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»Was haben Sie mit ihm gemacht?« rief der Oberst mit ungewöhnlicher Eindringlichkeit. »Was hat er Ihnen erzählt?«

»Um Vergebung«, sagte der Priester unbeweglich, »aber hier ist die Geschichte zu Ende.«

»Und die interessantere Geschichte beginnt«, knurrte Pound. »Ich glaube, daß ich seinen Berufstrick verstanden habe. Aber irgendwie habe ich Ihren nicht mitbekommen.«

»Ich muß gehen«, sagte Father Brown.

Sie gingen zusammen durch den Korridor zur Empfangshalle, wo sie das muntere sommersprossige Gesicht des Herzogs von Chester sahen, der ihnen in lebhaftem Lauf entgegenkam.

»Kommen Sie, Pound«, rief er atemlos. »Ich habe überall nach Ihnen gesucht. Das Essen geht in strahlendem Stil weiter, und der alte Audley will gerade eine Rede zu Ehren der geretteten Gabeln halten. Wir wollen eine neue Zeremonie erfinden, wissen Sie, zur Erinnerung an das Ereignis. Und da Sie die Dinger ja schließlich zurückgebracht haben, was schlagen Sie vor?«

»Nun«, sagte der Oberst und sah ihn mit einem gewissen sardonischen Beifall an. »Ich bin dafür, daß wir künftig grüne Fräcke tragen statt der schwarzen. Man weiß nie, welche Irrtümer entstehen können, wenn man wie ein Kellner aussieht.«

»Ach beim Henker!« sagte der junge Mann. »Ein Gentleman sieht nie wie ein Kellner aus.«

»Und ein Kellner nie wie ein Gentleman, nehme ich an«, sagte Oberst Pound mit dem gleichen leisen Lächeln. »Hochwürden, Ihr Freund muß sehr gewandt sein, daß er den Gentleman spielen konnte.«

Father Brown knöpfte sich seinen einfachen Überzieher bis zum Halse zu, denn die Nacht war stürmisch, und er nahm seinen einfachen Schirm aus dem Ständer.

»Ja«, sagte er; »es muß harte Arbeit sein, ein Gentleman zu sein; aber wissen Sie, manchmal denke ich mir, es muß fast ebenso harte Arbeit sein, ein Kellner zu sein.«

Und er sagte »Guten Abend« und stieß die schweren Pforten jenes Palastes der Freuden auf. Die goldenen Gatter schlossen sich hinter ihm, und mit schnellen Schritten ging er durch die dumpfen dunklen Straßen, um noch einen Autobus zu erreichen.

Die Flüchtigen Sterne

»Das schönste Verbrechen, das ich je begangen habe«, pflegte Flambeau in seinen hochmoralischen alten Tagen zu sagen, »war zugleich durch einen sonderbaren Zufall auch mein letztes. Ich habe es zu Weihnachten begangen. Als Künstler habe ich immer versucht, Verbrechen passend zu der Jahreszeit oder Landschaft hervorzubringen, in der ich mich gerade befand, indem ich für jedes tragische Ereignis diese oder jene Terrasse, diesen oder jenen Garten aussuchte, wie für eine Statue. Landedelleute sollte man also in großen, eichenholzgetäfelten Räumen hereinlegen; jüdische Bankiers sollten sich hingegen plötzlich im lichtüberfluteten Café Riche bar ihres Geldes wiederfinden. Wenn ich daran dächte, in England einen Dechanten von seinen Reichtümern zu befreien (was nicht so einfach ist, wie man annehmen könnte), würde ich daran denken, wenn Sie verstehen, was ich meine, ihn mit den grünen Rasenflächen und den grauen Türmen irgendeiner Bischofsstadt zu umrahmen. Ähnlich befriedigte es mich, wenn ich in Frankreich Geld aus einem reichen und bösartigen Bauern herausgeholt hatte (was nahezu unmöglich ist), sein wütendes Haupt sich vor einer grauen Reihe beschnittener Pappeln abheben zu sehen, und vor jenen feierlichen Ebenen Galliens, über denen der mächtige Geist Millets brütet.

