoo gehen kann.«

»Warum nicht?«

»Cap Anson wird morgen vorbeikommen.«

Doris runzelte die Stirn und nahm die Schürze ab. »Wie kam es denn zu der Verabredung?«

»Ganz einfach. Er sagte, er kommt vorbei, und ich konnte nicht gut nein sagen.«

»Wieso nicht? Das ist doch leicht auszusprechen.«

»Ich konnte es nicht. Nicht Cap Anson gegenüber. Du weißt doch, wie er ist.«

»Ja, aber deshalb billige ich das noch lange nicht. Es ist sein Buch, nicht deins. Warum sollst du dich dafür abrackern?«

»Weil es ein interessantes Buch sein wird, wenn es fertig ist; ein wichtiges Buch. Ich bin sogar stolz darauf, dass ich ihm behilflich sein kann.«

»Nun, dann kommt er eben ein andermal.« »Ich habe ihn jetzt schon zweimal versetzt, Doris.« »Zweimal?« »Zuerst gestern abend. Ich war mit ihm um fünf Uhr verabredet, und du weißt, wie sehr er auf Pünktlichkeit achtet. Und ich war nicht da.« Doris zuckte die Achseln und begann in der Fernsehzeitung zu blättern. »Das war keine Tragödie. Er hat Virginia ja den Text gegeben.« »Ich weiß. Aber er war sicher sehr enttäuscht. Er betrachtet Unpünktlichkeit als einen persönlichen Affront.«

»Er machte einen ganz normalen Eindruck«, sagte Doris ungerührt. »Ich habe ihn durch die Fliegendrahttür beobachtet, wie er Ginny den Umschlag gab, und da sah er gar nicht verärgert aus oder so.« »Nun, er war gekränkt, ob man's ihm angemerkt hat oder nicht. Und dann war er heute morgen um zehn in meinem Arbeitszimmer, gleich nach meiner Vorlesung, und ich hatte den Text nicht gelesen, und da hat man ihm deutlich angesehen, dass er gekränkt war.« »Hältst du es nicht für etwas verständnislos von ihm, dass er erwartet, alles ginge so weiter wie früher, nachdem einer deiner Studenten einen tödlichen Unfall gehabt hat?«

»Natürlich ist es verständnislos von ihm, aber er ist ein alter Mann, und die Chemie ist sein Lebensinhalt. Was Ralph passiert ist, war ihm gleichgültig, und deshalb konnte ich nicht ablehnen, als er sagte, er kommt morgen früh vorbei.«

»Trotzdem wirst du Virginia mitnehmen müssen. Sie freut sich schon die ganze Woche darauf. Und sag nicht, ich soll mit ihr hingehen. Ich habe einen Berg Wäsche, mit dem ich wahrscheinlich sowieso nicht fertig werde.«

»Na schön«, sagte Brade, »ich rufe Cap heute abend noch an und sage ihm, er soll um neun kommen. Vor elf mit Ginny zum Zoo gehen, hat keinen Sinn, es ist wahrscheinlich noch viel zu kalt, und dann hätte ich zwei Stunden Zeit für Cap.«

Doris ging nicht direkt darauf ein. Sie wandte sich dem Fernsehapparat zu und sagte mit einem Seufzer: »Es ist eine lahme Show, und ich bin gar nicht in der Stimmung dazu, aber ich muss irgend etwas sehen.« »Was bringen denn die anderen Programme?«

»Oh - ein Korbballspiel und einen Erweckungsprediger. Und einen alten Film, den ich schon gesehen habe.«

Sie setzte sich mit einem Strickkörbchen in den Sessel und starrte abwesenden Blicks zum Bildschirm. Sie strickte nicht. Brade war überzeugt, dass sie auch das Programm nicht sah. »Gibt es etwas Neues mit Ralph?« fragte sie schließlich. Sie war offensichtlich über sich selbst verärgert, weil sie das Thema doch nicht hatte ignorieren können.

Brade blickte von Cap Ansons Manuskript auf. Er wäre in seinen Arbeitsraum im Souterrain hinuntergegangen, wenn er nicht Gesellschaft gebraucht hätte, auch wenn es nur die unglückliche, unzufriedene Doris war.

»Der Kriminalbeamte war wieder bei mir«, sagte er.

Sie sah sofort auf, die schönen Augen weit aufgerissen. »Was?« »Nur um mir den Laborschlüssel zurückzubringen; Ralphs Schlüssel; aber wie er sich in meinem Zimmer umgesehen hat, das hat mich nervös gemacht.«

»Hat er etwas gesagt?«

»Du meinst, über den Mord direkt? Nein.«

»Nun, dann denk doch nicht mehr daran. Lass die Sache ruhen.« »Auch wenn es Mord war?«

»Es ist nun mal passiert. Ein ziemlich unangenehmer junger Mann ist tot. Du machst ihn auch nicht mehr lebendig.«

»Die Sache ist keineswegs erledigt. Da ist ein Mädchen, das ihn offenbar geliebt hat und ihn heiraten wollte. Und da ist eine Mutter, die in ihrem Leben viel mitgemacht zu haben scheint und sich krummgelegt hat, damit er Chemiker werden konnte. Nein, die Sache ist noch gar nicht erledigt.«

»Ihnen nützt es aber auch nichts, wenn du in Teufels Küche gerätst.«

»Ich bin schon längst in Teufels Küche. Ich frage mich den ganzen Tag, wie ich wieder herauskomme.«

»Außer dir vermutet niemand, dass es Mord war.«

»Und wie lange wird das so bleiben? Heute hat mich jemand gefragt, wie Ralph nur Natriumzyanid für Natriumacetat halten konnte. Die Betreffende war noch ziemlich erschüttert, aber sie wird zu sich kommen und diese Frage dann noch mal stellen. Andere Chemiker bei uns könnten argwöhnisch werden. Jemand wird schließlich zur Polizei gehen. Wäre dir dieses Damoklesschwert über unseren Köpfen so angenehm?«