«Was?»
«So heißt der alte Kerl. Und er stottert! Kommunalobligationen. Mitznik heißt er. Also was jetzt, Chef, ist das gut? Kommunalobligationen?»
«Ja, schon.»
«Aber bringen die auch was?» Ohne erkennbaren Grund bremst er scharf, zum Glück bin ich angegurtet. Er hupt und fährt wieder an. «Ich will nämlich auch daran verdienen! Wenn nichts zu holen ist, will ich nicht!»
«Je sicherer eine Investition, desto weniger Gewinn. Am meisten gewinnen kann man im Casino, weil dort die Chancen so schlecht sind. Investieren ist Wetten mit günstigen Chancen.»
«Kann ich es Ihnen geben, Chef?»
«Mir?»
«Legen Sie es für mich an?»
«So kleine Einlagen nehmen wir nicht.»
«Aber mir zuliebe? Als Gefallen. Für einen Freund.»
Hat er mich wirklich einen Freund genannt? Das Manöver ist durchsichtig, aber es rührt mich. «Hunderttausend?»
«Etwas mehr sogar.»
Immerhin würde das reichen, um noch eine Weile die Miete für die Büroräume zu bezahlen. Später wird er dann ein Nebenkläger unter vielen sein, darauf kommt es nicht mehr an.
Ich schüttle den Kopf.
«Chef!»
«Es wäre nicht richtig. Glauben Sir mir.»
«Warum?» Er keucht. Dann gibt er hohe, spitze Laute von sich. Es könnten Geräusche der Wut, aber auch Schluchzer sein.
«Das müssen Sie mir einfach glauben. Es ist besser so.»
Er bremst, lässt das Fenster herunter und schreit irgendjemanden an. Ich kann nicht alles verstehen, aber die Wörter Dummvieh, Fratzenschwein und Kinderschreck kommen vor, auch vom Erwürgen ist die Rede. Schon fährt er weiter.
«Also gut», sage ich.
«Wirklich?»
«Für Sie mache ich eine Ausnahme.»
«Chef!»
«Ist gut.»
«Chef!»
«Bitte, es ist gut.»
Aber er bremst wieder, dreht sich um und versucht, nach meiner Hand zu greifen. Zunächst entkomme ich ihm, aber dann kriegt er meinen Ärmelaufschlag zu fassen. «Ich würde für Sie sterben.»
«Das ist wirklich nicht nötig.»
«Ich würde auch jemanden umbringen.»
«Bitte!»
«Im Ernst. Nennen Sie mir einen Namen.»
«Ich bitte Sie!»
«Ich töte ihn.»
«Fahren Sie weiter!»
«Das ist kein Witz.»
Wie soll ich vermeiden, an Klüssen zu denken? Ein Autounfall, ein rätselhafter Herzstillstand, geschickt eingefädelt … Zum Glück lässt Knut los und fährt weiter. Ich schließe die Augen und schaffe es, seinem Gerede nicht mehr zuzuhören. Mir fällt ein, dass mein Telefon noch immer abgeschaltet ist. Das erklärt auch, warum mich noch niemand aus dem Büro angerufen hat, um zu fragen, wohin ich verschwunden bin.
Schon sind wir zu Hause. Wenn man früh fährt, kommt man nicht in den Berufsverkehr. Ich wehre Knuts letzte Dankesbezeugung ab, steige aus und gehe mit kraftvollen Schritten, ganz wie ein Mann, der Widerstände überwindet, den Kiesweg entlang durch den Garten. Ich schließe die Haustür auf, trete ein und rufe: «Bin zu Hause!»
Niemand antwortet.
Es ist nicht vorgesehen, dass ich um diese Zeit schon zurückkomme. Das Haus schweigt, als hätte ich es bei etwas ertappt. So also ist es, wenn ich nicht da bin. Ich rufe noch einmal. Meine Stimme klingt verloren in der großen Halle.
Da höre ich etwas.
Kein Klopfen, eher ein Schaben. Es klingt, als würden Gegenstände aus schwerem Metall geschoben. Ich lausche, doch es hat schon aufgehört. Gerade als ich beschlossen habe, dass ich mich geirrt haben muss, fängt es wieder an.
Es kommt von unten, aus dem Keller. Soll ich jemanden rufen, einen Klempner oder die Feuerwehr? Aber wenn dann jemand käme, und da wäre nichts mehr zu hören, wie würde das aussehen, wie stünde ich da? Ich gehe in die Küche und wasche mir die Hände. Da ist es wieder. Das Fenster vibriert, die Gläser im Schrank klirren leise. Ich trockne mir die Hände ab. Jetzt ist es still.
Und jetzt höre ich es wieder.
Unter keinen Umständen werde ich allein in den Keller gehen.
Ich horche. Es hat aufgehört.
