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Die Lucknow Mansions befanden sich sozusagen auf einer niedrigeren Plattform jenes Häuserberges, wobei die Himalaja Mansions dessen Spitze genannt werden könnten. Flambeaus Wohnung mit Büro befand sich im Erdgeschoß und stellte jeden erdenklichen Gegensatz zu der amerikanischen Maschinerie und dem kalten hotelgleichen Luxus der Wohnung des Stummen Dienstes dar. Flambeau, ein Freund von Angus, empfing ihn hinter seinem Büro in einem künstlerischen Rokokozimmer, das mit Säbeln, Hakenbüchsen, Raritäten aus dem Orient, Flaschen italienischen Weines, Kochkesseln von Wilden, einer weichfelligen Perserkatze und einem kleinen, verstaubt aussehenden römisch-katholischen Priester verziert war, der ganz besonders fehl am Platze wirkte.

»Das ist mein Freund Father Brown«, sagte Flambeau. »Ich habe mir oft gewünscht, Sie würden ihn kennenlernen. Herrliches Wetter; aber ein bißchen kühl für einen Südländer wie ich.«

»Ja, ich glaube, daß es klar bleiben wird«, sagte Angus und ließ sich auf einer violettgestreiften orientalischen Ottomane nieder.

»Nein«, sagte der Priester harmlos; »es hat zu schneien begonnen.«

Und wirklich begannen, noch während er sprach, die ersten Flocken, die der Mann der Kastanien vorausgesehen hatte, vor der dunkler werdenden Fensterscheibe vorbeizutreiben.

»Tja«, sagte Angus gewichtig. »Leider bin ich in Geschäften gekommen, und zwar in ziemlich schwierigen Geschäften. Tatsache ist, Flambeau, daß keinen Steinwurf von hier ein Mann lebt, der dringend Ihre Hilfe braucht; er wird andauernd von einem unsichtbaren Gegner gejagt und bedroht – einem Schuft, den niemand jemals gesehen hat.« Während nun Angus die ganze Geschichte von Smythe und Welkin berichtete, wobei er mit Lauras Erzählung begann und dann zu seinen eigenen Erlebnissen kam, und vom übernatürlichen Gelächter an der Ecke zweier leerer Straßen sprach und von den seltsamen deutlichen Worten in einem leeren Raum, hörte Flambeau immer gespannter zu, der kleine Priester aber schien wie ein Möbelstück ausgeschlossen zu bleiben. Und als es zu dem bekritzelten Markenpapier kam, das über das Fenster geklebt war, erhob sich Flambeau und schien mit seinen breiten Schultern das ganze Zimmer zu füllen.

»Wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er, »halte ich es für besser, wenn Sie mir den Rest der Geschichte auf dem schnellsten Weg zum Haus dieses Mannes erzählen. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß keine Zeit zu verlieren ist.«

»Ausgezeichnet«, sagte Angus und erhob sich ebenfalls, »obwohl er für den Augenblick sicher genug ist, denn ich habe vier Männer aufgestellt, die das einzige Schlupfloch zu seinem Bau bewachen.«

Sie traten auf die Straße hinaus, wobei der kleine Priester mit der Folgsamkeit eines kleinen Hundes hinter ihnen hertrottete. Dabei sagte er heiter wie einer, der Konversation macht: »Wie schnell der Schnee dicht auf dem Boden liegenbleibt.«

Und während sie sich durch die steilen Seitenstraßen mühten, die schon silbern überpudert waren, beendete Angus seinen Bericht; und als sie den Halbkreis mit den hochgetürmten Wohnungen erreichten, hatte er Muße, seine Aufmerksamkeit den vier Wachtposten zuzuwenden. Der Kastanienverkäufer schwor sowohl vor wie nach dem Empfang eines Sovereigns hartnäckig, daß er die Tür beobachtet und keinen Besucher eintreten gesehen habe. Der Polizist war noch entschiedener. Er sagte, er habe Erfahrungen mit Gaunern aller Art, im Frack wie in Lumpen; er sei nicht so grün, daß er von Verdächtigen erwarte, verdächtig auszusehen; er habe nach irgend jemand Ausschau gehalten, und bei Gott, da sei niemand gewesen. Und als alle drei Männer sich um den vergoldeten Türsteher versammelten, der immer noch lächelnd und breitbeinig vor dem Portal stand, war das Urteil noch endgültiger.

