Ich nahm sie hoch, tätschelte ihr den Rücken und murmelte in den roten Flaum auf ihrem Köpfchen.
»Oh, du großer Schatz! Was für ein kluges Mädchen du bist!«
»Was ist? Was ist passiert?« Frank kam aus dem Bad und rubbelte sich den Kopf trocken, ein zweites Handtuch um die Hüfte geschlungen. »Ist etwas mit Brianna?«
Er kam mit besorgter Miene auf uns zu. Je näher die Geburt rückte, desto nervöser waren wir beide geworden; Frank gereizt und ich von Angst erfüllt, da wir nicht die geringste Ahnung hatten, was mit dem Auftauchen von Jamie Frasers Kind zwischen uns geschehen würde. Doch als die Schwester Brianna aus ihrem Bettchen genommen und sie Frank mit den Worten »Hier ist Papas kleines Mädchen« gereicht hatte, hatte seine Miene jeden Ausdruck verloren und sich dann – als er ihr Gesichtchen ansah, perfekt wie eine Rosenknospe – mit Staunen erfüllt. Innerhalb einer Woche war er ihr mit Leib und Seele verfallen.
Ich wandte mich ihm zu und lächelte. »Sie hat sich umgedreht! Ganz allein!«
»Wirklich?« Sein frottiertes Gesicht strahlte. »Ist das nicht ziemlich früh?«
»So ist es. Bei Dr. Spock steht, dass es mindestens noch einen Monat dauern sollte, bis sie das kann.«
»Tja, was weiß Dr. Spock schon? Komm her, du hübsches Ding, gib Papa einen Kuss, du kleines Streberkind.« Er hob das weiche Körperchen mit dem rosa Strampler auf und küsste ihre Stupsnase. Brianna nieste, und wir lachten beide.
Ich hielt inne, denn plötzlich wurde mir bewusst, dass es seit fast einem Jahr das erste Mal war, dass ich lachte. Mehr noch, das erste Mal, dass ich mit Frank gemeinsam lachte.
Er begriff es ebenfalls; seine Augen hefteten sich über Briannas Scheitel hinweg auf die meinen. Sie waren haselgrün und in diesem Moment voller Zärtlichkeit. Ich lächelte ihn an, etwas zaghaft, und auf einmal war mir mehr als klar, dass er so gut wie nackt war und ihm die Wassertropfen über die hageren Schultern glitten und auf der glatten braunen Haut seiner Brust schimmerten.
Der Geruch nach Angebranntem erreichte uns beide gleichzeitig und riss uns aus unserer Szene häuslicher Glückseligkeit.
»Der Kaffee!« Ohne Umschweife drückte er mir Brianna in die Arme und schoss auf die Küche zu, so dass beide Handtücher in einem Haufen zu meinen Füßen zurückblieben. Mit einem Lächeln über den Anblick seines nackten Hinterns, der überraschend weiß aufleuchtete, als er in die Küche sprintete, folgte ich ihm langsamer und hielt mir Brianna an die Schulter.
Er stand nackt am Spülbecken inmitten einer übelriechenden Dampfwolke, die aus der angebrannten Kaffeekanne aufstieg.
»Tee vielleicht?«, fragte ich und verlagerte Brianna gekonnt auf meine Hüfte, während ich im Schrank kramte. »Orange Pekoe ist leider nicht mehr da; nur Teebeutel.«
Frank verzog das Gesicht; als eingefleischter Engländer hätte er eher Wasser aus der Toilette geschlürft, als Beuteltee zu trinken. Die Beutel hatte uns Mrs. Grossman hinterlassen, die Putzfrau, die einmal in der Woche kam und losen Tee umständlich und widerlich fand.
»Nein, ich besorge mir auf dem Weg zur Universität einen Becher Kaffee. Oh, apropos, du weißt doch noch, dass der Dekan und seine Frau heute zum Abendessen kommen? Mrs. Hinchcliffe hat ein Geschenk für Brianna.«
»Oh, stimmt«, sagte ich ohne große Begeisterung. Ich war den Hinchcliffes bereits begegnet und brannte nicht sonderlich auf eine Wiederholung. Dennoch, ich musste mir Mühe geben. Mit einem innerlichen Seufzer setzte ich das Baby auf die andere Hüfte und suchte in der Schublade nach einem Stift für einen Einkaufszettel.
Brianna wühlte den Kopf in die Vorderseite meines roten Chenillemorgenmantels und stieß gierige kleine Grunzlaute aus.
»Du kannst doch unmöglich schon wieder Hunger haben«, sagte ich zu ihrem Haarschopf. »Es ist keine zwei Stunden her, dass ich dich gestillt habe.« Doch meine Brüste begannen als Reaktion auf ihr Suchen auszulaufen, und ich war schon dabei, mich hinzusetzen und mein Nachthemd zu öffnen.
