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»Da stehen also drei kopflose Männer«, sagte Father Brown, »rund um das offene Grab.«

Der blasse Detektiv aus London öffnete den Mund, um zu reden, und ließ ihn wie der Dorftrottel offenstehen, während ein langgezogener Schrei des Windes den Himmel zerriß; dann blickte er auf die Axt in seinen Händen, als ob sie nicht zu ihm gehöre, und ließ sie fallen.

»Father«, sagte Flambeau mit jener kindlichen, ernsten Stimme, die er nur selten benutzte, »was sollen wir tun?«

Die Antwort seines Freundes kam mit der explosiven Promptheit eines gelösten Schusses.

»Schlafen!« rief Father Brown. »Schlafen. Wir haben das Ende des Weges erreicht. Wißt Ihr, was Schlaf ist? Wißt Ihr, daß jeder Mensch, der schläft, an Gott glaubt? Schlaf ist ein Sakrament; denn er ist ein Akt des Glaubens und er ist Nahrung. Und wir brauchen ein Sakrament, auch wenn es nur ein natürliches ist. Uns ist widerfahren, was Menschen sehr selten widerfährt; vielleicht das Schlimmste, was ihnen widerfahren kann.«

Cravens geöffnete Lippen näherten sich einander, um zu fragen: »Was meinen Sie?«

Der Priester wandte sein Gesicht der Burg zu, als er antwortete: »Wir haben die Wahrheit gefunden; und die Wahrheit ergibt keinen Sinn.«

Er schritt ihnen voraus den Pfad hinab mit einem stürmischen und rücksichtslosen Schritt, der an ihm sehr selten war, und als sie die Burg erreicht hatten, warf er sich mit der Unschuld eines Hundes in den Schlaf.

Trotz seines mystischen Lobgesangs auf den Schlummer war Father Brown eher auf als alle anderen, mit Ausnahme des schweigsamen Gärtners; und ward aufgefunden, wie er eine große Pfeife schmauchte und jenen Fachmann bei seiner wortlosen Arbeit im Küchengarten beobachtete. Gegen Tagesanbruch hatte der rüttelnde Sturm in rauschendem Regen geendet, und der Tag kam mit eigenartiger Frische. Der Gärtner schien sogar gesprochen zu haben, aber beim Anblick der Detektive pflanzte er seinen Spaten mürrisch in ein Beet, sagte irgendwas über sein Frühstück, schlurfte die Kohlkopfreihen entlang und schloß sich in der Küche ein. »Ein wertvoller Mensch, das«, sagte Father Brown. »Er pflegt die Kartoffeln ganz erstaunlich. Aber«, fügte er mit leidenschaftsloser Nachsicht hinzu, »er hat seine Fehler; wer von uns hat die nicht? Er hat dieses Beet nicht ganz regelmäßig umgegraben. Da zum Beispiel«, und er stampfte plötzlich auf eine Stelle. »Wegen dieser Kartoffel habe ich wirklich meine Bedenken.«

»Und warum?« fragte Craven, den das neue Steckenpferd des kleinen Mannes erheiterte.

»Ich habe meine Bedenken«, sagte der andere, »weil der alte Gow selbst seine Bedenken hatte. Er stach mit seinem Spaten methodisch in jede Stelle bis auf diese. Also muß genau hier eine mächtig feine Kartoffel stecken.«

Flambeau zog den Spaten heraus und trieb ihn ungestüm in die Stelle hinein. Er hob mit einer Ladung Erde etwas heraus, das nicht wie eine Kartoffel aussah, sondern eher wie ein monströser Pilz mit übergroßem Hut. Aber es traf den Spaten mit einem kalten Klicken; es rollte dahin wie ein Ball und grinste zu ihnen auf.

»Der Earl of Glengyle«, sagte Brown traurig und blickte bedrückt auf den Schädel hinab.

Dann, nach einem Augenblick des Nachdenkens, nahm er Flambeau den Spaten weg und sagte: »Wir müssen ihn wieder verstecken«, und packte ihn in die Erde. Danach stützte er seinen kleinen Körper mit dem mächtigen Kopf auf den großen Griff des Spatens, der fest in der Erde stak, und seine Augen waren leer und seine Stirn war voller Falten. »Wenn man nur«, murmelte er, »die Bedeutung dieser letzten Monstrosität begreifen könnte.« Und indem er sich über den großen Spatengriff lehnte, verbarg er seinen Kopf in den Händen, wie man das in der Kirche tut.

Der Himmel leuchtete an allen Ecken in Blau und Silber auf; die Vögel zwitscherten in den winzigen Gartenbäumen; das schien so laut, als sprächen die Bäume selber. Aber die drei Männer waren schweigsam genug.

