Diana Gabaldon
Outlander – Ferne Ufer
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Barbara Schnell
Über dieses Buch
Besser denn je: Der 3. Band der »Outlander«-Saga in ungekürzter Neuübersetzung
Zwanzig Jahre lang hielt Claire ihre große Liebe Jamie Fraser für tot. Nun findet sie heraus, dass er die Schlacht von Culloden überlebt hat. Unterstützt von ihrer Tochter Brianna kehrt sie durch den Steinkreis zu ihm ins 18. Jahrhundert zurück.
Aber Jamie hat in all der Zeit sein eigenes Leben geführt, außerdem kämpft er weiterhin für Schottlands Unabhängigkeit. Und so müssen die beiden früher, als ihnen lieb ist, aus dem Hochland fliehen und sich aufmachen zu neuen, fernen Ufern. Doch sie wissen, dass ihre Liebe und ihre Leidenschaft füreinander sie jedes Hindernis überwinden lassen wird.
Inhaltsübersicht
Widmung
Prolog
Erster Teil
Das Fest der Krähen
Die Jagd beginnt
Frank und frei
Zweiter Teil
Der Dunbonnet
Ein Kind ist uns geboren
… nachdem wir durch Sein Blut gerecht geworden sind.
Dritter Teil
Was man schwarz auf weiß hat …
Ein Gefangener und Ehrenmann
Der Wanderer
Der Fluch der weißen Hexe
Die Torremolinoseröffnung
Das Opfer
Mittelspiel
Vierter Teil
Geneva
Durch ein Missgeschick
Willie
Ungeheuer tauchen auf
Fünfter Teil
Wurzeln
Ich lege einen Geist zur Ruhe
Diagnose
Q. E. D.
Die Nacht vor Allerheiligen
Craigh na Dun
Sechster Teil
A. Malcolm, Drucker
Freudenhaus
Frühstück unter Huren
Lichterloh
Hüter der Tugend
Cullodens letztes Opfer
Stelldichein
Schmugglermond
Siebter Teil
Die Rückkehr des verlorenen Sohns
Der vergrabene Schatz
Papa
Flucht aus Eden
Angewandte Hexenkunst
Was ist ein Name
Ich begegne einem Anwalt
O Verloren! Und es trauert der Wind
Achter Teil
Ich muss wieder hinab zum Meer
Wir setzen die Segel
Der Mann im Mond
Phantomschmerzen
Naturgewalten
Mr. Willoughbys Erzählung
Wir begegnen einem Tümmler
Und hatten die Pest an Bord
Augenblick der Gnade
Land in Sicht!
Ich begegne einem Priester
In welchem Jamie dämmert, dass etwas faul ist
Eine Hochzeit findet statt
Neunter Teil
Fledermausguano
»Der stürmische Pirat«
Ishmael
Schildkrötensuppe
Gelobtes Land
Die Maske des Roten Todes
In welchem vieles ans Licht kommt
Der Duft der Edelsteine
Das Grinsen des Krokodils
Abandawe
Aus den Tiefen
Danksagung
Für meine Kinder
Laura Juliet
Samuel Gordon
und Jennifer Rose,
von denen ich das Herz, das Blut und die Seele dieses Buchs habe.
Prolog
Als ich klein war, wollte ich in keine Pfütze steigen. Nicht, weil ich etwa Angst vor ertrunkenen Würmern oder nassen Strümpfen hatte; eigentlich war ich ein Schmuddelkind, und Dreck in jeder Form war mir herzlich egal.
Es lag daran, dass ich mich nicht überwinden konnte zu glauben, dass diese perfekte glatte Fläche nicht mehr war als ein dünner Film aus Wasser über festem Boden. Ich habe geglaubt, sie sei eine Öffnung ins Unergründliche. Manchmal dachte ich beim Anblick der kleinen Wellen, die mein Näherkommen auslöste, die Pfütze sei unvorstellbar tief; ein bodenloses Meer, in dem sich träge Tentakel und glänzende Schuppen verbargen, in dessen Tiefe gigantische Körper und scharfe Zähne drohten.
Und dann schaute ich in den Spiegel und sah mein eigenes rundes Gesicht und mein krauses Haar vor formlos weitem Blau und dachte stattdessen, die Pfütze sei der Eingang zu einem zweiten Himmel. Wenn ich hineintrat, würde ich fallen wie ein Stein, weiter und immer weiter in die blaue Leere hinein.