Es fängt wieder an.
Ich durchquere die Halle und öffne den schweren Riegel der Kellertür. Ich war noch nie dort unten, wozu auch? Im Keller lagern unsere Weinflaschen, aber das geht mich nichts an, darum kümmert sich Laura.
Eine Treppe führt hinunter, zwei nackte Glühbirnen werfen fleckiges Licht auf die Stufen. An der Ziegelwand kleben drei alte Poster: Yoda, Darth Vader und eine nackte Frau, die ich noch nie gesehen habe. Unten ist eine Metalltür. Ich öffne sie, taste nach dem Lichtschalter und finde ihn. Es riecht nach abgestandener Luft. Knackend schaltet sich eine Glühbirne ein.
Ein länglicher Raum, eine niedrige Decke, an der Wand ein Flaschenregal, halb leer. Das soll meine Weinsammlung sein, dafür habe ich so viel ausgegeben? In einem Winkel liegt ein Blecheimer, auf der Seite gegenüber sehe ich eine zweite Tür. Das Geräusch ist nicht mehr zu hören. Langsam gehe ich durch den Raum, lege die Hand auf die Klinke, horche in die Stille und drücke die Klinke nach unten. Ich spüre einen kalten Luftzug: wieder eine Treppe. Ich taste nach dem Schalter, das Licht geht an.
Die Glühbirne hier ist schmutzig und flackert stark, sie muss schon alt sein. Die Stufen sind schmal. Ich trete mit dem rechten Fuß vorsichtig auf die oberste, halte einen Moment inne und gehe dann langsam hinunter.
Da ist es wieder. Ein dumpfer Schlag, ein Zerren und ein Quietschen wie von den Kolben einer großen Maschine. Aber ich kann nicht umkehren. Zu oft der Angst nachgeben, und man wird klein und kümmerlich. Das ist mein Haus. Vielleicht ist das die Prüfung, auf die es ankommt, vielleicht wird sich jetzt alles ändern.
Es verstummt.
In völliger Stille komme ich unten an. Ich höre meinen Atem, und ich höre mein Herz schlagen. Kalt ist es. Wie tief mag ich schon sein? Ich öffne noch eine Tür, auch hier ein Lichtschalter.
Ich höre es wieder. Der Raum ist überraschend groß, wohl fünfzehn mal dreißig Meter. Die Wände aus Stein, der Untergrund harter Lehm, an der Decke zwei Glühbirnen, von denen nur eine funktioniert. Ich sehe ein zerknülltes Tuch, daneben eine gebogene Metallstange, das eine Ende rund wie der Knauf eines Spazierstocks, das andere spitz zugefeilt. Zwei Türen: Ich probiere die eine, sie ist verschlossen. Ich rüttle, sie bewegt sich nicht. Aber die andere lässt sich öffnen, und hinter ihr ist wieder eine Treppe. Kein Lichtschalter zu finden.
Ich starre ins Dunkel hinunter. Ich versuche, die Stufen zu zählen. Mehr als neun kann ich nicht ausmachen.
Genug, weiter gehe ich nicht!
Ich gehe weiter, einen Schritt nach dem anderen, die linke Handfläche an der Wand, in der Rechten das schwach glimmende Telefon. Wann hat das Geräusch aufgehört? Ich habe es gar nicht gemerkt. Ich steige noch zwei Stufen hinunter. Noch eine Stufe. Und noch eine. Jetzt ist die Treppe zu Ende.
Vor mir ist eine Tür. Ich will sie öffnen, aber sie ist fest verschlossen. Ich verspüre Erleichterung. Es geht nicht weiter, ich darf zurück. Als ich es noch einmal versuche, öffnet sie sich ohne Widerstand.
Ich taste mich voran. Unter mir eine Treppenstufe aus Stahl, die Wand neben mir ist gewölbt. Ein Moment vergeht, bis ich begreife: eine Wendeltreppe. Der Schacht führt senkrecht in die Tiefe. In meiner Tasche finde ich einen Kugelschreiber aus Plastik. Ich halte ihn mit ausgestrecktem Arm und lasse ihn fallen.
Ich warte. Kein Aufprall zu hören. Wahrscheinlich war der Kugelschreiber zu klein und zu leicht. Ich durchsuche meine Taschen und finde eine Brieftasche, ein Feuerzeug aus Metall, einen Schlüsselbund, Münzen. Das Feuerzeug habe ich nur, um Rauchern Feuer anzubieten, ich lasse den Verschluss aufschnappen. Im Licht der Flamme, viel heller als das Telefon, sehe ich die Stufen besser. Ich halte sie über den Schacht, sie flackert. Von unten strömt also Luft herauf. Ich zögere, dann lasse ich es fallen. Die Flamme schrumpft und wird vom Dunkel geschluckt. Kein Aufprall zu hören.