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»Wie sieht es aus?« fragte er in die Rillen des Mikrophons. »Könnt ihr uns hören?«

»Nicht nur das, mein Junge!« lautete die Antwort; offensichtlich saß General Avidan an der Gegenstelle. »Wir können euch auch wunderbar sehen. Der Strahl aus euren Linsen ist so stark, als rittet ihr auf einer Fackel.«

»Hoffentlich bringt der Flug ähnliche Erleuchtungen«, brummte Marsh nachdenklich und schaltete sein Mikrophon aus. Langsam stand er auf und sah sich kurz um.

»Wer außer mir legt sonst noch Wert auf einen Kaffee?« fragte er laut und zählte die zustimmenden Antworten.

»Aber bitte nicht so stark wie beim letztenmal«, bat Viveca Aylen. »Deine Nähe treibt meinen Puls schon genug in die Höhe.«

Marsh quittierte das aufkommende Gelächter mit einem anerkennenden Grinsen, dann verließ er die Zentrale. Vor jedem Schott blieb er sekundenlang stehen und wartete, bis der Automat seine Stimme erkannt und die Tür geöffnet hatte; im äußersten Notfall verwandelte sich das Schiff in eine Ansammlung stählerner Zellen, die für Stunden völlig autark waren.

Sobald die Tür zur Küche hochgefahren war, flammten die Leuchtkörper des Raumes auf; gleichzeitig begann die Luftumwälzung zu arbeiten.

Alles in diesem Schiff war so konstruiert worden, daß möglichst wenig Energie und Material verschwendet wurden. Der ökologische Kreislauf war nahezu perfekt: Wasser wurde gereinigt und gefiltert und dann wieder in den Haushalt eingebracht; CO2 wurde katalytisch aufgespalten. Der Sauerstoff wurde zur Beatmung weiterverwendet, und aus dem Kohlenstoff wurde zusammen mit den chemischen Bestandteilen aller festen Abfallstoffe synthetische Nahrung verfertigt.

»Immerhin ist der Kaffee echt«, murmelte Marsh, während er den Automaten mit dem nötigen Vorrat für sechzehn Tassen fütterte. Während der Apparat Wasserdampf durch den Filter preßte und sich in einer enorm großen Glaskaraffe die braune Flüssigkeit sammelte, zündete sich Marsh eine Zigarette an. Seine Gedanken kreisten um die nächsten Tage und Wochen. Einen Monat lang hatte die Crew noch Zeit, die NEW FRONTIER zu wenden und vorzeitig zurückzukehren. Auch die Nachrichtenübermittlung wurde zu diesem Zeitpunkt beendet; für die Erde existierte das große Schiff mit seiner eingefrorenen Besatzung dann nicht mehr.

Hinter Marsh erklang ein leises Summen; der Kaffee war fertig. Marsh holte aus einem Schrankfach acht Trinkbecher aus Kunststoff, dazu kondensierte Milch und Zucker und stellte alles auf ein großes Tablett. Begleitet von schrillen Beifallspfiffen betrat er die Zentrale. Während sich der Raum mit Kaffeegeruch und Zigarettenrauch füllte, musterte Marsh nachdenklich die einzelnen Mitglieder der Crew. Einen Teil der Personen kannte er bereits, Arvid Kishida, den schmächtigen Astrogator zum Beispiel. Noch nie waren seine Kursschätzungen um mehr als einige Bogensekunden von dem Wert abgewichen, die ein Computer ermittelt hatte. Oder Margalo, die am Funkgerät saß und mit verblüffender Geschwindigkeit verstümmelte und unvollständige Durchsagen zu ergänzen vermochte. Ihre permanente Heiterkeit würde sicher dazu beitragen, die Stimmung an Bord nicht absacken zu lassen.

Ärger würde vielleicht Viveca Aylen hervorrufen. Als Kosmobiologin und Medizinerin war sie ebenso erstklassig wie die gesamte Crew; fraglich war nur, ob ihre spitze Zunge nicht irgendwann zu Streitigkeiten Anlaß bot. Ihr spezielles Opfer war William C. Cobb, der Chefingenieur des Schiffes. Der gebürtige Brite hatte mit dem amerikanisch geprägten Raumfahrerslang Schwierigkeiten. Was der vereinsamte Buchstabe C in seinem Namen zu bedeuten hatte, wußte niemand, und er selbst hütete sich, das Geheimnis aufzuklären. Seine Vorliebe für bestimmte Gerichte hatte nach kurzer Zeit dazu geführt, daß man das C zu Curry ausdehnte und ihn auch so nannte.

»Wie lange werden wir eigentlich noch Funkkontakt mit dem Sonnensystem aufrechterhalten können?« Elissa Loy hatte gefragt. Die schlanke Psychologin trug ihr blauschwarzes Haar hüftlang.

