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»Und was ist die richtige Seite der Mauer?« fragte die junge Dame lächelnd.

»Immer die, auf der Sie sich befinden«, sagte der junge Mann namens Crook.

Als sie zusammen durch den Lorbeer zum Vordergarten gingen, ertönte dreimal eine Autohupe, jedesmal näher, und ein Wagen von beachtlicher Geschwindigkeit, großer Eleganz und blaßgrüner Farbe fegte wie ein Vogel vor die Vordertür und blieb dort zitternd stehen.

»Sieh an, sieh an!« sagte der junge Mann mit der roten Krawatte. »Das ist einer, der auf jeden Fall auf der richtigen Seite geboren wurde. Ich wußte nicht, Miss Adams, daß Ihr Weihnachtsmann so modern ist.«

»Ach, das ist nur mein Patenonkel, Sir Leopold Fischer. Er kommt immer am zweiten Weihnachtstag.«

Dann fügte Ruby Adams nach einer unschuldigen Pause, die unbewußt einen gewissen Mangel an Begeisterung verriet, hinzu: »Er ist sehr nett.«

John Crook, Journalist, hatte schon von dem bedeutenden City-Magnaten gehört; und es war nicht sein Fehler, wenn der City-Magnat nichts von ihm gehört hatte; denn in bestimmten Artikeln in ›The Clarion‹ oder ›The New Age‹ war Sir Leopold sehr harsch behandelt worden. Aber er sagte nichts, sondern beobachtete grimmig die Entladung des Wagens, die eine ziemlich langwierige Veranstaltung war. Ein großer reinlicher Chauffeur in Grün stieg vorne aus, und ein kleiner reinlicher Diener in Grau stieg hinten aus, und gemeinsam setzten sie Sir Leopold an der Türschwelle ab und begannen, ihn wie ein sehr sorgsam verschnürtes Paket auszupacken. Genug Decken für einen Basar, Pelze von allem Getier des Waldes und Schals in allen Farben des Regenbogens wurden eins nach dem anderen abgewickelt, bis sie etwas den menschlichen Formen Ähnliches freigaben; die Form eines freundlich, aber ausländisch aussehenden alten Herrn, mit einem grauen Ziegenbart und einem strahlenden Lächeln, der seine dicken Pelzhandschuhe aneinanderrieb.

Lange bevor diese Enthüllung abgeschlossen war, öffneten sich die beiden mächtigen Flügel der Eingangstür in der Mitte, und Oberst Adams (der Vater der bepelzten jungen Dame) trat höchstselbst hervor, um seinen bedeutenden Gast hineinzubitten. Er war ein großer sonnenverbrannter und sehr schweigsamer Mann, der eine rote Hauskappe trug wie einen Fez und die ihn wie einen jener englischen Sirdars oder Paschas in Ägypten aussehen ließ. Ihn begleitete sein Schwager, kürzlich erst aus Kanada eingetroffen, ein großer und ziemlich lärmiger junger Grundbesitzer mit gelbem Bart, namens John Blount. Ihn begleitete ferner die sehr viel bedeutungslosere Gestalt des Priesters der benachbarten katholischen Kirche; denn die verstorbene Frau des Obersts war katholisch gewesen, und die Kinder waren, wie es in solchen Fällen üblich ist, in ihrem Glauben erzogen worden. Alles an diesem Priester erschien unauffällig, bis hin zu seinem Namen, der Brown war; aber der Oberst hatte ihn immer einen irgendwie angenehmen Gesellschafter gefunden und lud ihn oft zu solchen familiären Zusammenkünften ein.

In der großen Eingangshalle des Hauses war genügend Platz selbst für Sir Leopold und die Entfernung seiner Umhüllungen. Portal und Eingangshalle waren tatsächlich im Verhältnis zur Größe des Hauses unverhältnismäßig groß, und sie formten zusammen einen großen Raum, mit der Eingangstür am einen Ende und dem Treppenaufgang am anderen. Der Vorgang wurde vor dem mächtigen Kaminfeuer in der Halle, über dem des Obersts Säbel hing, abgeschlossen, und die Gesellschaft, einschließlich des düsteren Crook, wurde Sir Leopold Fischer vorgestellt. Dieser verehrungswürdige Finanzmann schien indes immer noch mit Teilen seiner gutgeschnittenen Bekleidung zu kämpfen und brachte schließlich aus der innersten Tasche seiner Frackschöße ein schwarzes ovales Etui hervor, zu dem er strahlend erklärte, das sei sein Weihnachtsgeschenk für sein Patenkind. Mit unbefangenem Stolz, der etwas Entwaffnendes hatte, hielt er ihnen allen das Etui hin; auf einen leichten Druck hin sprang es auf und blendete sie fast. Es war, als sei vor ihren Augen ein Kristallspringbrunnen emporgeschossen. In einem Nest aus orangefarbenem Samt lagen wie drei Eier drei weiße funkelnde Diamanten, die die Luft um sie herum in Brand zu setzen schienen. Fischer stand da, strahlte wohlwollend und berauschte sich an der Freude und dem Entzücken des Mädchens, der grimmigen Bewunderung und dem bärbeißigen Dank des Obersts, dem Staunen der ganzen Gruppe.

