Eine junge Brünette war mir bei der Feier der Fakultät besonders aufgefallen; sie stand in der Ecke und hielt den Blick traurig über ihr Glas hinweg auf Frank gerichtet. Irgendwann war sie so betrunken, dass sie weinte und lallte und von zwei Freundinnen nach Hause begleitet wurde. Die beiden warfen böse Blicke auf Frank und mich, die ich an seiner Seite stand und in meinem geblümten Umstandskleid schweigend runder und runder wurde.
Allerdings war er diskret gewesen. Er kam jeden Abend nach Hause, und er achtete penibel darauf, dass er keinen Lippenstift am Kragen hatte. Jetzt hatte er also vor, ganz heimzukehren. Vermutlich hatte er das Recht, das zu erwarten; war es nicht die Pflicht einer Ehefrau, und war ich nun nicht wieder seine Frau?
Es gab da nur ein kleines Problem. Es war nicht Frank, nach dem ich die Arme ausstreckte, wenn ich tief in der Nacht aus dem Schlaf erwachte. Es war nicht sein eleganter, geschmeidiger Körper, der durch meine Träume wandelte und mich erregte, so dass ich feucht und keuchend erwachte, herzklopfend von der halb geträumten, halb erinnerten Berührung. Doch ich würde diesen Mann nie mehr berühren.
»Jamie«, flüsterte ich, »oh, Jamie.« Meine Tränen glitzerten im Morgenlicht und verzierten Briannas weichen roten Haarflaum wie verstreute Perlen und Diamanten.
Es war kein guter Tag. Brianna hatte heftigen Windelausschlag, so dass sie gereizt und nörgelig war und alle paar Minuten auf den Arm genommen werden musste. Sie trank und quengelte abwechselnd und spuckte in den Pausen Milch, die nasse Flecken auf allem hinterließ, was ich trug. Bis elf Uhr hatte ich dreimal meine Bluse gewechselt.
Der klobige Still-BH scheuerte unter den Achseln, und meine Brustwarzen fühlten sich kalt und rissig an. Mit Mühe hatte ich das Haus zur Hälfte aufgeräumt, als unter dem Fußboden ein zischendes Scheppern ertönte und die Heizung mit einem schwachen Seufzer den Geist aufgab.
»Nein, nächste Woche reicht nicht«, sagte ich dem Heizungsmonteur am Telefon. Ich blickte zum Fenster, wo der kalte Februarnebel unter den Rahmen zu kriechen und uns einzuhüllen drohte. »Ich habe fünf Grad in der Wohnung und ein drei Monate altes Baby!« Besagtes Baby saß in sämtliche Decken gewickelt in seinem Kindersitz und brüllte wie eine verbrühte Katze. Ohne das Gerede der Person am anderen Ende zu beachten, hielt ich Brianna ein paar Sekunden den Hörer an den weit geöffneten Mund.
»Verstehen Sie?«, wollte ich wissen und hob mir den Hörer wieder selbst ans Ohr.
»Also schön, Teuerste«, sagte eine resignierte Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich komme heute Nachmittag, irgendwann zwischen zwölf und sechs.«
»Zwölf und sechs? Können Sie das nicht etwas genauer sagen? Ich muss noch einkaufen gehen«, protestierte ich.
»Sie haben nicht die einzige kaputte Heizung in der Stadt, Teuerste«, sagte die Stimme endgültig und legte auf. Ich warf einen Blick auf die Uhr; halb zwölf. Nie im Leben würde ich es schaffen, in einer halben Stunde einzukaufen und wieder zurück zu sein. Mit einem kleinen Baby einkaufen zu gehen, ähnelte eher einer anderthalbstündigen Expedition ins finsterste Borneo, die massenweise Ausrüstung und große Mengen Energie erforderte.
Zähneknirschend rief ich den teuren Supermarkt an, der nach Hause lieferte, bestellte, was ich für das Abendessen brauchte, und hob das Baby auf, das inzwischen die Farbe einer Aubergine hatte und deutlich roch.
»Das sieht aber schlimm aus, Schätzchen. Wenn wir es abwischen, geht es dir bestimmt besser, nicht wahr?«, versuchte ich, sie zu trösten, während ich ihr den bräunlichen Schleim vom leuchtend roten Hintern wischte. Sie wand sich, um dem nassen Waschlappen zu entkommen, und kreischte weiter. Eine Schicht Vaseline und die zehnte saubere Windel des Tages; ich bekam erst morgen wieder frische Windeln geliefert, und das ganze Haus stank nach Ammoniak.