Mein letztes Verbrechen also war ein Weihnachtsverbrechen, ein fröhliches, gemütliches, englisches Mittelstandsverbrechen; ein Verbrechen à la Charles Dickens. Ich beging es in einem guten alten Mittelklassehaus in der Nähe von Putney, einem Haus mit einer halbmondförmigen Kutschenauffahrt, einem Haus mit einer Stallung an der Seite, einem Haus mit dem Namen an den beiden Außentoren, einem Haus mit einem Affenbaum. Genug, Sie kennen das ja. Ich glaube, daß meine Nachahmung des Stils von Dickens genau und literarisch war. Und fast tut es mir leid, daß ich noch am gleichen Abend bereute.«

Und dann pflegte Flambeau die Geschichte von innen her zu erzählen; und selbst von innen her war sie sonderbar. Von außen gesehen war sie vollkommen unverständlich, aber von außen her muß der Fremde sie studieren. Von diesem Blickpunkt aus kann man sagen, daß das Drama begann, als die Vordertür des Hauses mit der Stallung sich auf den Garten mit dem Affenbaum hin öffnete und ein junges Mädchen mit Brotbrocken herauskam, um am Nachmittag des zweiten Weihnachtstages die Vögel zu füttern. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit unerschrockenen braunen Augen; ihre Gestalt aber war jenseits aller Mutmaßungen, denn sie war so in braune Pelze eingehüllt, daß es schwer zu sagen war, was nun Haar und was Pelz war. Ohne das anziehende Gesicht hätte man sie für einen kleinen Teddybären halten können.

Der Winternachmittag ging in die Abendröte über, und schon lag ein rubinenes Licht auf den blumenlosen Beeten und schien sie mit dem Geist der toten Rosen zu füllen. Auf der einen Seite des Hauses stand die Stallung, auf der anderen führte eine Allee oder ein Kreuzgang aus Lorbeer zu einem größeren Garten im Hintergrund. Die junge Dame schlenderte, nachdem sie den Vögeln Brot hingestreut hatte (zum vierten- oder fünftenmal an diesem Tag, da der Hund es fraß), zurückhaltend den Lorbeerpfad entlang und dahinter in eine schimmernde Pflanzung Immergrün hinein. Hier stieß sie einen Ruf der Überraschung, wirklicher oder ritueller, aus und sah über sich an der hohen Gartenmauer hinauf, auf der in einigermaßen phantastischem Reitsitz eine einigermaßen phantastische Gestalt saß.

»Springen Sie nicht, Mr. Crook«, rief sie ziemlich besorgt; »das ist viel zu hoch.«

Das Individuum, das die Grenzmauer wie ein Luftroß ritt, war ein großer eckiger junger Mann, dessen dunkles Haar wie eine Haarbürste hochstand, mit gescheiten und sogar vornehmen Gesichtszügen, doch von blassem und fast fremdartigem Teint. Der zeigte sich um so deutlicher, weil er eine herausfordernd rote Krawatte trug, der einzige Teil seiner Bekleidung, dem er irgendeine Aufmerksamkeit gewidmet zu haben schien. Vielleicht war sie ein Symbol. Er nahm von der beunruhigten Beschwörung des Mädchens keine Notiz, sondern sprang wie ein Heuschreck neben ihr auf den Boden, wobei er sich sehr leicht die Beine hätte brechen können.

»Mir scheint, ich war eigentlich zum Einbrecher bestimmt«, sagte er ruhig, »und ich zweifle nicht daran, daß ich einer geworden wäre, wenn ich nicht zufällig in dem netten Haus nebenan zur Welt gekommen wäre. Im übrigen kann ich daran nichts Böses finden.«

»Wie können Sie nur so etwas sagen?« wies sie ihn zurecht.

»Na ja«, sagte der junge Mann, »wenn man auf der falschen Seite der Mauer geboren ist, kann ich nichts Falsches darin sehen, wenn man über sie klettert.«

»Ich weiß nie, was Sie als nächstes sagen oder tun werden«, sagte sie.

»Das weiß ich oft selbst nicht«, erwiderte Mr. Crook; »auf jeden Fall aber bin ich jetzt auf der richtigen Seite der Mauer.«