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Der Detektiv stand aufrecht, den Hut auf und den Spazierstock in der Hand. Er hatte bereits vorher entschieden, daß er angesichts der allgemeinen Dunkelheit in seinem Geiste nurmehr dem ersten sonderbaren Finger folgen konnte, der eine Richtung wies; und dieser Finger war sonderbar genug. Er bezahlte seine Rechnung, schlug klirrend die Glastüren hinter sich zu und bog bald darauf in jene andere Straße ein.

Glücklicherweise blieb sein Blick selbst in solchen fieberischen Augenblicken kühl und quick. Irgend etwas in einer Schaufensterfront zog flüchtig wie ein Blitz an ihm vorbei; und er kehrte um, es anzuschauen. Es war ein gewöhnlicher Gemüse- und Obstladen, eine Warenauswahl war im Freien aufgestellt und mit Namen und Preisen ausgezeichnet. In den beiden auffälligsten Abteilungen gab es zwei Haufen, einen aus Orangen und einen aus Nüssen. Auf dem Haufen Nüsse lag ein Stück Karton, auf das in kühner blauer Kreideschrift geschrieben stand: »Beste Tanger Orangen, 2 für 1 Penny.« Auf den Orangen fand sich eine ebenso klare und eindeutige Beschreibung: »Feinste Paranüsse, 4 Pence pro Pfund.« Monsieur Valentin sah sich diese beiden Aufschriften an und hatte das Gefühl, als sei ihm diese höchst subtile Art von Humor bereits zuvor begegnet, und das vor kurzer Zeit. Er lenkte die Aufmerksamkeit des rotgesichtigen Obsthändlers, der ziemlich finster die Straße hinauf und hinab starrte, auf diese Ungenauigkeit seiner Anpreisungen. Der Obsthändler sagte nichts, steckte aber jeden Karton energisch an seinen richtigen Platz. Der Detektiv, der sich elegant auf seinen Spazierstock stützte, fuhr fort, den Laden zu prüfen. Schließlich sagte er: »Bitte verzeihen Sie mir meine scheinbare Zusammenhanglosigkeit, guter Mann, aber ich möchte Ihnen gerne eine Frage aus dem Bereich der experimentellen Psychologie und der Gedankenassoziationen stellen.«

Der rotgesichtige Händler betrachtete ihn drohend; aber er fuhr fröhlich und seinen Stock schwenkend fort: »Warum«, setzte er nach, »warum sind in einem Gemüseladen zwei Preisschilder so falsch plaziert wie ein Schaufelhut auf Besuch in London? Oder für den Fall, daß ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe: Was ist die geheimnisvolle Beziehung, die den Gedanken von Nüssen, die als Orangen ausgezeichnet sind, mit dem Gedanken an zwei Priester verbindet, einem großen und einem kleinen?«

Die Augen des Händlers traten ihm vor den Kopf wie die einer Schnecke; für einen Augenblick schien es so, als wolle er sich auf den Fremden stürzen. Schließlich aber stammelte er zornig: »Ich weiß nich, wat Sie damit zu tun ham, aber wenn Se einer von die seine Freunde sinn, könn Se denen von mir sagen, daß ich ihn ihre blöden Koppe runterprügle, Pfaffen oder nich Pfaffen, wenn Se mir meine Äpfel nochma durchenander bring.«

»Wirklich?« fragte der Detektiv mit großer Anteilnahme. »Die haben Ihnen Ihre Äpfel durcheinandergebracht?«

»Einer von den’n«, sagte der erhitzte Geschäftsmann; »hatse über de ganze Straße gerollt. Fast hätt ich ’n Doofkopp geschnappt, wenn ich se man nich hätte aufsammeln müssen.«

»Und in welcher Richtung sind die Pfarrer weitergegangen?« fragte Valentin.

»Da durch de zweite Straße auffe linke Seite, un denn übern Platz«, sagte der andere prompt.

»Danke«, sagte Valentin und verschwand wie ein Geist. Auf der anderen Seite des zweiten Platzes fand er einen Polizisten und fragte ihn: »Dringend, Schutzmann, haben Sie zwei Priester mit Schaufelhüten gesehen?«

Der Polizist begann herzlich zu kichern: »Hab ich, Sir; und wenn Se mich fragen, einer von den’n war blau. Der stand mitten inne Straße und so durcheinander, daß…«

»In welche Richtung sind sie gegangen?« fuhr Valentin ihn an.

