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Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

MEPHISTOPHELES:

Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

FAUST:

O selig der, dem er im Siegesglanze

Die blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet,

Den er, nach rasch durchrastem Tanze,

In eines Mädchens Armen findet!

O wär ich vor des hohen Geistes Kraft

Entzückt, entseelt dahin gesunken!

MEPHISTOPHELES:

Und doch hat jemand einen braunen Saft,

In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

FAUST:

Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.

MEPHISTOPHELES:

Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

FAUST:

Wenn aus dem schrecklichen Gewühle

Ein süß bekannter Ton mich zog,

Den Rest von kindlichem Gefühle

Mit Anklang froher Zeit betrog,

So fluch ich allem, was die Seele

Mit Lock — und Gaukelwerk umspannt,

Und sie in diese Trauerhöhle

Mit Blend — und Schmeichelkräften bannt!

Verflucht voraus die hohe Meinung

Womit der Geist sich selbst umfängt!

Verflucht das Blenden der Erscheinung,

Die sich an unsre Sinne drängt!

Verflucht, was uns in Träumen heuchelt

Des Ruhms, der Namensdauer Trug!

Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,

Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!

Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen

Er uns zu kühnen Taten regt,

Wenn er zu müßigem Ergetzen

Die Polster uns zurechte legt!

Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!

Fluch jener höchsten Liebeshuld!

Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,

Und Fluch vor allen der Geduld!

GEISTERCHOR (unsichtbar):

Weh! weh!

Du hast sie zerstört

Die schöne Welt,

Mit mächtiger Faust;

Sie stürzt, sie zerfällt!

Ein Halbgott hat sie zerschlagen!

Wir tragen

Die Trümmern ins Nichts hinüber,

Und klagen

Über die verlorne Schöne.

Mächtiger

Der Erdensöhne,

Prächtiger

Baue sie wieder,

In deinem Busen baue sie auf!

Neuen Lebenslauf

Beginne,

Mit hellem Sinne,

Und neue Lieder

Tönen darauf!

MEPHISTOPHELES:

Dies sind die Kleinen

Von den Meinen.

Höre, wie zu Lust und Taten

Altklug sie raten!

In die Welt weit,

Aus der Einsamkeit

Wo Sinnen und Säfte stocken,

Wollen sie dich locken. Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,

Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;

Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,

Daß du ein Mensch mit Menschen bist.

Doch so ist's nicht gemeint

Dich unter das Pack zu stoßen.

Ich bin keiner von den Großen;

Doch willst du, mit mir vereint,

Deine Schritte durchs Leben nehmen,

So will ich mich gern bequemen,

Dein zu sein, auf der Stelle.

Ich bin dein Geselle,

Und mach ich dir's recht,

Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

FAUST:

Und was soll ich dagegen dir erfüllen?

MEPHISTOPHELES:

Dazu hast du noch eine lange Frist.

FAUST:

Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist

Und tut nicht leicht um Gottes willen,

Was einem andern nützlich ist.

Sprich die Bedingung deutlich aus;

Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.

MEPHISTOPHELES:

Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,

Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;

Wenn wir uns drüben wiederfinden,

So sollst du mir das gleiche tun.

FAUST:

Das Drüben kann mich wenig kümmern;

Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,

Die andre mag darnach entstehn.

Aus dieser Erde quillen meine Freuden,

Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;

Kann ich mich erst von ihnen scheiden,

Dann mag, was will und kann, geschehn.

Davon will ich nichts weiter hören,

Ob man auch künftig haßt und liebt,

Und ob es auch in jenen Sphären

Ein Oben oder Unten gibt.

MEPHISTOPHELES:

In diesem Sinne kannst du's wagen.

Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,

Mit Freuden meine Künste sehn,

Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.

FAUST:

Was willst du armer Teufel geben?

Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,

Von deinesgleichen je gefaßt?

Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast

Du rotes Gold, das ohne Rast,

Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,

Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,

Ein Mädchen, das an meiner Brust

Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,

Der Ehre schöne Götterlust,

Die, wie ein Meteor, verschwindet?

Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,

Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!

MEPHISTOPHELES:

Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,

Mit solchen Schätzen kann ich dienen.

Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,

Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.

FAUST:

Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,

So sei es gleich um mich getan!

Kannst du mich schmeichelnd je belügen,

Daß ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genuß betrügen —

Das sei für mich der letzte Tag!

Die Wette biet ich!

MEPHISTOPHELES:

Topp!

FAUST:

Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:

Verweile doch! du bist so schön!

Dann magst du mich in Fesseln schlagen,

Dann will ich gern zugrunde gehn!

Dann mag die Totenglocke schallen,

Dann bist du deines Dienstes frei,

Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,

Es sei die Zeit für mich vorbei!

MEPHISTOPHELES:

Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.

FAUST:

Dazu hast du ein volles Recht;

Ich habe mich nicht freventlich vermessen.

Wie ich beharre, bin ich Knecht,

Ob dein, was frag ich, oder wessen.

MEPHISTOPHELES:

Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,

Als Diener meine Pflicht erfüllen.

Nur eins! — Um Lebens oder Sterbens willen

Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.

FAUST:

Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?

Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?

Ist's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort

Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?

Rast nicht die Welt in allen Strömen fort,

Und mich soll ein Versprechen halten?

Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,

Wer mag sich gern davon befreien?

Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,

Kein Opfer wird ihn je gereuen!

Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,

Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.

Das Wort erstirbt schon in der Feder,

Die Herrschaft führen Wachs und Leder.

Was willst du böser Geist von mir?

Erz, Marmor, Pergament, Papier?

Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?