»Ein paar Tage noch«, erklärte der Skipper. »Dann werden sich nicht nur die ersten Verzerrungen aufgrund unserer Geschwindigkeit bemerkbar machen – auch die Zeitspanne zwischen Frage und Antwort wird so groß werden, daß zwar noch ein Austausch von Botschaften möglich ist, aber keinesfalls ein normales Gespräch.«

»Mit anderen Worten – wir sind dann auf bordeigene Conferenciers angewiesen«, stellte »Curry« Cobb trocken fest. »Wer meldet sich freiwillig?«

Hoffentlich, dachte Marsh, wird uns am Ziel nicht das Lachen unwiderruflich vergehen.

4.

NEW FRONTIER an General Avidan.

In zehn Minuten wird das letzte Mitglied der Besatzung eingeschläfert. Alle Systeme des Schiffes sind klar. Bisher keinerlei Ausfälle oder Pannen. Dies ist für einige Jahre die letzte Nachricht vom ersten Interstellarschiff. Drückt uns die Daumen.

Gez: M. G.

Nachdenklich zerknüllte Marsh den schmalen Papierstreifen mit der letzten Nachricht. »Machen wir weiter«, sagte er leise und hörte dem Klang seiner Stimme nach.

Für ein Raumfahrzeug war der Platz enorm großzügig, aber in den letzten Wochen waren sich die Mitglieder der Crew mehr als einmal gegenseitig auf die Nerven gefallen; es hatte einige Streitereien, zum Glück aber keine ernsthaften Auseinandersetzungen gegeben.

Eine umfangreiche Checkliste in der Hand, ging Marsh zum letzten Mal rund durch die Zentrale; sorgsam schaltete er alle Handsteuerungen aus und hakte die aktivierten Automaten auf der Liste ab. Erleichtert seufzte der Mann auf, als der letzte Posten abgestrichen werden konnte. Marsh ging hinunter in die Wohnetage; hinter ihm fuhren die Schotte aus den Wänden und verriegelten sich für eine lange Zeit. Wie in der Zentrale legte Marsh in der Wohnsektion jedes überflüssige Gerät still; das letzte Zimmer, das er betrat, war sein eigenes. Er legte die Checkliste auf seinen Schreibtisch; gedankenlos durchwühlte er seine Taschen, bis er die Zigarettenschachtel gefunden hatte.

»Merkwürdiges Gefühl«, sagte er im Selbstgespräch; er nahm einen Schluck aus dem Whiskybecher und setzte ihn wieder ab. »In ein paar Minuten werde ich klinisch tot sein.«

Marsh sah flüchtig auf seine Uhr; mit einer hastigen Bewegung drückte er die halbgerauchte Zigarette aus. Er brauchte nur wenige Minuten, um sich auszuziehen und seine Kleider ordnungsgemäß in den Schränken zu verstauen, dann patschte er auf bloßen Füßen abwärts in die Schlafsektion. Aus einem Fach nahm er einen langen Gummischlauch und wickelte ihn um den linken Oberarm; mit den Zähnen hielt er das Ende des Schlauches fest und wartete einige Sekunden, bis sich auf der Haut deutlich die Venen abzeichneten. Sorgfältig achtete Marsh darauf, daß die Injektionsspritze auch nicht das kleinste Bläschen Luft mehr enthielt, bevor er die Nadel an den Arm setzte und ins Fleisch stach. Er wußte, daß das Mittel, das er gerade mit dem Kolben in die Vene preßte, ihn in einigen Minuten besinnungslos machen würde. Gummischlauch und Spritze verschwanden wenig später wieder in Wandfächern, während Marsh sich auf einem langen, flachen Operationstisch ausstreckte und ergeben darauf wartete, daß das Medikament seine Wirkung zeigte.

Seine rechte Hand faßte nach oben und klammerte sich an einen Handgriff; Marshs Atem ging flacher, als sich langsam eine wohltuende Müdigkeit in seinen Gliedern ausbreitete. Sekunden, bevor er das Bewußtsein verlor, riß er den Handgriff nach unten, dann ließ er den Arm auf den Tisch sinken und schlief ein.

Der Automat wartete genau fünf Minuten; er benutzte die Zeitspanne, um den regungslosen Körper des Mannes mit stählernen Klemmen am Tisch festzuklammern. Wieder spannte sich ein Band um Marshs Oberarm. Elektronische Augen tasteten die Haut ab und suchten nach den leichten Erhöhungen am Handgelenk, unter denen das Blut des Raumfahrers pulsierte. Zwei blitzende Skalpelle klappten vor und öffneten die Pulsschlagadern.