Leonard Quinton, der Dichter, hatte diesen Effekt höchst sorgfältig selbst arrangiert; und es ist zweifelhaft, ob er seine Persönlichkeit je in einem seiner Gedichte so vollkommen verwirklicht hat. Denn er war ein Mann, der Farben trank und in ihnen badete, der seiner Lust auf Farben nachgab bis zur Vernachlässigung der Formen – selbst der guten Formen. Das hatte seinen Genius völlig auf orientalische Kunst und Bildwelt gelenkt; auf jene verwirrenden Teppiche oder blendenden Stickereien, in denen alle Farben in ein glückliches Chaos gestürzt erscheinen, nichts darstellend und nichts lehrend. Er hatte versucht, vielleicht nicht mit vollendetem künstlerischem Erfolg, aber mit anerkannter Einbildungsgabe und Erfindungskraft, Epen und Liebesgeschichten zu komponieren, die den Tumult greller und selbst grausamer Farben widerspiegelten; Erzählungen von tropischen Himmeln in brennendem Gold oder blutrotem Kupfer; von östlichen Helden, die unter zwölfturbanigen Herrschermitren auf purpurn oder pfauengrün bemalten Elefanten reiten; von riesigen Edelsteinen, die hundert Negersklaven nicht schleppen könnten, die aber in uralten und fremdartig farbigen Feuern glühen.
Kurz (um es auf alltäglichere Weise darzustellen), er befaßte sich viel mit orientalischen Himmeln, die schlimmer sind als die meisten westlichen Höllen; mit orientalischen Monarchen, die wir vielleicht Wahnsinnige nennen würden; und mit orientalischen Edelsteinen, die ein Juwelier in der Bond Street (falls die hundert stolpernden Neger sie ihm in den Laden brächten) vielleicht gar nicht als echt ansähe. Quinton war ein Genie, wenn auch ein morbides; und selbst seine Morbidität zeigte sich eher in seinem Leben als in seinem Werk. Vom Temperament her war er schwächlich und launisch, und seine Gesundheit hatte schwer unter orientalischen Versuchen mit Opium gelitten. Seine Frau – eine hübsche, hart arbeitende und in der Tat überarbeitete Frau – widersprach dem Opium, aber widersprach noch sehr viel mehr einem lebenden indischen Eremiten in gelben und weißen Roben, den ihr Gatte bereits vor Monaten bei sich aufgenommen hatte, ein Vergil, seinen Geist durch die Himmel und Höllen des Ostens zu geleiten.
Aus diesem Künstlerhaushalt also traten Father Brown und sein Freund vor die Tür; und wenn man nach ihren Gesichtern urteilte, traten sie sehr erleichtert heraus. Flambeau hatte Quinton während wilder Studienzeiten in Paris gekannt, und sie hatten ihre Bekanntschaft während eines Wochenendes erneuert; aber ganz abgesehen von seiner seriösen Entwicklung während der letzten Zeit, kam Flambeau jetzt mit dem Dichter nicht mehr gut aus. Sich mit Opium umzubringen und kleine erotische Verse auf Jungfernpergament zu schreiben entsprach nicht seiner Vorstellung, wie ein Gentleman zum Teufel gehen sollte. Als die beiden auf der Türschwelle stehenblieben, ehe sie einen Spaziergang durch den Garten unternahmen, wurde das vordere Gartentor gewaltsam aufgeschmissen und ein junger Mann, die Melone in den Nacken geschoben, stolperte in seiner Eilfertigkeit die Stufen herauf. Es war ein liederlich aussehender Jüngling, dessen prunkvoll rote Krawatte völlig zerknittert war, als ob er mit ihr geschlafen hätte, und andauernd focht und schlug er mit einem jener kleinen knotigen Bambusstöckchen um sich.
»Hören Sie«, sagte er atemlos, »ich will den alten Quinton sprechen. Ich muß ihn sprechen. Ist er ausgegangen?«
»Mr. Quinton ist zu Hause, glaube ich«, sagte Father Brown und säuberte seine Pfeife, »aber ich weiß nicht, ob Sie ihn sprechen können. Im Augenblick ist der Arzt bei ihm.«
Der junge Mann, der wohl nicht ganz nüchtern war, stolperte in die Eingangshalle; und im gleichen Augenblick kam der Doktor aus Quintons Arbeitszimmer, schloß die Tür und begann sich die Handschuhe anzuziehen.
