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Seine Bestellung war offensichtlich eine übliche. »Ich möchte bitte«, sagte er sehr deutlich, »ein süßes Brötchen und eine kleine Tasse schwarzen Kaffees.« Und einen Augenblick bevor das Mädchen sich abwenden konnte, fügte er hinzu: »Und außerdem möchte ich, daß Sie mich heiraten.«

Die junge Dame aus dem Laden stand plötzlich steif und sagte: »Solche Scherze verbitte ich mir.«

Der rothaarige junge Mann sah sie aus grauen Augen mit unerwarteter Feierlichkeit an.

»Wirklich und wahrhaftig«, sagte er, »mir ist das so ernst – so ernst wie mit dem Brötchen. Es ist kostspielig wie das Brötchen; man muß dafür bezahlen. Es ist unverdaulich wie das Brötchen. Es schmerzt.«

Die dunkle junge Dame hatte währenddessen ihre dunklen Augen nicht von ihm genommen und schien ihn mit fast tragischer Genauigkeit zu studieren. Am Ende ihrer Untersuchung war da so etwas wie der Schatten eines Lächelns, und sie setzte sich auf einen Stuhl.

»Finden Sie nicht auch«, sagte Angus abwesend, »daß es ziemlich grausam ist, diese süßen Brötchen zu verspeisen? Sie könnten sich doch zu süßen Stuten auswachsen. Ich werde diesen brutalen Zeitvertreib aufgeben, sobald wir verheiratet sind.«

Die dunkle junge Dame stand auf und ging zum Fenster, offenbar in einem Zustand heftigen wenn auch nicht mißbilligenden Nachdenkens. Als sie sich endlich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck wieder umwandte, sah sie verblüfft, daß der junge Mann sorgfältig verschiedene Dinge aus dem Schaufenster auf dem Tisch aufbaute. Darunter eine Pyramide aus schreiendbunten Süßigkeiten, mehrere Platten mit belegten Broten und die beiden Karaffen mit jenen rätselhaften Sorten Portwein und Sherry, die für solche Cafés charakteristisch sind. In die Mitte dieses sorgfältigen Arrangements hatte er vorsichtig die gewaltige Ladung des weißbezuckerten Kuchens niedergelassen, die das riesige Prunkstück im Schaufenster gewesen war.

»Was in aller Welt tun Sie denn da?« fragte sie.

»Meine Pflicht, meine liebe Laura«, begann er.

»Um Himmels willen, hören Sie auf«, rief sie, »und sprechen Sie nicht so mit mir. Ich meine, was soll das alles sein?«

»Ein festliches Essen, Fräulein Hope.«

»Und was ist das?« fragte sie ungeduldig und wies auf den Zuckerberg.

»Der Hochzeitskuchen, Frau Angus«, sagte er.

Das Mädchen marschierte auf jenen Gegenstand los, entfernte ihn mit einigem Geklirr und stellte ihn zurück ins Schaufenster; dann kam sie zurück, stützte die eleganten Ellenbogen auf den Tisch und betrachtete den jungen Mann nicht ungnädig, aber doch in erheblicher Verärgerung.

»Sie lassen mir überhaupt keine Zeit zum Nachdenken«, sagte sie.

»So verrückt bin ich nicht«, antwortete er; »das ist meine Art christlicher Demut.«

Sie sah ihn immer noch an; aber hinter ihrem Lächeln war sie erheblich ernster geworden.

»Mr. Angus«, sagte sie fest, »bevor dieser Unfug auch nur noch eine Minute weitergeht, muß ich Ihnen so kurz wie möglich etwas über mich erzählen.«

»Sehr angenehm«, erwiderte Angus feierlich. »Und wenn Sie schon einmal dabei sind, könnten Sie mir auch etwas über mich erzählen.«

»Ach halten Sie doch den Mund und hören Sie zu«, sagte sie. »Es ist nichts, weswegen ich mich schämen müßte, und es ist nicht einmal etwas, das mir besonders leid tut. Aber was würden Sie sagen, wenn da etwas wäre, das mich eigentlich nichts angeht und doch mein Alptraum ist?«

»In diesem Fall«, sagte der Mann ernsthaft, »schlüge ich vor, daß Sie den Kuchen wieder zurückholen.«

»Na schön, dann müssen Sie sich die Geschichte eben anhören«, sagte Laura beharrlich. »Zunächst müssen Sie wissen, daß meinem Vater das Restaurant ›Zum Roten Fisch‹ in Ludbury gehörte und daß ich dort die Gäste in der Bar bediente.«

»Ich habe mich oft gewundert«, sagte er, »warum diese Konditorei hier so eine Atmosphäre von Christlichkeit umgibt.«