»Ist ja gut, Süße, aber, aber.« Ich hob sie mir auf die Schulter und tätschelte sie, doch das Geschrei ging weiter und weiter. Nicht, dass ich es ihr verübeln konnte; ihr armer Hintern war beinahe blutig. Idealerweise hätte ich sie nackt auf einem Handtuch liegen lassen sollen, aber ohne Heizung kam das nicht in Frage. Wir trugen beide Pullover und dicke Winterjacken, wodurch das häufige Stillen noch lästiger wurde als sonst; es konnte mehrere Minuten dauern, eine Brust freizulegen, und unterdessen schrie das Baby.
Brianna konnte nicht mehr als zehn Minuten am Stück schlafen. Demzufolge konnte ich es auch nicht. Als wir um vier Uhr doch zusammen eindösten, dauerte es keine Viertelstunde, und wir wurden durch die polternde Ankunft des Heizungsmonteurs geweckt, der an die Tür hämmerte, ohne sich die Mühe zu machen, seinen großen Schraubenschlüssel aus der Hand zu legen.
Während ich mir mit einer Hand das Baby an die Schulter hielt, begann ich mit der anderen, das Abendessen zu kochen, begleitet von lautem Geschrei an meinem Ohr und brutalem Getöse unten im Keller.
»Ich kann nichts versprechen, Teuerste, aber erst einmal läuft sie wieder.« Der Monteur tauchte abrupt auf und wischte sich einen Schmierölstreifen von der gerunzelten Stirn. Er beugte sich vor, um Brianna zu betrachten, die mir mehr oder weniger friedlich auf der Schulter hing und schmatzend am Daumen lutschte.
»Wie schmeckt das Däumchen denn, Süße?«, erkundigte er sich. »Eigentlich soll man sie doch nicht am Daumen lutschen lassen«, teilte er mir mit und richtete sich auf. »Davon bekommen sie schiefe Zähne und brauchen irgendwann eine Klammer.«
»Ist das so?«, sagte ich und biss meinerseits die Zähne zusammen. »Was bekommen Sie von mir?«
Eine halbe Stunde später lag das Huhn eingefettet in der Form, gefüllt und mit zerhacktem Knoblauch, Rosmarinzweigen und Spiralen aus Zitronenschale umringt. Noch einen Spritzer Zitronensaft auf die gebutterte Haut, dann konnte ich es in den Ofen schieben und mich und Brianna umziehen. Die Küche sah aus wie von unfähigen Einbrechern zurückgelassen, denn die Schränke standen offen, und alle horizontalen Oberflächen waren mit Kochutensilien übersät. Ich schlug zuerst ein paar Schranktüren zu, dann die Küchentür, und hoffte, dass das reichte, um Mrs. Hinchcliffe fernzuhalten, wenn es ihre guten Manieren nicht taten.
Frank hatte Brianna ein neues rosa Kleidchen gekauft. Es war wunderhübsch, aber ich warf einen skeptischen Blick auf den Spitzenkragen, der nicht nur kratzig aussah, sondern auch furchtbar empfindlich.
»Also schön, versuchen wir es«, sagte ich zu ihr. »Papa möchte, dass du hübsch aussiehst. Wir können uns ja Mühe geben, nicht darauf zu spucken, hm?«
Brianna antwortete, indem sie die Augen schloss, erstarrte – und grunzend die nächste Portion Schleim von sich gab.
»Oh, prima!«, sagte ich und meinte es auch so. Es bedeutete zwar, dass ich das Laken im Kinderbettchen wechseln musste, aber zumindest würde es den Ausschlag nicht verschlimmern. Nachdem ich alles sauber gewischt und Brianna frisch gewickelt hatte, schüttelte ich das rosa Kleidchen aus und wischte ihr vorsichtig den Schnodder und Speichel aus dem Gesicht. Sie blinzelte mich an und gurgelte einladend, während sie mit den Fäustchen ruderte.
Folgsam senkte ich den Kopf und pustete ihr in den Bauchnabel, und sie gluckste und wand sich vor Vergnügen. Das wiederholten wir ein paar Mal, dann machte ich mich an die komplizierte Aufgabe, ihr das rosa Kleidchen anzuziehen.
Das gefiel Brianna gar nicht; sie fing schon an zu quengeln, als ich es ihr über den Kopf zog, und als ich ihr die runden Ärmchen in die Puffärmel schob, legte sie den Kopf zurück und heulte durchdringend auf.
»Was ist denn?«, wollte ich erschrocken wissen. Inzwischen kannte ich ihre verschiedenen Arten zu weinen und wusste mehr oder weniger, was sie damit meinte, doch diese hier war neu und voller Angst und Schmerz. »Was ist los, Schätzchen?«