»Mrs. Hinchcliffe sagt, man sollte ein Baby nicht jedes Mal füttern, wenn es weint«, stellte Frank fest. »Man verwöhnt sie nur, wenn man sich nicht an einen Zeitplan hält.«
Es war nicht das erste Mal, dass ich Mrs. Hinchcliffes Ansichten über Kindererziehung zu hören bekam.
»Nun, dann wird sie eben verwöhnt, klar?«, sagte ich kalt, ohne ihn anzusehen. Das rosa Mündchen saugte sich heftig fest, und Brianna begann mit unbekümmertem Appetit zu trinken. Mir war auch bewusst, dass Mrs. Hinchcliffe es für vulgär und unhygienisch hielt, ein Kind zu stillen. Ich, die ich zahllose Babys im achtzehnten Jahrhundert zufrieden an der Mutterbrust saugen gesehen hatte, teilte ihre Meinung nicht.
Frank seufzte, sagte aber nichts mehr. Einen Moment später legte er den Topflappen hin und steuerte auf die Tür zu.
»Also«, sagte er etwas verlegen. »Wir sehen uns dann gegen sechs, ja? Soll ich irgendetwas mitbringen – damit du nicht aus dem Haus musst?«
Ich lächelte ihn kurz an und sagte: »Nein. Ich komme schon zurecht.«
»Oh, gut.« Er zögerte einen Moment, während ich mir Brianna bequemer auf den Schoß legte, so dass ihr Kopf in meiner Ellenbeuge ruhte und die Rundung ihres Schädels meine Brust spiegelte. Ich blickte von der Kleinen auf und stellte fest, dass er mich gebannt beobachtete, die Augen auf meine halb entblößte Brust geheftet.
Ich ließ die Augen meinerseits an seinem Körper hinunterhuschen. Ich sah seine beginnende Erregung und beugte den Kopf über das Baby, um mein Erröten zu verbergen.
»Wiedersehen«, murmelte ich in Briannas Haarflaum hinein.
Einen Moment stand er still, dann beugte er sich vor und küsste mich flüchtig auf die Wange. Die Wärme seines nackten Körpers war mir so nah, dass ich nervös wurde.
»Wiedersehen, Claire«, sagte er leise. »Bis heute Abend.«
Er kam nicht mehr in die Küche, ehe er aus dem Haus ging, so dass es mir möglich war, Brianna fertig zu stillen und meine Gefühle wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Ich hatte Frank seit meiner Rückkehr noch kein einziges Mal nackt gesehen; er hatte sich immer im Bad oder in unserem begehbaren Kleiderschrank angezogen. Genauso wenig hatte er bis zu dem vorsichtigen Schmatzer heute Morgen versucht, mich zu küssen. Meine Schwangerschaft war das gewesen, was Gynäkologen »Hochrisiko« nannten, und so war es nicht in Frage gekommen, dass Frank mein Bett teilte, selbst wenn mir danach gewesen wäre – und das war es nicht.
Ich hätte es kommen sehen sollen, doch das hatte ich nicht. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen, erst mit meinem Elend und dann mit der körperlichen Trägheit der nahenden Mutterschaft, dass ich jeden Gedanken von mir schob, der nicht mit meinem Kugelbauch zu tun hatte. Nach Briannas Geburt hatte ich von einer Stillmahlzeit zur nächsten gelebt und kleine Momente seligen Friedens gefunden, wenn ich ihren schlafenden Körper wiegte und in der schieren sinnlichen Freude, sie zu berühren und zu halten, Erleichterung von meinen Gedanken und Erinnerungen fand.
Auch Frank schmuste mit dem Baby und spielte mit ihr, und oft schlief er mit ihr auf dem Bauch in seinem Sessel ein, ihre rosige Wange fest an seine Brust gedrückt, während sie kameradschaftlich in Frieden vor sich hin schnarchten. Doch er und ich, wir berührten einander nicht, und wir unterhielten uns auch eigentlich über nichts, was über grundlegende Alltagsfragen hinausging – außer über Brianna.
Das Baby war unser gemeinsamer Fixpunkt, mit dessen Hilfe wir einander gleichzeitig erreichen und auf Abstand halten konnten. Es sah so aus, als würde ihm der Abstand nun zu groß.
Ich konnte es tun – zumindest körperlich. Ich war in der Woche zuvor zur Nachuntersuchung beim Arzt gewesen, und er hatte mir – mit einem gönnerhaften Augenzwinkern und einem Klaps auf den Hintern – versichert, dass ich die »ehelichen Beziehungen« mit meinem Mann jederzeit wieder aufnehmen könnte.
Ich wusste, dass Frank nach meinem Verschwinden nicht enthaltsam gelebt hatte. Auch mit Mitte vierzig war er noch schlank und muskulös, dunkelhaarig und attraktiv, ein sehr gutaussehender Mann. Frauen umschwärmten ihn auf Cocktailpartys wie Bienen einen Honigtopf, und tatsächlich summten sie geradezu vor sexueller Erregung.