»Na, ich jedenfalls geb’s auf«, sagte Flambeau schließlich heftig. »Mein Gehirn und diese Welt passen nicht zusammen; und das ist alles. Schnupftabak, zerstörte Gebetbücher und das Innere von Musikautomaten – was – «

Brown warf seine zerquälte Stirn zurück und pochte mit einer für ihn sehr ungewöhnlichen Unduldsamkeit auf den Spatengriff. »O pah, pah, pah!« rief er. »Das alles ist so klar wie Kloßbrühe. Ich habe den Schnupftabak und all das Uhrwerk und all das begriffen, als ich heute morgen die Augen aufschlug. Und danach hab ich das mit dem alten Gow geklärt, dem Gärtner, der weder so stumm noch so dumm ist, wie er zu sein vorgibt. Bei den losen Dingen fehlt nichts. Und beim zerrissenen Meßbuch hab ich mich auch geirrt; da ist nichts Schlimmes. Aber diese letzte Angelegenheit. Gräber zu schänden und toter Männer Köpfe zu stehlen – da steckt doch sicherlich Schlimmes drin? Da steckt doch sicher schwarze Magie drin? Das paßt doch nicht in die einfache Geschichte vom Schnupftabak und den Kerzen.« Und wieder schritt er auf und ab und rauchte mürrisch.

»Mein Freund«, sagte Flambeau mit grimmem Humor, »Sie müssen mit mir vorsichtig umgehen und sich daran erinnern, daß ich einstmals ein Verbrecher war. Der große Vorteil jenes Zustandes war, daß ich die Geschichte immer selbst entwarf und sie so schnell spielte, wie es mir gefiel. Dieses Herumlungern, wie es das Geschäft des Detektivs verlangt, ist für meine französische Ungeduld zuviel. Während meines ganzen Lebens habe ich, gut oder nicht, alles sofort erledigt; ich habe meine Duelle immer am nächsten Morgen gefochten; ich habe meine Rechnungen immer pünktlich bezahlt; ich habe nicht mal einen Besuch beim Zahnarzt aufgeschoben – «

Father Brown fiel die Pfeife aus dem Mund und zerbrach auf dem Kiesweg in drei Stücke. Er stand da und rollte mit den Augen, das wahre Abbild eines Schwachsinnigen. »Gott, was bin ich für ein Dummkopf!« wiederholte er immer wieder. »Gott, was für ein Dummkopf!« Dann begann er in einer fast trunkenen Weise zu lachen.

»Der Zahnarzt!« wiederholte er. »Sechs Stunden im geistigen Abgrund, und alles nur, weil ich nie an den Zahnarzt gedacht habe! So ein einfacher, so ein schöner und friedvoller Gedanke! Freunde, wir haben die Nacht in der Hölle verbracht; aber jetzt ist die Sonne aufgegangen, die Vögel jubilieren, und der strahlende Umriß des Zahnarztes tröstet die Welt.«

»Und ich werde den Sinn herauskriegen«, schrie Flambeau und stürmte vor, »selbst wenn ich die Foltern der Inquisition anwenden muß.«

Father Brown unterdrückte, was eine momentane Neigung zu sein schien, auf dem jetzt sonnenbestrahlten Rasen zu tanzen, und rief Mitleid erheischend wie ein Kind: »Ach laßt mich doch ein bißchen albern sein. Ihr wißt nicht, wie unglücklich ich war. Und jetzt weiß ich, daß es in dieser Geschichte überhaupt keine schwere Sünde gibt. Nur ein bißchen Verrücktheit, vielleicht – und wen stört das schon?«

Er wirbelte einmal herum und sah sie dann ernsthaft an.

»Dies ist nicht die Geschichte eines Verbrechens«, sagte er; »es ist vielmehr die Geschichte einer sonderbaren und verdrehten Redlichkeit. Wie haben es mit dem vermutlich einzigen Mann auf Erden zu tun, der nicht mehr genommen hat, als ihm zustand. Dies ist eine Studie der wilden Lebenslogik, die immer schon die Religion seiner Rasse war.

Jener alte Spruch der Gegend über das Haus der Glengyle

Was grüner Saft für das Wachsen der Bäume

War rotes Gold für der Ogilvies Träume

ist ebenso wörtlich gemeint wie bildlich. Er bedeutet nicht nur, daß die Glengyles nach Reichtum trachteten; es war ebenso wahr, daß sie buchstäblich Gold horteten; sie besaßen eine große Sammlung von Schmuck und Gerätschaften aus diesem Metall. Sie waren tatsächlich Geizhälse, deren Wahn diese Form annahm. Nun gehen Sie im Lichte dieser Tatsache einmal all die Dinge durch, die wir in der Burg gefunden haben. Diamanten ohne ihren goldenen Ring; Kerzen ohne ihre goldenen Kerzenhalter; Schnupftabak ohne goldene Schnupftabakdosen; Bleistiftminen ohne die goldenen Stifte; einen Spazierstock ohne seinen goldenen Knauf; Uhrwerke ohne ihre goldenen Uhren – oder besser Taschenuhren. Und wie verrückt es auch klingt, weil die Heiligenscheine und der Name Gottes in den alten Meßbüchern aus reinem Gold waren, wurden auch sie entfernt.«