Der athletische Harlekin schwang ihn herum wie einen Sack und schlingerte und schleuderte ihn wie eine Gymnastikkeule; ständig zu den tollsten und spaßigsten Tönen des Pianos. Als der Harlekin den komischen Konstabler schwer vom Boden stemmte, spielte der Clown »Reich mir die Hand, mein Leben«. Als er ihn sich über den Rücken zog »Mit dem Rucksack auf dem Ast«, und als der Harlekin schließlich den Polizisten mit einem höchst überzeugenden Dröhnen zu Boden donnern ließ, schlug der Verrückte am Klavier wirbelnde Akkorde zu Worten, von denen man immer noch glaubt, sie hätten geklungen wie »Ich schrieb der Liebsten einen Brief, und unterwegs ließ ich ihn fallen«.
Etwa an diesen äußersten Grenzen geistiger Anarchie wurde Father Browns Sicht völlig verdunkelt; denn der City-Magnat vor ihm erhob sich zu seiner vollen Höhe und grub mit beiden Händen wild in allen Taschen herum. Dann setzte er sich nervös wieder hin, immer noch kramend, und dann stand er wieder auf. Einen Augenblick lang sah es wirklich so aus, als ob er über die Rampenlampen hinwegsteigen wolle; dann warf er einen durchbohrenden Blick auf den klavierspielenden Clown; und dann stürzte er ohne ein Wort aus dem Raum.
Der Priester hatte nur einige Minuten länger dem absurden, aber nicht uneleganten Tanz des Amateurharlekins über seinem glänzend bewußtlosen Gegner zugesehen. Mit wirklicher, wenngleich primitiver Kunst tanzte der Harlekin langsam rückwärts durch die Tür in den Garten hinaus, der voller Mondlicht war und Stille. Das aus Silberpapier und Kleister zusammengestückte Kostüm, das im Schein der Lichter zu grell gewesen war, wurde um so zaubrischer und silbriger, je weiter es unter dem schimmernden Mond davontanzte. Das Publikum rundete mit donnerndem Applaus ab, als Brown sich jählings am Arm berührt fühlte und ihn ein Flüstern aufforderte, ins Arbeitszimmer des Oberst zu kommen.
Er folgte seinem Rufer mit zunehmender Besorgnis, die auch nicht durch die feierliche Komik der Szene im Arbeitszimmer zerstreut wurde. Da saß Oberst Adam, immer noch unverändert als Hanswurst verkleidet, dem das knaufige Fischbein über die Stirn wippte, doch mit so armen alten traurigen Augen, daß sie ein Bacchanal hätten ernüchtern können. Sir Leopold Fischer lehnte am Kaminsims und keuchte vor lauter gewichtiger Panik.
»Das ist eine sehr peinliche Angelegenheit, Father Brown«, sagte Adams. »Es scheint so zu sein, daß die Diamanten, die wir alle heute nachmittag sahen, aus dem Rockschoß meines Freundes verschwunden sind. Und da Sie…«
»Da ich«, ergänzte Father Brown mit einem breiten Grinsen, »unmittelbar hinter ihm saß…«
»Nichts dergleichen soll angedeutet werden«, sagte Oberst Adam mit einem festen Blick zu Fischer hin, der erkennen ließ, daß tatsächlich etwas dergleichen angedeutet worden war. »Ich wollte Sie nur um den Beistand bitten, den mir jeder Ehrenmann gewähren würde.«
»Das ist, seine Taschen leeren«, sagte Father Brown und fing sofort damit an, wobei einige Münzen, eine Rückfahrkarte, ein kleines Silberkruzifix, ein kleines Brevier und ein Stück Schokolade zum Vorschein kamen.
Der Oberst sah ihn lange an und sagte dann: »Wissen Sie, ich möchte viel lieber in das Innere Ihres Kopfes als in das Innere Ihrer Taschen blicken. Meine Tochter gehört ja zu Ihren Leuten; nun hat sie vor kurzem…«, und er hielt inne.
