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Faust

Von allem ist dir nichts gewährt.

Was weißt du, was der Mensch begehrt?

Dein widrig Wesen, bitter, scharf,

Was weiß es, was der Mensch bedarf?

Mephistopheles

Geschehe denn nach deinem Willen!

Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.

Faust

Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen;

Es schwoll empor, sich in sich selbst zu türmen,

Dann ließ es nach und schüttete die Wogen,

Des flachen Ufers Breite zu bestürmen.

Und das verdroß mich; wie der übermut

Den freien Geist, der alle Rechte schätzt,

Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut

Ins Mißbehagen des Gefühls versetzt.

Ich hielt's für Zufall, schärfte meinen Blick:

Die Woge stand und rollte dann zurück,

Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;

Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.

Mephistopheles

Da ist für mich nichts Neues zu erfahren,

Das kenn' ich schon seit hunderttausend Jahren.

Faust

Sie schleicht heran, an abertausend Enden,

Unfruchtbar selbst, Unfruchtbarkeit zu spenden;

Nun schwillt's und wächst und rollt und überzieht

Der wüsten Strecke widerlich Gebiet.

Da herrschet Well' auf Welle kraftbegeistet,

Zieht sich zurück, und es ist nichts geleistet,

Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte!

Zwecklose Kraft unbändiger Elemente!

Da wagt mein Geist, sich selbst zu überfliegen;

Hier möcht' ich kämpfen, dies möcht' ich besiegen.

Und es ist möglich! — Flutend wie sie sei,

An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbei;

Sie mag sich noch so übermütig regen,

Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen,

Geringe Tiefe zieht sie mächtig an.

Da faßt' ich schnell im Geiste Plan auf Plan:

Erlange dir das köstliche Genießen,

Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen,

Der feuchten Breite Grenzen zu verengen

Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen.

Von Schritt zu Schritt wußt' ich mir's zu erörtern;

Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern!

Mephistopheles

Wie leicht ist das! Hörst du die Trommeln fern?

Faust

Schon wieder Krieg! der Kluge hört's nicht gern.

Mephistopheles

Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen,

Zu seinem Vorteil etwas auszuziehen.

Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu.

Gelegenheit ist da, nun, Fauste, greife zu!

Faust

Mit solchem Rätselkram verschone mich!

Und kurz und gut, was soll's? Erkläre dich.

Mephistopheles

Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen:

Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen.

Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,

Ihm falschen Reichtum in die Hände spielten,

Da war die ganze Welt ihm feil.

Denn jung ward ihm der Thron zuteil,

Und ihm beliebt' es, falsch zu schließen,

Es könne wohl zusammengehn

Und sei recht wünschenswert und schön:

Regieren und zugleich genießen.

Faust

Ein großer Irrtum. Wer befehlen soll,

Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.

Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,

Doch was er will, es darf's kein Mensch ergründen.

Was er den Treusten in das Ohr geraunt,

Es ist getan, und alle Welt erstaunt.

So wird er stets der Allerhöchste sein,

Der Würdigste —; Genießen macht gemein.

Mephistopheles

So ist er nicht. Er selbst genoß, und wie!

Indes zerfiel das Reich in Anarchie,

Wo groß und klein sich kreuz und quer befehdeten

Und Brüder sich vertrieben, töteten,

Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,

Zunft gegen Adel Fehde hat,

Der Bischof mit Kapitel und Gemeinde;

Was sich nur ansah, waren Feinde.

In Kirchen Mord und Totschlag, vor den Toren

Ist jeder Kauf — und Wandersmann verloren.

Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering;

Denn leben hieß sich wehren. — Nun, das ging.

Faust

Es ging — es hinkte, fiel, stand wieder auf,

Dann überschlug sich's, rollte plump zuhauf.

Mephistopheles

Und solchen Zustand durfte niemand schelten,

Ein jeder konnte, jeder wollte gelten.

Der Kleinste selbst, er galt für voll.

Doch war's zuletzt den Besten allzutoll.

Die Tüchtigen, sie standen auf mit Kraft

Und sagten: Herr ist, der uns Ruhe schafft.

Der Kaiser kann's nicht, will's nicht — laßt uns wählen,

Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen,

Indem er jeden sicher stellt,

In einer frisch geschaffnen Welt

Fried' und Gerechtigkeit vermählen.

Faust

Das klingt sehr pfäffisch.

Mephistopheles

Pfaffen waren's auch,

Sie sicherten den wohlgenährten Bauch.

Sie waren mehr als andere beteiligt.

Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;

Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,

Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.

Faust

Er jammert mich; er war so gut und offen.

Mephistopheles

Komm, sehn wir zu! der Lebende soll hoffen.

Befrein wir ihn aus diesem engen Tale!

Einmal gerettet, ist's für tausend Male.

Wer weiß, wie noch die Würfel fallen?

Und hat er Glück, so hat er auch Vasallen.

Mephistopheles

Die Stellung, seh' ich, gut ist sie genommen;

Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.

Faust

Was kann da zu erwarten sein?

Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.

Mephistopheles

Kriegslist, um Schlachten zu gewinnen!

Befestige dich bei großen Sinnen,

Indem du deinen Zweck bedenkst.

Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,

So kniest du nieder und empfängst

Die Lehn von grenzenlosem Strande.

Faust

Schon manches hast du durchgemacht,

Nun, so gewinn auch eine Schlacht!

Mephistopheles

Nein, du gewinnst sie! Diesesmal

Bist du der Obergeneral.

Faust

Das wäre mir die rechte Höhe,

Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe!

Mephistopheles

Laß du den Generalstab sorgen,

Und der Feldmarschall ist geborgen.

Kriegsunrat hab' ich längst verspürt,

Den Kriegsrat gleich voraus formiert

Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;

Wohl dem, der sie zusammenrafft.