Bolitho sagte:»Ich gehe nach achtern, Mr. Inch.»
Der Leutnant kam auf die Luvseite hinüber und fragte zögernd:»Werden Sie den Kommodore besuchen, Sir?«Er sah Bolithos Blick und fügte hinzu:»Noch ist Zeit, Sir. Wir können es gemeinsam ausbaden, wenn Sie wollen.»
Bolitho lächelte.»Es besteht kein Anlaß, diesen Augenblick beschleunigt herbeizuführen. «Er sah ihn ernst an.»Aber trotzdem vielen Dank. Die letzten Tage waren ziemlich hart für uns alle.»
Als er wegging, hörte er Inch sagen:»Diese verfluchten Froschfresser!»
Vor der Schlafkammer hielt Bolitho kurz an und machte erst dann die Tür auf. Pelham-Martin sah ihn einige Sekunden schweigend an. Dann fragte er:»Nun, geben Sie sich endlich geschlagen?«Bolitho klemmte seinen Hut fester unter den Arm.»Es ist nichts in Sicht, Sir. Das Rendezvous ist überfällig.»
Pelham-Martins Augen blitzten kurz auf.»Holen Sie mir meinen Schreibblock!«Er beobachtete Bolitho, der an das eingebaute Spind ging.»Ich werde Sie augenblicklich Ihres Amtes entheben. Sie haben meine Befehle nicht befolgt und haben Vorteil aus meiner Verwundung gezogen. In diesem Sinne werde ich meinen Bericht abfassen.»
Bolitho legte den Block auf die Koje und sah ihn unbewegt an. Seine Glieder fühlten sich so leicht, als ob er Opium genommen hätte; nichts schien ihn zu berühren, was hier vor sich ging.
Der Kommodore befahclass="underline" »Holen Sie einen Zeugen!»
In diesem Augenblick erschien Inch in der Tür und starrte sie neugierig an. Er sagte:»Der Ausguck im Vormars hat die Hermes gesichtet, Sir.»
Pelham-Martin rührte sich unter seiner Decke.»Gut, dann wird das Geschwader geschlossen nach England zurücksegeln. «Sein Blick konzentrierte sich auf Inch.»Sie werden dieses Dokument hier als Zeuge unterschreiben. Und wenn Sie sich entsprechend verhalten, werde ich Sie vor dem Kriegsgericht retten.»
Inch sagte heiser:»Nichts von dem, was geschah, geschah ohne meine Zustim.. »
Bolitho unterbrach ihn scharf:»Bezeugen Sie lediglich dieses Dokument, Mr. Inch, und seien Sie kein Narr!»
«Recht so!«Pelham-Martin schien sich in seine Decke verwik-kelt zu haben. Er rief:»Munro, kommen Sie sofort!»
Der Sergeant betrat die Kammer und stellte sich ans Kopfende der Koje.»Richten Sie mich auf, verdammt noch mal!»
Als Munro ihn um die Schultern faßte, stieß Pelham-Martin einen so gräßlichen Schrei aus, daß er ihn aufs Kissen zurückfallen ließ.
Bolitho befahl kurz:»Bleiben Sie dort stehen!«Er zog die Decke zurück und starrte die Schulter an, die aus dem Verband herausragte.»Holen Sie sofort den Arzt!«Ihm wurde fast übel vor Entsetzen: Der Oberarm des Kommodore und der sichtbare Teil der Schulter leuchteten hellgelb wie eine reife Melone, und als er die Haut vorsichtig berührte, fühlte sie sich brennend heiß an.
Pelham-Martin blickte zu ihm auf.»Was ist? Um Gotteswillen, warum starren Sie mich so an?»
Inch murmelte:»Du lieber Himmel!»
«Die Wunde hat sich entzündet, Sir.»
«Sie lügen!«Der Kommodore versuchte, sich aufzurichten, fiel aber mit einem Schmerzenslaut zurück.»Sie sagen das nur, um Ihren Kopf zu retten!»
Trudgeon drängte sich an Inch vorbei und musterte schweigend die verfärbte Haut. Dann sagte er tonlos:»Der Splitter muß entfernt werden, Sir. «Er sah Bolitho zweifelnd an.»Selbst dann bin ich nicht sicher…»
Pelham-Martin schrie wild:»Rühren Sie mich nicht an! Ich befehle Ihnen, sich fernzuhalten!»
«Es hat doch keinen Sinn, Sir!«Bolitho sah ihn ernst an.»Sie dachten, ein so kleiner Splitter könne kein Unheil anrichten. Dennoch haben Sie sich daran infiziert. «Sein Blick fiel auf die leere Karaffe.»Oder Ihr Blut ist infiziert. «Er schaute weg, da er die angsterfüllten Blicke des Mannes nicht mehr ertragen konnte.