»Ich habe das Recht, jedermann, ob Herzog oder Hausierer, zu fragen, was er in diesen Wohnungen wolle«, sagte der fröhliche goldbetreßte Riese, »und ich beschwöre, daß niemand gekommen ist, den ich hätte fragen können, seit dieser Herr wegging.«

Der unbedeutende Father Brown, der im Hintergrund stand und bescheiden auf das Pflaster schaute, wagte hier sanft zu bemerken: »Es ist also niemand die Treppen hinauf- oder heruntergelaufen, seit der Schnee zu fallen begann? Es begann, während wir alle noch bei Flambeau waren.«

»Niemand war hier drinnen, Sir, das können Sie mir glauben«, sagte der Amtsinhaber mit strahlender Autorität.

»Dann frage ich mich, was das hier ist?« sagte der Priester und starrte ausdruckslos wie ein Fisch auf den Boden.

Die anderen blickten ebenfalls alle nieder; und Flambeau verwendete einen wilden Schrei und eine französische Geste. Denn es war unfraglich wahr, daß in der Mitte des vom Mann in goldenen Tressen bewachten Eingangs und in der Tat sogar zwischen den arrogant gespreizten Beinen des Riesen hindurch ein faseriges Muster grauer Fußabdrücke in den weißen Schnee gestapft verlief.

»O Gott!« rief Angus unwillkürlich; »der Unsichtbare Mann!«

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und raste die Treppe hinauf, gefolgt von Flambeau; Father Brown aber stand immer noch in der schneebedeckten Straße und blickte sich um, als habe er jedes Interesse an seiner Frage verloren.

Flambeau war in der richtigen Stimmung, die Tür mit seinen breiten Schultern aufzubrechen; aber der vernünftigere wenn auch weniger intuitive Schotte tastete den Rahmen der Tür ab, bis er den unsichtbaren Knopf gefunden hatte; und die Tür schwang langsam auf.

Sie ließ im wesentlichen das gleiche vollgestellte Innere sehen; der Vorraum war dunkler geworden, auch wenn ihn hier und da die letzten rötlichen Speere des Sonnenuntergangs trafen, und die eine oder die andere der kopflosen Maschinen war um des einen oder anderen Zweckes willen von ihrem Platz bewegt worden, und sie standen jetzt hier und da im dämmrigen Raum umher. Das Grün und Rot ihrer Röcke dunkelte im Dämmer, und ihre Ähnlichkeit mit menschlichen Formen nahm gerade durch ihre Formlosigkeit zu. Doch in der Mitte von all dem lag genau dort, wo das Papier mit der roten Tinte gelegen hatte, etwas, das sehr wie rote Tinte aussah, die aus ihrer Flasche ausgelaufen war. Aber es war keine rote Tinte.

Mit jener französischen Mischung von Vernunft und Heftigkeit sagte Flambeau einfach: »Mord!«, und indem er sich in die Wohnung stürzte, hatte er all ihre Ecken und Schränke in fünf Minuten erforscht. Falls er aber erwartet hatte, eine Leiche zu finden, so fand er keine. Isidore Smythe befand sich einfach nicht am Platze, weder tot noch lebend. Nach der rasendsten Suche trafen die beiden Männer einander mit schweißüberströmten Gesichtern und starren Blicken wieder im Vorraum. »Mein Freund«, sagte Flambeau und sprach vor Aufregung französisch, »nicht nur ist Ihr Mörder unsichtbar, sondern er macht auch den Ermordeten unsichtbar.«

Angus blickte sich in dem dämmrigen Raum voller Puppen um, und in irgendeiner keltischen Ecke seiner schottischen Seele begann sich ein Schaudern zu regen. Eine der lebensgroßen Puppen überschattete unmittelbar den Blutfleck, herbeigerufen vielleicht von dem Erschlagenen unmittelbar bevor er niederstürzte. Einer der hochschultrigen Haken, die dem Ding als Arme dienten, war ein bißchen angehoben, und Angus hatte plötzlich die schreckliche Vorstellung, daß das Eisenkind des armen Smythe selbst ihn niedergeschlagen habe. Die Materie hatte rebelliert, und die Maschinen hatten ihren Meister getötet. Doch selbst wenn, was hatten sie dann mit ihm getan?

»Ihn aufgefressen?« flüsterte die Nachtmahr ihm ins Ohr; und einen Augenblick lang ward ihm übel beim Gedanken an zerfetzte menschliche Überbleibsel, von all diesem hirnlosen Uhrwerk verschlungen und zermalmt.

Er gewann sein geistiges Gleichgewicht mit heftiger Anstrengung zurück und sagte zu Flambeau: »Das war’s also. Der arme Kerl ist verdunstet wie eine Wolke und hat einen roten Fleck auf dem Fußboden hinterlassen. Diese Geschichte gehört nicht zu dieser Welt.«

»Da bleibt nur eins zu tun übrig«, sagte Flambeau, »ob sie nun zu dieser oder der anderen Welt gehört, ich muß runterlaufen und mit meinem Freund sprechen.«