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»Wir können also ohne umständliche Schutzmaßnahmen das Schiff verlassen«, faßte Marsh zusammen.

Viveca nickte zustimmend.

Nachdem die Besatzung das Schiff verlassen hatte, wurde das große Luk des Laderaumes geöffnet. Aus mitgeführten Kunststoffen wurden fünf kreisförmige Platten mit jeweils zwanzig Metern Durchmesser gegossen und anschließend mit zahlreichen Ankern und Krallen im sandigen Boden befestigt. Auf dieser Grundfläche wurde die doppelwandige Hülle des Zeltes befestigt und aufgeblasen. An verschiedenen Stellen der Hülle wurden zwei Schaumstoffkomponenten in den Hohlraum gepumpt. War der Kunststoff nach einigen Minuten aufgeschäumt und erstarrt, wurde das Zelt wieder entfernt und auf der nächsten Platte neu aufgerichtet.

Die Menschen benötigten knapp zehn Stunden, um fünf große Halbkugeln zu errichten, die als Behausung dienen sollten. Der Schaumstoff der Außenwände war stabiler als massives Holz, hielt die Innentemperatur konstant bei zwanzig Grad Celsius und konnte ohne größere Anstrengungen jederzeit geflickt werden. Nach dem gleichen Verfahren wurden anschließend in jeder Kuppel Trennwände aufgeschäumt. In kurzer Zeit verwandelten sich die Halbkugeln in überraschend bequeme Unterkünfte für jeweils zehn Personen.

Während die restliche Crew die Station aufbaute, hievten Marsh und Arvid einen der vier Expeditionspanzer aus dem Innenraum. Die auf Ketten laufenden Fahrzeuge waren dazu bestimmt, längere Ausflüge in die Umgebung der Station zu ermöglichen.

»Erstaunlich, woran die Erde alles gedacht hat«, bemerkte Arvid, während der Rover mit vierzig Stundenkilometer durch den feinkörnigen Sand preschte. Das Fahrzeug enthielt alles, was nötig war, um vier Personen einen Monat lang fernab der Station am Leben zu erhalten, darunter einen leistungsfähigen Sender, der vom Kopiloten bedient werden mußte. Ein rhythmisches Summen zeigte an, daß auch die Station inzwischen ihre Funkanlagen aufgebaut hatte.

»Hier R-1«, meldete sich Arvid. »Wie weit seid ihr?«

Margalo klang erschöpft. »Die Station ist bezugsfertig. Eine Kuppel ist vollständig eingerichtet. Wir werden heute nacht wieder sehr bequem schlafen können – diese Schaumstoffmöbel sind unglaublich gut gepolstert.«

»Fein«, gab Arvid gut gelaunt zurück. »Wie steht es mit dem Wasser?«

»Gräßlich«, sagte sie. »Wir haben gar nicht gewußt, daß der menschliche Körper soviel Flüssigkeit enthält. Während der Arbeit ist der Schweiß regelrecht in Katarakten geflossen. Im Schiff ist noch genügend Wasser für einen Tag – wenn man diese Temperaturen berücksichtigt.«

Marsh schaltete sich ein. »Seht ihr eine Möglichkeit, diesen Engpaß zu überwinden?«

»Selbstverständlich«, sagte Margalo selbstbewußt. »Darren und ›Curry‹ haben sich vor einer halben Stunde auf den Weg zur Quelle gemacht. Sie wollen eine Pumpröhre zum Lager verlegen. Und wie sieht es bei euch aus?«

»Ringsum nichts als ein Gemisch von Grün und Braunrot«, antwortete Marsh. »Das Gras ist fast einen Meter hoch, allerdings nicht sehr dicht. Wir haben ein paar Tiere gesichtet – die hiesige Ausgabe von Kaninchen oder Hasen. Dazu eine Raubkatze, etwa so groß wie ein ausgewachsener Schäferhund.«

»Wie lange wollt ihr weiterfahren?« erkundigte sie sich. Arvid zuckte mit den Schultern und sah zu Marsh hinüber.

»Wir fahren weiter, bis es dunkel wird«, entschied der Skipper. »Morgen werden wir dann in einem weiten Bogen zur Station zurückkehren. Ihr könnt bis dahin einen Teil unserer Tiefkühlgenies aufwecken.«

»Wird gemacht«, bestätigte Margalo. »Wenn etwas Besonderes zu sehen ist, dann meldet euch wieder.«

»Machen wir«, versprach Arvid und unterbrach den Kontakt. »Es läßt sich relativ gut an«, meinte er nachdenklich. Marsh zuckte mit den Schultern.