Der Narr. Der arme, ängstliche Narr! Um einer Entscheidung aus dem Wege zu gehen, hatte er sich diese schreckliche Geschichte eingebrockt. Er dachte plötzlich an die Schiffe und all die Menschen, die von ihm abhängig gewesen waren, und setzte entschieden hinzu:»Es gibt keine andere Möglichkeit, Sir. «Er nickte Trud-geon zu.»Sie haben meine Einwilligung.»
Pelham-Martin schrie:»Ich befehle Ihnen. «Er wand sich hin und her, der Schweiß lief ihm über die Brust, als er Inch ins Auge faßte:»Ich habe Kapitän Bolitho bereits seines Kommandos enthoben!»
Über sich auf der Schanz hörten sie plötzlich Getrappel und gedämpfte Hochrufe. Sie sahen einander an und drehten sich wie auf Kommando zur Tür um, als Midshipman Carlyon hereinstürzte.
«Sir!«Er dämpfte die Stimme, als er den leidenden Kommodore sah.»Signal von Hermes!«Er hob sein zerschlissenes Notizbuch näher an die Augen.»Unbekanntes Segel im Nordwesten.»
Bolitho sah ihn an.»Vielen Dank, Mr. Carlyon. Nun aber schleunigst zurück zu Ihren Flaggen!«Und zu Inch sagte er:»Ich komme gleich an Deck. «Er lächelte.»Und Dank für Ihre Loyalität.»
Dann wandte er sich um und schaute auf den Kommodore hinunter.»Es muß Lequillers Geschwader sein, Sir. Ich werde Sie auf dem laufenden halten, soweit es mir möglich ist. «Er ging zur Tür, gerade als Trudgeon seinen Leuten winkte, hereinzukommen.
Die Luft an Deck war sauber und erfrischend. Ein leichter Sprühregen hatte eingesetzt, aber der Wind wehte noch immer beständig aus Südwesten, und der Wimpel an der Mastspitze stand fast bewegungslos vor dem trüben Himmel.
Gossett berichtete:»Kurs West zu Nord. Voll und bei, Sir.»
Bolitho nickte und hob ein Teleskop ans Auge. Backbord voraus konnte er die Obersegel der Hermes wie gestochen erkennen.
Carlyon rief:»Von Hermes, Sir! >Schätze auf fünf Linien-schiffe<!»
Bolitho senkte sein Glas und sah Inch an. All diese Tage und Wochen des Wartens, Hoffens und Planens hatten sie zur rechten Stunde an die richtige Stelle gebracht.
Er befahclass="underline" »Gehen Sie einen Strich nach Steuerbord, Kurs Westnordwest. »
Während Inch nach seinem Sprachrohr suchte, winkte Bolitho Midshipman Carlyon zu sich heran und sah, wie Inch innehielt, um zuzuhören.
«Mr. Carlyon, machen Sie ein Signal für das ganze Geschwader. «Er zögerte, als er die Blicke der Leute rundherum auf sich gerichtet sah.
«Feind in Sicht!»
Als die Signalflaggen hochstiegen und auswehten, fragte sich Bo-litho, was die anderen Kommandanten wohl empfinden würden, wenn sie das Signal ablasen. Als sie noch in St. Kruis über seine Gedanken und Vorschläge nachgedacht hatten, mußten sie Zweifel, viele Zweifel gehabt haben. Jetzt aber, angesichts dieses Signals, würden sich ihre Zweifel verflüchtigen und ihre Gedanken sich nur noch auf den bevorstehenden Kampf richten. Auf einen Kampf, bei dem es um Leben oder Tod ging.
Achteraus, auf der Impulsive, war das >Verstanden<-Zeichen bereits gehißt. Er konnte sich vorstellen, mit welchen Augen Herrick jetzt sein Schiff ansah, sein erstes Kommando, das er vielleicht binnen weniger Stunden wieder verlieren würde.
Er zog seine Uhr aus der Tasche und ließ den Deckel aufschnappen. Genau zwei Uhr. Wie zur Bestätigung schlug die Schiffsglok-ke auf der Back viermal an.
Als er sein Teleskop wieder hob, sah er, daß die Hermes größer und deutlicher geworden war. Er dankte Gott für die guten Augen ihres Ausgucks. Wie leicht hätten die beiden Geschwader aneinander vorbeifahren können, ohne etwas vom anderen zu bemerken. Oder was wäre gewesen, wenn sie einander gerade im Augenblick des Kontaktes in einer Regenbö wieder aus den Augen verloren hätten?
Lequiller hatte sehr wahrscheinlich seinerseits die Hermes gesichtet und kaum eine andere Wahl, als sie anzugreifen. Denn die Hermes stand zwischen ihm und seinem Ziel, der Küste, und da das Tageslicht noch mehrere Stunden anhielt, mußte er diesen dürftigen Gegner vor seinem Bug zum Kampf stellen und vernichten, wenn er nicht vom Jäger zum Wild werden wollte.