Dann fügte er mit immer noch gesenkter Stirn und ohne seine Haltung oder seine Stimme auch nur im geringsten zu verändern hinzu:
»Und jetzt geben Sie mir bitte Ihr Saphirkreuz, ja? Wir sind hier allein, und ich könnte Sie wie eine Strohpuppe in Fetzchen reißen.«
Daß Stimme und Haltung völlig unverändert blieben, fügte dieser bestürzenden Wendung des Gesprächs etwas eigenartig Gewalttätiges bei. Aber der Hüter der Reliquie schien seinen Kopf nur um den winzigsten Teil der Windrose zu drehen. Er schien sein etwas törichtes Gesicht immer noch den Sternen zugewandt zu haben. Vielleicht hatte er nicht verstanden. Oder vielleicht hatte er verstanden und saß nun starr vor Furcht da.
»Ja«, sagte der große Priester mit der gleichen leisen Stimme und in der gleichen ruhigen Haltung, »ja, ich bin Flambeau.«
Dann, nach einer Pause, sagte er:
»Also, geben Sie mir jetzt das Kreuz?«
»Nein«, sagte der andere, und der Einsilber hatte einen eigenartigen Klang.
Flambeau warf plötzlich all sein priesterliches Gehabe ab. Der große Räuber lehnte sich auf seinem Sitz zurück und lachte leise aber lange.
»Nein«, rief er; »Sie werden es mir nicht geben, Sie stolzer Prälat. Sie werden es mir nicht geben, Sie kleiner zölibatärer Einfaltspinsel. Soll ich Ihnen sagen, warum Sie es mir nicht geben werden? Weil ich es schon in meiner eigenen Brusttasche habe.«
Der kleine Mann aus Essex wandte ihm sein wie es in der Dämmerung schien verdutztes Gesicht zu und fragte mit der furchtsamen Bereitwilligkeit des »Privatsekretärs«:
»Sind – sind Sie sicher?«
Flambeau röhrte vor Vergnügen.
»Wirklich, Sie sind so gut wie ein abendfüllendes Lustspiel«, rief er. »Ja, Sie Kohlkopf, ich bin ganz sicher. Ich war klug genug, vom richtigen Paket ein Duplikat zu machen, und jetzt, mein Freund, haben Sie das Duplikat, und ich habe die Juwelen. Ein alter Trick, Father Brown, ein sehr alter Trick.«
»Ja«, sagte Father Brown und fuhr sich mit der Hand in der gleichen eigenartigen unbestimmten Art durch die Haare, »ja, davon habe ich schon gehört.«
Der Gigant des Verbrechens beugte sich mit einem gewissen plötzlichen Interesse zu dem kleinen ländlichen Pfarrer.
»Sie haben davon gehört?« fragte er. »Wo haben Sie davon gehört?«
»Nun ja, ich kann Ihnen seinen Namen natürlich nicht nennen«, sagte der kleine Mann einfach. »Er war ein Beichtkind, wissen Sie. Er hatte rund zwanzig Jahre ganz gut ausschließlich von Duplikaten brauner Packpapier-Pakete gelebt. Und deshalb dachte ich, wissen Sie, als ich anfing Sie zu verdächtigen, sofort an die Methode dieses armen Teufels.«
»Anfingen mich zu verdächtigen«, wiederholte der Gesetzlose mit wachsender Intensität. »Hatten Sie wirklich genügend Grips, mich zu verdächtigen, bloß weil ich Sie in diesen verlassenen Teil der Heide gebracht habe?«
»O nein«, sagte Brown, als ob er sich entschuldige. »Sehen Sie, ich verdächtigte Sie schon, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Es war wegen dieser kleinen Ausbuchtung in Ihrem Ärmel, wo Leute wie Sie ein Stachelarmband tragen.«
»Wo zum Teufel«, schrie Flambeau, »haben Sie denn vom Stachelarmband gehört?«
»Ach, unsere kleine Herde, wissen Sie!« sagte Father Brown und zog etwas verlegen die Augenbrauen hoch. »Als ich Pfarrverweser in Hartlepool war, gab es drei mit Stachelarmbändern. Und da Sie mir nun von Anfang an verdächtig waren, wissen Sie, habe ich dafür gesorgt, daß das Kreuz auf jeden Fall sicher war. Tut mir leid, aber ich habe Sie beobachtet, wissen Sie. Und da habe ich schließlich gesehen, wie Sie die Pakete vertauschten. Und dann, Sie verstehen, habe ich sie eben zurückvertauscht. Und dann habe ich das richtige liegen gelassen.«
»Liegengelassen?« wiederholte Flambeau, und zum ersten Mal war da neben dem Triumph noch ein anderer Ton in seiner Stimme.