»Sie hat vor kurzem«, rief der alte Fischer, »das Haus ihres Vaters einem Halsabschneider von Sozialisten geöffnet, der öffentlich erklärt, er würde von einem Reicheren alles stehlen. Das ist die ganze Geschichte. Hier haben wir den Reicheren – und doch nicht reicheren.«
»Wenn Sie das Innere meines Kopfes haben wollen, können Sie es haben«, sagte Father Brown etwas erschöpft. »Was es wert ist, können Sie dann hinterher sagen. Was ich aber als erstes in dieser ausgedienten Tasche finde, ist, daß Männer, die Diamanten stehlen wollen, nicht für den Sozialismus eintreten. Sie neigen eher dazu«, fügte er ernst bei, »ihn anzuklagen.«
Die beiden anderen bewegten sich jäh, und der Priester fuhr fort:
»Wissen Sie, wir kennen solche Leute ja mehr oder weniger. Der Sozialist da würde einen Diamanten ebensowenig stehlen wie eine Pyramide. Wir müssen uns vielmehr sofort nach dem Mann umsehen, den wir nicht kennen. Dem Burschen, der den Polizisten spielte – Florian. Ich möchte wohl wissen, wo er sich in diesem Augenblick genau befindet?«
Der Hanswurst sprang auf und strebte langen Schrittes aus dem Zimmer. Ein Zwischenspiel fand statt, während dem der Millionär den Priester anstarrte, und der Priester sein Brevier; dann kam der Hanswurst zurück und sagte in feierlichem Staccato: »Der Polizist liegt immer noch auf der Bühne. Der Vorhang ist sechsmal auf- und zugegangen; und er liegt immer noch da.«
Father Brown ließ sein Buch fallen und stand und starrte mit dem Ausdruck der vollständigen geistigen Niederlage. Dann kroch ganz langsam Licht zurück in seine grauen Augen, und dann gab er eine kaum vorhersehbare Antwort:
»Um Vergebung, Oberst, aber wann ist Ihre Frau gestorben?«
»Meine Frau!« erwiderte der Oberst verblüfft, »sie starb dieses Jahr, vor zwei Monaten. Ihr Bruder James kam genau eine Woche zu spät, um sie noch zu sehen.«
Der kleine Priester sprang auf wie ein angeschossenes Kaninchen. »Vorwärts!« schrie er in höchst unüblicher Erregung. »Vorwärts! Wir müssen uns diesen Polizisten ansehen!«
Sie stürmten durch den Vorhang auf die Bühne, drängten sich grob zwischen Columbine und Clown hindurch (die sehr zufrieden miteinander zu flüstern schienen), und Father Brown beugte sich über den hingestreckten komischen Polizisten.
»Chloroform«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete; »das fiel mir gerade eben erst ein.«
Da war ein erschrecktes Schweigen, und dann sagte der Oberst langsam: »Bitte sagen Sie uns im Ernst, was das alles bedeuten soll.«
Father Brown brüllte plötzlich vor Lachen, hielt dann inne und hatte während des Restes seiner Ansprache nur noch ab und an mit ihm zu kämpfen: »Ihr Herren«, keuchte er, »wir haben nicht viel Zeit zum Reden. Ich muß dem Verbrecher nach. Aber dieser große Schauspieler, der den Polizisten spielte – dieser schlaue Körper, mit dem der Harlekin herumtanzte und herumspielte und herumwarf – er war…« Und wieder versagte ihm die Stimme, und er wandte sich um, um loszulaufen.
»Er war?« rief Fischer fragend.
»Ein wirklicher Polizist«, sagte Father Brown und rannte davon, hinein ins Dunkel.
Am äußersten Rand des blätterreichen Gartens gab es Nischen und Lauben, an denen Lorbeer und andere immergrüne Büsche selbst jetzt im tiefsten Winter vor dem saphirnen Himmel und dem silbernen Mond die warmen Farben des Südens zeigten. Die grüne Fröhlichkeit des sich wiegenden Lorbeers, das satte purpurne Indigo der Nacht, der Mond wie ein riesiger Kristall schaffen ein fast unverantwortlich romantisches Bild; und zwischen den obersten Zweigen der Gartenbäume klettert eine fremdartige Gestalt, die nicht so sehr romantisch als vielmehr unmöglich aussieht. Sie funkelt von Kopf bis Fuß, als wäre sie in zehn Millionen Monde gekleidet; der wirkliche Mond erfaßt sie bei jeder Bewegung und läßt ein neues Stück von ihr aufflammen. Aber sie schwingt sich funkelnd und erfolgreich vom niedrigen Baum in diesem Garten in den hohen, üppig rankenden Baum im anderen, und hält dort nur deshalb inne, weil ein Schatten unter den niedrigeren Baum geglitten ist und sie unmißverständlich angerufen hat.