»Wir sind knapp einen Tag hier«, gab er zu bedenken. »Noch sind die Leute damit beschäftigt, um ihr nacktes Leben zu kämpfen. Aber warte ab, bis sie genug Zeit haben, über ihre Lage nachzudenken. In einem Jahr werden wir alles verbraucht haben, was wir an irdischen Gütern an Bord haben; dann sind wir völlig auf uns selbst angewiesen. Keine Zigaretten, kein Whisky, keine Filme, Zeitungen, Bücher – es wird eine kulturelle Einöde werden.«

»Schwarzseher!« protestierte Arvid, doch sein Widerspruch klang nicht sehr energisch. Um sich abzulenken, konzentrierte er sich auf die Umgebung. Was er sah, war nicht sonderlich aufregend.

Die permanente Gluthitze und der Wind, der den Sand vor sich her wirbelte, hatten dafür gesorgt, daß es auf dem Planeten kaum größere Erhebungen gab. Die gesamte Oberfläche wirkte wie ein mitten in der Bewegung erstarrtes Meer aus Sand, dessen farbliche Eintönigkeit nur gelegentlich von dürftigem Pflanzenwuchs unterbrochen wurde.

Marsh warf einen prüfenden Blick nach oben, dorthin, wo die Sonne des Systems seine Glut auf den Planeten hinabschoß; die Schutzschicht der Panzerplastkuppel hatte sich bis zum Grenzwert verdunkelt. Dennoch hatte die Bordklimaanlage genug zu tun, die Innentemperatur einigermaßen erträglich zu halten.

»In etwa vier Stunden wird es dunkel«, schätzte Marsh. »Hast du einen bestimmten Wunsch, was den Endpunkt unseres Ausflugs angeht?«

Längst war die Station außer Sicht gekommen. Nur die Spur, die die Ketten des Expeditionsfahrzeugs in den Sand gegraben hatte, deutete die ungefähre Richtung an, in der die Kuppeln zu suchen waren.

»Versuchen wir es mit diesem Hügel«, schlug Arvid nach einigem Nachdenken vor. Mit der Hand zeigte er auf die Anhöhe, die er im Auge hatte. Der Hügel war Teilstück einer ganzen Kette, die bis auf eine Höhe von einhundert Metern hinaufführte. Kritisch musterte Marsh das Gelände; die Steigung betrug knapp zehn Grad.

»Versuchen wir es«, stimmte er Arvids Vorschlag zu.

Trotz der vierhundert PS starken Maschinen des Expeditionspanzers dauerte es mehr als eine Stunde, bis sich die Ketten durch den immer wieder wegsackenden Sand auf die Spitze des Hügels gewühlt hatten.

»Man kann überhaupt nichts erkennen«, schimpfte Arvid, als das Fahrzeug zum Stillstand gekommen war.

Die Sonne sank langsam dem Horizont entgegen. Mit wenigen Handgriffen öffnete Marsh das Personenluk des schweren Gefährts; eine Bö wirbelte Sand ins Innere, und er fluchte halblaut.

»Vergiß die Sonnenbrillen nicht!« warnte er Arvid, der als erster ausstieg.

Wenig später stand auch Marsh auf der Hügelkuppe. Der Anblick, der sich ihnen bot, war einmalig. Von der Atmosphäre des Planeten verzerrt wirkte die sinkende Sonne wie eine violette Kugel, die unheilverkündend über dem dunklen Sand der Wüste hing.

»Nicht besonders anheimelnd«, kommentierte Arvid die Aussicht, während Marsh mit einem Feldstecher langsam den Horizont absuchte. Plötzlich stieß er einen unterdrückten Schrei aus; er setzte das Glas ab, schüttelte ungläubig den Kopf, dann hob er den Feldstecher wieder an die Augen.

»Unglaublich«, murmelte er fassungslos und reichte Arvid das Fernglas.

»Das darf es einfach nicht geben«, flüsterte der nach einigen Sekunden. »Begreifst du das, was wir dort gesehen haben?«

Marsh verneinte. »Das übersteigt sogar meine Phantasie«, gab er zu, dann überlegte er kurz.

»Was unternehmen wir jetzt?« fragte er unentschlossen. »Sehen wir uns das Ding morgen in aller Frühe an, oder fahren wir zurück und starten eine Massenexpedition?«

»Wir müssen zurück!« meinte Arvid ohne Zögern. »Diese Nachricht ist zu wichtig.«

Bereits zehn Minuten später rasten die beiden Männer in ihrem Rover zurück zum Lager.

8.

»Eine Pyramide«, berichtete Marsh. »Genauer gesagt eine achtstöckige Stufenpyramide. Höhe etwa zweihundert Meter. Das Ding sieht etwa so aus wie die Stufenpyramide bei Sakkara, die der ägyptische Baumeister Imhotep für seinen Pharao errichtete.«