»Ludbury ist ein verschlafenes grünes Nest in Ostengland, und die einzige Art von Leuten, die überhaupt in den ›Roten Fisch‹ kamen, waren gelegentliche Handlungsreisende und im übrigen die schrecklichste Gesellschaft, die Sie je gesehen haben, nur haben Sie sie nie gesehen. Kleine schäbige Taugenichtse, die gerade genügend zum Leben hatten und nichts zu tun, als sich in Bars herumzudrücken und auf Pferde zu wetten, in schäbigen Anzügen, die aber für sie immer noch zu gut waren. Aber nicht einmal diese verkommenen jungen Kerle waren gewöhnlich bei uns zu sehen; bis auf zwei von ihnen, die zu gewöhnlich waren – gewöhnlich in jeder Beziehung. Beide hatten Geld und waren ekelhaft faul und überelegant. Und doch taten sie mir ein bißchen leid, denn ich glaube fast, daß sie sich nur deshalb in unsere kleine leere Bar schlichen, weil jeder von ihnen eine kleine Mißbildung aufwies; von der Art, über die Esel lachen. Nicht eigentliche Mißbildungen; eher Eigentümlichkeiten. Einer von ihnen war ein überraschend kleiner Mann, sowas wie ein Zwerg oder wenigstens ein Jockey. Aber er sah überhaupt nicht wie ein Jockey aus mit seinem runden schwarzen Kopf und seinem sauber geschnittenen schwarzen Bart und seinen hellen Vogelaugen; er klimperte mit dem Geld in seiner Tasche; er klickerte mit seiner dicken goldenen Uhrkette; und nie kam er, ohne zu sehr wie ein Gentleman gekleidet zu sein, um einer zu sein. Er war zwar kein Narr, aber ein nutzloser Faulenzer; er war sonderbar bewandert in allen möglichen brotlosen Künsten; eine Art Gelegenheitszauberer; er machte aus 15 Streichhölzern, die sich aneinander entzündeten, ein regelrechtes Feuerwerk; oder schnitzte aus einer Banane oder was Ähnlichem eine tanzende Puppe. Sein Name war Isidore Smythe; und ich sehe ihn noch vor mir mit seinem kleinen dunklen Gesicht, wie er zum Bartresen kommt und aus 5 Zigarren ein hüpfendes Känguruh macht.

Der andere Bursche war schweigsamer und gewöhnlicher; aber irgendwie beunruhigte er mich sehr viel mehr als der arme kleine Smythe. Er war sehr groß und dünn und hellhaarig; seine Nase war scharf gebogen, und er hätte auf eine gespenstische Weise fast schön sein können; aber er schielte so entsetzlich, wie ich das niemals sonst gesehen oder davon gehört habe. Wenn er einen ansah, wußte man nicht mehr, wo man selbst war, geschweige denn, was er ankuckte. Ich glaube, daß diese Art von Mißbildung den armen Kerl etwas verbitterte; denn während Smythe immer bereit war, seine Taschenspielereien überall vorzuführen, tat James Welkin (so hieß der Schieler) nie etwas anderes, als sich in unserer Bar vollaufen zu lassen und alleine in der flachen grauen Umgebung große Spaziergänge zu machen. Aber ich glaube, daß auch Smythe wegen seiner Kleinheit etwas empfindlich war, obwohl er das besser zu verbergen wußte. Und so war ich denn wirklich verwirrt und zugleich entsetzt, und es tat mir auch sehr leid, als mir beide in der gleichen Woche Heiratsanträge machten.

Und dann tat ich etwas, von dem ich seither manchmal gemeint habe, es sei töricht gewesen. Aber schließlich waren diese schrulligen Kerle auf eine gewisse Art meine Freunde; und die Vorstellung war mir ein Graus, daß sie sich den wahren Grund denken könnten, weshalb ich ihnen einen Korb gab, nämlich ihre unmögliche Häßlichkeit. Also habe ich mir was anderes ausgedacht, daß ich nämlich niemals jemanden heiraten würde, der nicht aus eigener Kraft seinen Weg im Leben gemacht hätte. Ich sagte, ich wolle grundsätzlich nicht von Geld leben, das wie das ihre ererbt sei. Zwei Tage nach dieser gutgemeinten Erklärung begann das ganze Übel. Das erste, was ich hörte, war, daß beide sich aufgemacht hätten, ihr Glück zu suchen, als ob sie in irgendeinem dummen Märchen lebten.

Na ja, und seitdem habe ich bis heute keinen von ihnen wiedergesehen. Aber der kleine Mann namens Smythe hat mir zwei Briefe geschrieben, und die waren ziemlich aufregend.«

»Nie was von dem anderen gehört?« fragte Angus.

»Nein, der hat nie geschrieben«, sagte das Mädchen nach kurzem Zögern. »Der erste Brief von Smythe sagte nur, daß er mit Welkin zusammen losgezogen sei nach London; aber weil Welkin so ein guter Wanderer war, sei der kleine Mann zurückgeblieben und habe am Straßenrand eine Pause eingelegt. Dabei habe ihn irgendeine Wanderschau aufgelesen, und teils weil er fast ein Zwerg war, und teils weil er wirklich ein schlauer kleiner Bursche war, sei er im Schaugeschäft gut vorangekommen und bald vom ›Aquarium‹ engagiert worden wegen irgendwelcher Tricks, derer ich mich nicht entsinne. Das war sein erster Brief. Sein zweiter war sehr viel erschreckender, und den habe ich erst letzte Woche bekommen.«