»Ich werde sie wieder wegstecken, mein Liebling«, sagte Fischer und gab das Etui seinen Frackschößen zurück. »Ich mußte auf sie aufpassen, während ich herfuhr. Das sind die drei großen afrikanischen Diamanten, die man ›Die Flüchtigen Sterne‹ nennt, weil sie so oft gestohlen wurden. Alle bedeutenden Verbrecher sind ihnen auf der Spur; aber selbst die kleinen Gauner in den Straßen und Hotels könnten kaum ihre Finger davon lassen. Sie hätten mir auf dem Weg hierher gut abhanden kommen können. War gut möglich.«

»Was nur natürlich wäre«, knurrte der Mann mit der roten Krawatte. »Ich könnt’s ihnen nicht übelnehmen, wenn die sich die geschnappt hätten. Wenn sie um Brot betteln und man ihnen nicht mal Steine gibt, dürfen sie sich die Steine ruhig selber nehmen.«

»Ich will nicht, daß Sie so reden«, rief das Mädchen in eigenartiger Erregung. »Sie reden nur noch so, seit Sie ein schrecklicher Ich-weiß-nicht-was geworden sind. Sie wissen, was ich meine. Wie nennt man noch einen Mann, der sogar Schornsteinfeger umarmen möchte?«

»Einen Heiligen«, sagte Father Brown.

»Ich glaube«, sagte Sir Leopold mit einem hochmütigen Lächeln, »daß Ruby einen Sozialisten meint.«

»Ein Radikaler sein bedeutet nicht, von Radieschen leben«, bemerkte Crook mit einiger Ungeduld; »und ein Konservativer sein bedeutet nicht, Marmelade einkochen. Ebensowenig bedeutet Sozialist sein, das versichere ich Ihnen, ein Mann sein, der sich nach einem gesellschaftlichen Abend mit einem Schornsteinfeger sehnt. Ein Sozialist ist ein Mann, der wünscht, daß alle Schornsteine gefegt und alle Schornsteinfeger dafür bezahlt werden.«

»Aber der nicht erlaubt«, warf der Priester mit leiser Stimme ein, »daß man den eigenen Ruß besitzt.«

Crook sah ihn interessiert und fast respektvoll an. »Wer will denn Ruß besitzen?« fragte er.

»Der eine oder andere«, sagte Brown mit nachdenklichem Gesicht. »Ich habe gehört, daß Gärtner ihn verwenden. Und ich habe einmal sechs Kinder zu Weihnachten glücklich gemacht, als der Zauberer nicht kam, nur mit Ruß – äußerlich angewendet.«

»Oh, herrlich« rief Ruby. »Ach ich wünsche mir so sehr, daß Sie das mit uns tun würden.«

Der lärmige Kanadier, Mr. Blount, ließ seine laute Stimme zustimmend erschallen, und der verblüffte Finanzmann die seine (in bemerkenswerter Ablehnung), als ein Klopfen an der doppelten Eingangstür ertönte. Der Priester öffnete sie, und wieder sah man durch sie den Vorgarten mit Immergrün und Affenbaum und allem, das jetzt vor einem prachtvollen violetten Sonnenuntergang Dunkelheit ansammelte. Die so umrahmte Szene war dermaßen farbenprächtig und seltsam wie der Hintergrund einer Bühne, daß sie für einen Augenblick die unbedeutende Gestalt vergaßen, die in der Tür stand. Er sah verstaubt aus und stak in einem abgetragenen Mantel, offenbar ein einfacher Bote. »Einer von Ihnen Mr. Blount?« fragte er und hielt unschlüssig einen Brief vor sich hin. Mr. Blount fuhr auf und hielt inne mit seinen Beifallsrufen. Er riß den Umschlag offensichtlich überrascht auf, und las; sein Gesicht verdüsterte sich, und hellte dann wieder auf, und er wandte sich an seinen Schwager und Gastgeber.

»Tut mir leid, daß ich so eine Plage bin, Oberst«, sagte er in der fröhlich-konventionellen Art der Menschen aus den Kolonien; »aber würde es Sie stören, wenn mich heute abend ein alter Bekannter in Geschäften hier aufsuchte? Wissen Sie, es ist Florian, der berühmte französische Akrobat und Komiker; ich habe ihn vor Jahren draußen im Westen kennengelernt (er ist von Geburt Franco-Kanadier), und er scheint irgendein Geschäft für mich zu haben, obwohl ich keine Ahnung habe, was.«