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Aus dem Boden neben dem Operationstisch wuchs eine Maschine. Ihre Arme tasteten nach der Wunde und schlossen den Blutkreislauf des Menschen an ihr Leitungssystem an. Von der Decke senkte sich eine gläserne Glocke auf den Körper herab und schloß ihn von der Umwelt ab; während die Luft im Innern des Hohlraumes immer kälter wurde, sorgte ein intensiver Beschuß des Körpers mit ultravioletten Strahlen dafür, daß jede erdenkliche Infektion ausblieb.

Langsam kroch die Anzeige des Thermoelements nach unten.

4 Grad Celsius.

Während die Maschine nach und nach das gesamte Blut aus Marshs Körper heraussaugte, füllte sie das Netzwerk des Kreislaufsystems mit einer hellgelben, leichtflüssigen Masse. Es handelte sich um einen Blutersatz, der den Vorzug hatte, vor allem die hochempfindlichen Hirnzellen sehr lange Zeit mit dem lebenswichtigen Sauerstoff versorgen zu können.

Das menschliche Blut wurde in einem großen Glasgefäß gesammelt und dann abrupt in einen Behälter mit flüssigem Stickstoff getaucht. In wenigen Sekunden waren die Blutzellen fest gefroren.

0 Grad.

Die Fläche, auf der Marshs Körper lag, klappte langsam in der Mitte nach unten; weiße Dämpfe stiegen auf und hüllten den regungslosen Körper ein.

Minus 40 … minus 60 … minus 100 Grad.

Marsh Garfields Körper lag auf dem Boden des Beckens; über ihm klappte die Decke des Gefäßes wieder zusammen. Tiefer und tiefer fraß sich die eisige Kälte in seinen Körper, bis sie alle Fasern gleichmäßig abgekühlt hatte. Auch das Kunstblut erstarrte in den Adern.

Nach den überkommenen Vorstellungen der Medizin war Marsh Garfield tot.

Zeit verging, langsam oder schneller, je nach dem Standpunkt des Betrachters.

Auf der Erde waren Jahre vergangen; fast zehnmal hatten die Digitaluhren die letzten Ziffern der Jahreszahlen geändert. Menschen waren gestorben, andere wurden geboren und brachten ihre Eltern zur Verzweiflung.

An Bord der NEW FRONTIER tickte ebenfalls eine Uhr, im gleichen Rhythmus wie die Chronometer auf der Erde, doch das Datum auf den Zifferblättern war wesentlich anders. Gemessen wurde der Ablauf der Zeit von einer Atomuhr, deren Genauigkeit in Zahlen kaum mehr anzugeben war; geduldig wie die in ihren Zellen schlafenden Menschen wartete der Steuerleitcomputer darauf, daß zwei Zahlenkolonnen übereinstimmten.

Die Uhr zeigte auf Halbzeit. Sobald das Datum den Grenzwert überstiegen hatte, nahm der Computer seine Arbeit auf. Impulse jagten durch die Leitungssysteme und stoppten den Antrieb; wenig später wurden die kleinen Korrekturdüsen gefeuert. Das Schiff drehte sich langsam um seine Querachse. Hin und her bewegte sich der Schiffskörper, bis die Sterne auf dem Panoramaschirm mit den Speicherwerten des Computers identisch waren. Dann flammte das Haupttriebwerk wieder auf und spie die Lichtteilchen in die Schwärze des Leerraumes; jetzt wurde die Fahrt des Schiffes verzögert. Im Zielsystem sollte die Geschwindigkeit gleich Null sein.

Die tiefgefrorenen Passagiere der NEW FRONTIER nahmen von den Vorgängen an Bord ihres Schiffes nichts wahr; für ihre vereisten Hirne gab es keine Zeit mehr.

5.

Mit der unwandelbaren Sturheit eines Robots kreiste die YAWAR MALLKU seit einigen tausend Umläufen um die Sonne. Früher hatten Lebewesen die Räume des großen Schiffes bevölkert; jetzt lagen ihre Skelette bleich und blank in den Korridoren. Nichts Lebendes befand sich mehr an Bord der YAWAR MALLKU. Das einzige, was noch funktionierte, war die Meteorabwehr. Wie durch ein Wunder waren bei der verheerenden Explosion im Maschinenraum ihre Versorgungssysteme intakt geblieben; da nur minimale Energiemengen verbraucht wurden, arbeiteten die Anlagen noch immer.

»Objekt in Kreis C.«

Der Impuls ging von den Sensoren an das Rechenhirn. Die Nachricht bedeutete lediglich, daß irgendein materielles Objekt in den Erfassungsbereich der Antennen geraten war. Der Computer schaltete andere Wahrnehmungssysteme zu und ließ sich weitere Daten übermitteln.