Ich habe es nur dann gewagt, eine Pfütze zu durchschreiten, wenn im Zwielicht die Sterne zum Vorschein kamen. Wenn ich ins Wasser schaute und dort einen Leuchtpunkt sah, konnte ich ohne Angst hindurchplatschen – denn falls ich in die Pfütze und ins Leere fiel, konnte ich unterwegs den Stern ergreifen und würde wieder sicher sein.
Wenn ich eine Pfütze auf meinem Weg sehe, hält mein Kopf noch heute flüchtig inne – selbst wenn meine Füße es nicht tun –, ehe er weiterhastet und nur das Echo des Gedankens bleibt.
Was, wenn du dieses Mal fällst?
Erster Teil
Arma virumque cano …
Kapitel 1
Das Fest der Krähen
Es kämpfte mancher Highlandthan,
Und mancher tapf’re Krieger fiel,
Nicht nur sein Leben war vertan,
Auch Schottlands Kron’, dahin das Ziel.
– »Kommst du nicht zurück zu mir?«
Er war tot. Allerdings pochte es schmerzhaft in seiner Nase, was ihm unter den Umständen seltsam erschien. Er besaß zwar beträchtliches Vertrauen in die Einsicht und die Gnade seines Schöpfers, hegte aber gleichzeitig jenen Rest elementaren Schuldgefühls, der alle Menschen fürchten lässt, dass es eine Hölle gibt. Doch nach allem, was er über die Hölle gehört hatte, kam es ihm unwahrscheinlich vor, dass sich die Qualen, die auf ihre bedauernswerten Insassen warteten, auf eine gebrochene Nase beschränkten.
Andererseits konnte dies auch nicht der Himmel sein, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens verdiente er das nicht. Zweitens sah es nicht danach aus. Und wenn schon die Strafe der Verdammten nicht aus einer gebrochenen Nase bestand, glaubte er erst recht nicht, dass eine solche zur Belohnung der Glückseligen zählte.
Er hatte sich zwar das Fegefeuer immer als grauen Ort vorgestellt, doch das schwache, rötliche Licht, das alles ringsum verbarg, schien ihm durchaus adäquat. Sein Kopf wurde jetzt ein wenig klarer, und sein Denkvermögen kehrte zurück, wenn auch langsam. Irgendjemand, so dachte er gereizt, musste ihn doch allmählich aufsuchen und ihm mitteilen, wie seine Strafe lautete, bis er genug gelitten hatte, um endlich gereinigt in Gottes Reich einzugehen. Er war sich nicht sicher, ob er einen Dämon oder einen Engel erwartete. Er wusste nicht, wie sich das Personal des Fegefeuers zusammensetzte; dieses Thema hatte der Schulmeister in seiner Kinderzeit nicht angesprochen.
Während er wartete, begann er mit seiner Bestandsaufnahme dessen, was ihm ansonsten an Qualen bevorstehen mochte. Er hatte überall Platzwunden und Prellungen, und er war sich hinreichend sicher, dass er sich den rechten Ringfinger erneut gebrochen hatte – dank des steifen Gelenks stand er ab und war nur schwer zu schützen. Doch das war alles nicht allzu schlimm. Was sonst?
Claire. Der Name durchbohrte sein Herz mit einem Schmerz, der ihn mehr peinigte als alles, was sein Körper je hatte durchstehen müssen.
Hätte er tatsächlich noch einen Körper gehabt, so war er sich sicher, dass sich dieser vor Agonie zusammengekrümmt hätte. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde, als er sie in den Steinkreis zurückgeschickt hatte. Seelenqualen waren genau das, womit im Fegefeuer zu rechnen war, und so hatte er von Anfang an erwartet, dass der Trennungsschmerz seine hauptsächliche Bestrafung sein würde – hinreichend, so dachte er, um für alles zu büßen, was er je getan hatte, darunter auch Mord und Verrat.
Er wusste nicht, ob es einer Person im Fegefeuer gestattet war zu beten, doch er versuchte es dennoch. Herr, betete er, lass sie gerettet sein. Sie und das Kind. Er war sich sicher, dass sie es zum Steinkreis geschafft hatte; sie war ja erst zwei Monate schwanger, also noch leichtfüßig und flink – und die sturköpfigste, entschlossenste Frau, die ihm je begegnet war. Doch ob ihr der gefährliche Rückweg zu dem Ort gelungen war, von dem sie gekommen war … der heikle Abstieg durch die rätselhaften Schichten, die das Dann vom Jetzt trennten, ohnmächtig im Griff der Steine … das würde er nie erfahren, und dieser Gedanke reichte aus, um ihn selbst das Pochen in seiner Nase vergessen zu lassen.