»Die haben einen von den gelben Bussen da drüben genommen«, antwortete der Mann; »einen von denen nach Hampstead.«

Valentin zog seinen Dienstausweis heraus und sagte sehr schnelclass="underline" »Rufen Sie zwei Ihrer Leute her zur Verfolgung mit mir«, und überquerte die Straße mit so ansteckender Energie, daß der gemächliche Schutzmann zu fast hurtigem Gehorsam bewegt wurde. Anderthalb Minuten später schlossen sich dem französischen Detektiv auf der anderen Straßenseite ein Inspektor und ein Zivilbeamter an.

»Nun, Sir«, begann der erstere mit lächelnder Wichtigkeit, »und was mag…?«

Valentin zeigte plötzlich mit seinem Stock. »Ich werde es Ihnen oben auf jenem Autobus erzählen«, sagte er und schoß im Zickzack durch das Verkehrsgewirr. Nachdem alle drei keuchend auf die Sitze im Oberdeck des gelben Vehikels gesunken waren, sagte der Inspektor: »Wir könnten im Taxi viermal so schnell vorwärtskommen.«

»Sicher«, sagte ihr Anführer gelassen, »wenn wir nur eine Idee hätten, wohin wir fahren.«

»Wieso, wo fahren Sie denn hin?« fragte der andere und starrte ihn an.

Valentin rauchte stirnrunzelnd während einiger Sekunden; dann nahm er die Zigarette aus dem Mund und sagte: »Wenn Sie wissen, was ein Mann tut, bleiben Sie vor ihm; aber wenn Sie raten müssen, was er tun wird, bleiben Sie hinter ihm. Schlendern Sie, wenn er schlendert; bleiben stehen, wenn er stehen bleibt; reisen so langsam wie er. Dann können Sie sehen, was er gesehen hat, und können tun, was er getan hat. Alles, was wir jetzt tun können, ist, die Augen für sonderbare Dinge offenzuhalten.«

»Was für sonderbare Dinge meinen Sie?« fragte der Inspektor.

»Jede Art von sonderbaren Dingen«, antwortete Valentin und fiel wieder in hartnäckiges Schweigen.

Der gelbe Omnibus kroch scheinbar endlose Stunden durch die nördlichen Straßen; der große Detektiv ließ sich zu keiner weiteren Erklärung herab, und vielleicht empfanden seine Gehilfen einen schweigenden und wachsenden Zweifel ob seines Vorhabens. Vielleicht empfanden sie auch ein schweigendes und wachsendes Verlangen nach ihrem Mittagessen, denn die Stunden krochen weit über die normale Mittagszeit hinaus, und die langen Straßen Nordlondons schienen sich immer weiter zu verlängern wie ein teuflisches Fernrohr. Es war eine jener Fahrten, während denen man ständig das Gefühl hat, jetzt endlich am Ende der Welt angekommen zu sein, und dann stellt man fest, daß man erst den Anfang von Tufnell Park erreicht hat. London starb in schmutzigen Kneipen und ödem Gebüsch dahin, und ward dann unverständlicherweise in strahlenden Straßen und schimmernden Hotels wiedergeboren. Es war, als durchfahre man 13 verschiedene schmutzige Städte, von denen die eine jeweils die andere gerade berührt. Doch obwohl die Winterdämmerung bereits die Straße vor ihnen bedrohte, saß der Pariser Detektiv weiterhin schweigend und wachsam da und beobachtete die Straßenfronten, die auf beiden Seiten vorbeiglitten. Als sie Camden Town verließen, waren die beiden Polizisten fast eingeschlafen; jedenfalls fuhren sie irgendwie zusammen, als Valentin aufsprang, jedem auf die Schulter schlug und dem Fahrer zurief anzuhalten.

Sie stolperten die Stufen hinab auf die Straße, ohne zu begreifen, warum man sie hochgejagt hatte; als sie sich nach Erleuchtung umsahen, fanden sie Valentin, wie er triumphierend mit dem Finger nach einem Fenster auf der linken Straßenseite wies. Es war ein großes Fenster, das einen Teil der Fassade eines goldschimmernden palastartigen Hotels bildete; es war der für ehrbares Speisen vorbehaltene Teil und mit »Restaurant« beschriftet. Dieses Fenster bestand wie alle übrigen in der Hotelfront aus Milchglas mit eingeschliffenen Figuren, in seiner Mitte aber hatte es ein großes schwarzes Loch wie ein Stern im Eis.