»Objekt wird in Kreis B eindringen. Kurs …«

Also mußte dem Flugkörper etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden; geriet das Objekt in den dritten Kreis, so waren Kurskorrekturen oder andere Maßnahmen erforderlich, um eine Kollision rechtzeitig zu verhindern.

»Objekt verzögert Fahrt. Wird in Kreis A eindringen. Kollision unvermeidlich.«

Der Computer ermittelte rasch, daß bei der gleichbleibenden Fahrtverzögerung des Unbekannten ein Zusammenstoß kaum mehr abzuwenden war; wurde aber die Verzögerung gestoppt, so war der Fremde einige Minuten vor der YAWAR MALLKU am vorausberechneten Kollisionsort. Alle Energiereserven wurden auf die Zuleitungen zu den Waffensystemen gegeben; Feuerleitcomputer lieferten fortlaufend präzise Zieldaten. Der Zentralcomputer wartete, bis die Beziehung zwischen Sicherheit des Schiffes und möglichst geringem Energieverbrauch das Maximum erreicht hatte, dann gab er den Feuerbefehl.

Wie eine feurige Glocke breitete sich hinter der kleinen Rakete der Abgasschweif aus; mit etwa 3,5 km/sec raste das Geschoß auf den Fremdling zu.

Der Computer stellte fest, daß die Kollisionsgefahr gebannt war: Der Antrieb des Fremden trieb zerfetzt im All, und die Fahrtverzögerung hatte aufgehört. Allerdings hatten die hochempfindlichen Instrumente des wracken Schiffes auch feststellen können, daß eine Sekunde vor dem Aufschlag der Rakete der Fremde von sich aus seinen Antrieb abgestellt hatte. Die Vernichtung der Triebwerke des Unbekannten war also überflüssig gewesen.

Den Computer störte diese Überlegung nicht. Automaten kennen kein Bedauern.

6.

Marsh wollte schreien, doch kein Laut war zu hören. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben derartige Kopfschmerzen gehabt zu haben.

Die Stimmbänder des Mannes waren betäubt worden, und in seinem Rückgrat steckte eine Nadel, die eine Novocain-Lösung in die Lumbalflüssigkeit einspritzte. Eine jederzeit aufhebbare Querschnittslähmung war die Folge. Die Maschinen arbeiteten mit mustergültiger Präzision. Der flüssige Stickstoff war abgepumpt worden; Eiswasser, das im Verlauf einiger Stunden langsam erwärmt wurde, umspülte den Körper. Gleichzeitig wurde Marsh von innen erwärmt. Zwei Tage lang lag er auf dem Operationstisch festgeschnallt. Erst als das Elektroenzephalogramm zeigte, daß sämtliche Körperfunktionen einwandfrei abliefen, stellten die Maschinen ihre Arbeit ein.

Sobald die Klemmen gelöst waren, rollte sich Marsh mühsam vom Tisch und zog sich schwebend in die Wohnsektion; er fühlte sich restlos zerschlagen. Außerdem hatte er einen mörderischen Hunger. Während der Mikrowellenherd eine tiefgefrorene Mahlzeit auftaute, zog er sich an und aktivierte die auch für Null-g-Bedingungen konstruierte Kaffeemaschine. Dann schwebte er zu seinem Schrank und nahm eine Bandspule heraus.

»Erst beim Erreichen des Zielsystems abzuhören«, las er vom Papieraufkleber laut ab. »Nun bin ich aber gespannt.« Er legte das Band auf den Recorder und stellte das Gerät ein.

Es war die Stimme von General Avidan, die langsam sagte: »Wenn diese Botschaft abgehört wird, werden Sie hoffentlich dort sein, wo wir Sie haben wollen – im System von Barnards Stern. Doch darum geht es jetzt nicht.

Sie, Marsh Garfield, sind bis jetzt der einzige, der aus dem Tiefschlaf wieder geweckt wurde. Das hat einen Grund. Wenn dieses Band abgelaufen ist, gehen Sie bitte in die Zentrale und sehen sich um. Wir hoffen es zwar nicht, aber es ist dennoch nicht auszuschließen, daß die Mission fehlgeschlagen ist. Vielleicht sind die Triebwerke defekt. Oder es gibt in dem System keinen Planeten, auf dem Sie frischen Sauerstoff gewinnen können. In diesem Fall liegt das Leben aller anderen Besatzungsmitglieder in Ihrer Hand. Ist keine Rückkehr zur Erde möglich und gibt es keinen Planeten, auf dem die Crew eventuell siedeln könnte, dann können Sie mit einem Knopfdruck das Schiff sprengen. Die anderen sind bereits künstlich tot; wir halten es für grausam, sie in einer solchen Situation aufzuwecken und sie noch einmal sterben zu lassen.«