»Na ja, es war so«, sagte der kleine Priester in seiner natürlichen Art. »Ich ging zu dem Süßwarenladen zurück und fragte, ob ich ein Paket liegen gelassen hätte, und gab eine bestimmte Adresse an für den Fall, daß man es finde. Ich wußte natürlich, daß ich es nicht liegengelassen hatte; aber als ich wieder ging, hatte ich. Statt also mit diesem wertvollen Paket hinter mir herzulaufen, haben sie es schleunigst an einen Freund von mir in Westminster geschickt.« Und ziemlich traurig fügte er hinzu: »Auch das habe ich von einem armen Kerl in Hartlepool gelernt. Er pflegte so mit Handkoffern zu verfahren, die er auf Bahnhöfen stahl, aber jetzt ist er in einem Kloster. Oh, man sammelt Wissen, wissen Sie«, fügte er hinzu und rieb sich wieder den Kopf in jener Art von verzweifelter Entschuldigung. »Wir können nicht anders, wir Priester. Leute kommen zu uns und erzählen uns von solchen Sachen.«
Flambeau riß ein braunes Packpapier-Paket aus seiner Innentasche und zerfetzte es. Da war nichts darin außer Papier und Bleistücken. Er sprang mit mächtiger Geste auf und schrie:
»Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube nicht, daß ein Tölpel wie Sie das alles hinbekäme. Ich glaube, daß Sie das Zeugs immer noch bei sich haben, und wenn Sie es mir nicht geben – nun ja, wir sind allein, dann werde ich es mir mit Gewalt nehmen!«
»Nein«, sagte Father Brown einfach und erhob sich ebenfalls; »Sie werden es sich nicht mit Gewalt nehmen. Erstens weil ich es wirklich nicht mehr habe. Und zweitens weil wir nicht allein sind.«
Flambeau hielt in seinem Sprung inne.
»Hinter jenem Baum«, sagte Father Brown und zeigte auf ihn, »befinden sich zwei starke Polizisten und der größte lebende Detektiv. Wie sie herkamen, fragen Sie? Nun, natürlich habe ich sie hergebracht! Wie ich das getan habe? Na schön, wenn Sie wollen, werde ich es Ihnen erzählen! Mein Gott, wir müssen zwanzig solche Tricks kennen, wenn wir unter Verbrechern arbeiten wollen! Also, zunächst war ich nicht sicher, ob Sie ein Dieb wären, und es ginge natürlich nicht an, einen aus unserer Priesterschaft in einen Skandal zu verwickeln. Also habe ich Sie auf die Probe gestellt, um zu sehen, ob Sie sich vielleicht selbst verrieten. Normalerweise macht ein Mann eine kleine Szene, wenn er Salz im Kaffee findet; wenn nicht, hat er seine Gründe, sich still zu verhalten. Ich vertauschte Salz und Zucker, und Sie verhielten sich still. Normalerweise protestiert ein Mann, wenn seine Rechnung ums Dreifache überhöht ist. Wenn er sie bezahlt, hat er irgendwelche Gründe, unbemerkt zu bleiben. Ich änderte Ihre Rechnung ab, und Sie haben sie bezahlt.«
Die Welt schien darauf zu warten, Flambeau wie einen Tiger springen zu sehen. Aber etwas wie ein Zauberbann hielt ihn zurück; er war von der äußersten Neugierde betäubt.
»Nun ja«, fuhr Father Brown in schwerfälliger Klarheit fort, »da Sie keine Spuren für die Polizei zurückließen, mußte das eben jemand anderes tun. Überall, wohin wir gegangen sind, habe ich durch irgend etwas dafür gesorgt, daß man für den Rest des Tages von uns spräche. Ich habe nicht viel Schaden angerichtet – eine bekleckste Wand, verstreute Äpfel, eine zerbrochene Scheibe; aber ich habe das Kreuz gerettet, wie das Kreuz immer gerettet werden wird. Jetzt ist es schon in Westminster. Ich habe mich aber gewundert, daß Sie nicht versucht haben, das mit der Eselspfeife zu verhindern.«
»Mit der was?« fragte Flambeau.
»Ich bin froh, daß Sie davon nie gehört haben«, sagte der Priester und zog eine Grimasse. »Das ist eine böse Sache. Ich bin sicher, daß Sie für einen Pfeifer ein zu anständiger Mensch sind. Dem hätte ich nicht einmal mit dem Kreuzsprung entkommen können; ich bin dazu nicht stark genug in den Beinen.«
»Um alles in der Welt – wovon reden Sie denn da?« fragte der andere.
»Oh, ich glaubte, daß Sie den Kreuzsprung kennten«, sagte Father Brown angenehm überrascht. »Oh, dann können Sie noch nicht allzu tief gesunken sein!«
»Wie zur Hölle haben Sie denn all diese Scheußlichkeiten kennengelernt?« schrie Flambeau.