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Entferne dich!

Sorge

Ich bin am rechten Ort.

Faust

Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort.

Sorge

Würde mich kein Ohr vernehmen,

Müßt' es doch im Herzen dröhnen;

In verwandelter Gestalt

üb' ich grimmige Gewalt.

Auf den Pfaden, auf der Welle,

Ewig ängstlicher Geselle,

Stets gefunden, nie gesucht,

So geschmeichelt wie verflucht. —

Hast du die Sorge nie gekannt?

Faust

Ich bin nur durch die Welt gerannt;

Ein jed' Gelüst ergriff ich bei den Haaren,

Was nicht genügte, ließ ich fahren,

Was mir entwischte, ließ ich ziehn.

Ich habe nur begehrt und nur vollbracht

Und abermals gewünscht und so mit Macht

Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig,

Nun aber geht es weise, geht bedächtig.

Der Erdenkreis ist mir genug bekannt,

Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;

Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,

Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!

Er stehe fest und sehe hier sich um;

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.

Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!

Was er erkennt, läßt sich ergreifen.

Er wandle so den Erdentag entlang;

Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang,

Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück,

Er, unbefriedigt jeden Augenblick!

Sorge

Wen ich einmal besitze,

Dem ist alle Welt nichts nütze;

Ewiges Düstre steigt herunter,

Sonne geht nicht auf noch unter,

Bei vollkommnen äußern Sinnen

Wohnen Finsternisse drinnen,

Und er weiß von allen Schätzen

Sich nicht in Besitz zu setzen.

Glück und Unglück wird zur Grille,

Er verhungert in der Fülle;

Sei es Wonne, sei es Plage,

Schieb er's zu dem andern Tage,

Ist der Zukunft nur gewärtig,

Und so wird er niemals fertig.

Faust

Hör auf! so kommst du mir nicht bei!

Ich mag nicht solchen Unsinn hören.

Fahr hin! die schlechte Litanei,

Sie könnte selbst den klügsten Mann betören.

Sorge

Soll er gehen, soll er kommen?

Der Entschluß ist ihm genommen;

Auf gebahnten Weges Mitte

Wankt er tastend halbe Schritte.

Er verliert sich immer tiefer,

Siehet alle Dinge schiefer,

Sich und andre lästig drückend;

Atemholend und erstickend;

Nicht erstickt und ohne Leben,

Nicht verzweiflend, nicht ergeben.

So ein unaufhaltsam Rollen,

Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,

Bald Befreien, bald Erdrücken,

Halber Schlaf und schlecht Erquicken

Heftet ihn an seine Stelle

Und bereitet ihn zur Hölle.

Faust

Unselige Gespenster! so behandelt ihr

Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;

Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr

In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.

Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,

Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;

Doch deine Macht, Sorge, schleichend groß,

Ich werde sie nicht anerkennen.

Sorge

Erfahre sie, wie ich geschwind

Mich mit Verwünschung von dir wende!

Die Menschen sind im ganzen Leben blind,

Nun, Fauste, werde du's am Ende!

Faust

Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen,

Allein im Innern leuchtet helles Licht;

Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen;

Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht.

Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!

Laßt glücklich schauen, was ich kühn ersann.

Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten!

Das Abgesteckte muß sogleich geraten.

Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß

Erfolgt der allerschönste Preis;

Daß sich das größte Werk vollende,

Genügt ein Geist für tausend Hände.

GROSSER VORHOF DES PALASTS

Mephistopheles

Herbei, herbei! Herein, herein!

Ihr schlotternden Lemuren,

Aus Bändern, Sehnen und Gebein

Geflickte Halbnaturen.

Lemuren

Wir treten dir sogleich zur Hand,

Und wie wir halb vernommen,

Es gilt wohl gar ein weites Land,

Das sollen wir bekommen.

Gespitzte Pfähle, die sind da,

Die Kette lang zum Messen;

Warum an uns den Ruf geschah,

Das haben wir vergessen.

Mephistopheles

Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;

Verfahret nur nach eignen Maßen!

Der Längste lege längelang sich hin,

Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen;

Wie man's für unsre Väter tat,

Vertieft ein längliches Quadrat!

Aus dem Palast ins enge Haus,

So dumm läuft es am Ende doch hinaus.

Lemuren

Wie jung ich war und lebt' und liebt',

Mich deucht, das war wohl süße;

Wo's fröhlich klang und lustig ging,

Da rührten sich meine Füße.

Nun hat das tückische Alter mich

Mit seiner Krücke getroffen;

Ich stolpert' über Grabes Tür,

Warum stand sie just offen!

Faust

Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt!

Es ist die Menge, die mir frönet,

Die Erde mit sich selbst versöhnet,

Den Wellen ihre Grenze setzt,

Das Meer mit strengem Band umzieht.

Mephistopheles

Du bist doch nur für uns bemüht

Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;

Denn du bereitest schon Neptunen,

Dem Wasserteufel, großen Schmaus.

In jeder Art seid ihr verloren; —

Die Elemente sind mit uns verschworen,

Und auf Vernichtung läuft's hinaus.

Faust

Aufseher!

Mephistopheles

Hier!

Faust

Wie es auch möglich sei,

Arbeiter schaffe Meng' auf Menge,

Ermuntere durch Genuß und Strenge,

Bezahle, locke, presse bei!

Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,

Wie sich verlängt der unternommene Graben.

Mephistopheles

Man spricht, wie man mir Nachricht gab,

Von keinem Graben, doch vom Grab.

Faust

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,

Verpestet alles schon Errungene;

Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,

Das Letzte wär' das Höchsterrungene.

Eröffn' ich Räume vielen Millionen,

Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.

Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde

Sogleich behaglich auf der neusten Erde,

Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,

Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.

Im Innern hier ein paradiesisch Land,

Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,

Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,

Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.

Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,

Das ist der Weisheit letzter Schluß:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,

Der täglich sie erobern muß.

Und so verbringt, umrungen von Gefahr,

Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.

Solch ein Gewimmel möcht' ich sehn,

Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.