»Mr. Quinton sprechen?« sagte er kühl. »Nein, tut mir leid, können Sie nicht. Tatsächlich dürfen Sie es auf gar keinen Fall. Niemand kann ihn jetzt sprechen; ich habe ihm gerade sein Schlafmittel gegeben.«
»Na, hören Sie mal, alter Knabe«, sagte der Jüngling mit der roten Krawatte und versuchte, den Doktor liebevoll bei den Rockaufschlägen zu packen. »Hören Sie zu. Ich bin einfach völlig blank, sage ich Ihnen. Ich – «
»Hat gar keinen Zweck, Mr. Atkinson«, sagte der Doktor und zwang ihn zurückzutreten; »wenn Sie die Wirkung einer Droge ändern können, werde ich meine Entscheidung ändern«, und indem er seinen Hut aufsetzte, trat er hinaus zu den beiden anderen in den Sonnenschein. Er war ein stiernackiger, gutmütiger kleiner Mann mit einem schmalen Schnurrbart, unsäglich gewöhnlich, und machte dennoch einen fähigen Eindruck.
Der junge Mann mit Melone, der über die allgemeine Idee hinaus, nach den Röcken von Menschen zu grapschen, mit keinerlei Takt im Umgang mit ihnen begabt zu sein schien, stand vor der Tür, so verblüfft, als ob er körperlich hinausgeworfen worden sei, und beobachtete schweigend, wie die anderen drei zusammen durch den Garten von dannen schritten.
»Das war eben eine satte fette Lüge, die ich da erzählt habe«, bemerkte der Arzt lachend. »Tatsächlich wird der arme Quinton sein Schlafmittel erst in einer halben Stunde bekommen. Aber ich will nicht, daß ihn dieses kleine Viech pestert, der sich nur Geld leihen will, das er niemals zurückzahlen wird, selbst wenn er könnte. Er ist ein dreckiger kleiner Lump, obwohl er Frau Quintons Bruder ist, und die ist die feinste Frau, die es je gegeben hat.«
»Ja«, sagte Father Brown, »sie ist eine gute Frau.«
»Also schlage ich vor, daß wir uns im Garten herumtreiben, bis dieser Lümmel verschwunden ist«, fuhr der Doktor fort, »und dann werde ich mit der Medizin zu Quinton gehen. Atkinson kann nicht rein, denn ich habe die Tür abgeschlossen.«
»In dem Fall, Dr. Harris«, sagte Flambeau, »können wir ebensogut hinten rum um das Gewächshaus gehen. Da gibt es zwar keinen Eingang, aber es lohnt sich, das zu sehen, selbst von außen.«
»Ja, und ich könnte einen Blick auf meinen Patienten werfen«, lachte der Doktor, »denn er liebt es, auf einer Ottomane am Ende des Gewächshauses zu liegen, mitten zwischen all den blutroten Poinsettien; ich würde da eine Gänsehaut kriegen. Was machen Sie denn da?«
Father Brown war für einen Augenblick stehengeblieben und hob aus dem hohen Gras, darin es fast völlig verborgen war, ein sonderbar gekrümmtes orientalisches Messer auf, das herrlich mit bunten Steinen und farbigen Metallen eingelegt war.
»Was ist das?« fragte Father Brown und betrachtete es mit einiger Ablehnung.
»Ach, das gehört wohl Quinton«, sagte Dr. Harris unbekümmert; »er hat haufenweise chinesischen Krimskrams im ganzen Haus. Oder vielleicht gehört es dem sanften Hindu, den er sich an der Leine hält.«
»Welchen Hindu?« fragte Father Brown, der immer noch auf den Dolch in seiner Hand starrte.
»Ach, irgend so einen indischen Zauberer«, sagte der Doktor leichthin; »natürlich ein Schwindler.«
»Sie glauben also nicht an Magie?« fragte Father Brown, ohne aufzublicken.
»Blödsinn! Magie!« sagte der Doktor.
»Es ist sehr schön«, sagte der Priester mit einer leisen träumerischen Stimme; »die Farben sind sehr schön. Aber es hat die falsche Form.«
»Wozu?« fragte Flambeau und starrte ihn an.
»Zu allem. Es ist die falsche Form an sich. Haben Sie das bei östlicher Kunst nie gespürt? Die Farben sind berauschend lieblich; aber die Formen sind niedrig und schlecht – mit Absicht niedrig und schlecht. Ich habe in einem türkischen Teppich wirklich üble Dinge gesehen.«