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Sie brüllte jetzt mit aller Kraft, und Tränen liefen ihr über das Gesicht. Panisch drehte ich sie um und tätschelte ihr den Rücken, weil ich glaubte, sie hätte vielleicht plötzlich Bauchkrämpfe bekommen, auch wenn sie sich nicht zusammenkrümmte. Sie schlug nur heftig um sich, und als ich sie wieder umdrehte, um sie auf den Arm zu nehmen, sah ich den langen roten Streifen, der sich über die empfindliche Innenseite ihres rudernden Ärmchens zog. Es steckte noch eine Nadel in dem Kleid, und sie hatte Brianna die Haut aufgekratzt, als ich es ihr über den Arm zog.

»Oh, Schätzchen! Oh, es tut mir so leid! Es tut Mami so leid!« Auch mir liefen jetzt Tränen über das Gesicht, als ich nach der Stecknadel fasste und sie entfernte. Ich drückte mir Brianna an die Schulter, tätschelte und tröstete sie und versuchte, meine eigenen panischen Schuldgefühle zu beschwichtigen. Natürlich hatte ich ihr nicht mit Absicht weh getan, aber das konnte sie ja nicht wissen.

»Oh, Schätzchen«, murmelte ich. »Jetzt ist alles gut. Mami hat dich lieb, ist ja gut.« Warum war ich nicht auf die Idee gekommen, nach Nadeln zu suchen? Und überhaupt, welcher Irre verpackte Babykleidung mit Stecknadeln? Hin- und hergerissen zwischen Wut und Bestürzung, zog ich Brianna vorsichtig das Kleidchen an, wischte ihr das Kinn ab und trug sie ins Schlafzimmer, wo ich sie auf mein Bett legte, während ich mir hastig einen anständigen Rock und eine frische Bluse anzog.

Es klingelte, als ich gerade dabei war, mir die Strümpfe anzuziehen. Der eine hatte ein Loch an der Ferse, doch jetzt war es zu spät, etwas dagegen zu tun. Ich schob die Füße in meine kneifenden Alligatorpumps, griff nach Brianna und ging zur Haustür.

Es war Frank, der zu beladen war, um selbst aufzuschließen. Mit einer Hand nahm ich ihm den Großteil seiner Päckchen ab und stellte sie auf den Tisch im Flur.

»Ist das Essen fertig, Schatz? Ich habe eine neue Tischdecke und Servietten mitgebracht – dachte, unsere sind vielleicht ein bisschen schäbig. Und den Wein natürlich.« Lächelnd hielt er mir die Flasche entgegen, dann beugte er sich vor, um mich genauer zu betrachten, und hörte auf zu lächeln. Er blickte missbilligend von meinem unfrisierten Haar zu meiner Bluse, die einen frischen Milchfleck hatte.

»Himmel, Claire«, sagte er. »Konntest du dich nicht ein bisschen zurechtmachen? Ich meine, es ist doch nicht so, als ob du den ganzen Tag zu Hause zu tun hättest … hattest du nicht ein paar Minuten übrig, um …«

»Nein«, sagte ich ziemlich laut. Ich drückte ihm Brianna, die jetzt wieder vor Erschöpfung jammerte, in die Arme.

»Nein«, sagte ich erneut und nahm ihm die Weinflasche aus der widerstandslosen Hand.

»NEIN!«, kreischte ich und stampfte mit dem Fuß auf. Ich holte im hohen Bogen mit der Flasche aus, und er duckte sich, doch ich traf den Türpfosten; der Beaujolais flog in roten Spritzern über die Eingangstreppe, und im Licht der Haustür blieben glitzernde Glasscherben liegen.

Ich warf die zersplitterte Flasche in die Azaleen und rannte ohne Mantel durch den Vorgarten in den eiskalten Nebel. Am Ende des Wegs kam ich an den verblüfften Hinchcliffes vorüber, die eine halbe Stunde zu früh kamen, vermutlich in der Hoffnung, mich als unfähige Hausfrau zu ertappen. Ich hoffte, dass sie ihr Abendessen genießen würden.

Ich fuhr ziellos durch den Nebel und ließ mir die Autoheizung auf die Füße blasen, bis allmählich das Benzin knapp wurde. Ich würde nicht nach Hause fahren, noch nicht. Ein Café, das die ganze Nacht geöffnet hatte, vielleicht? Dann fiel mir ein, dass es Freitag war und beinahe Mitternacht. Es gab doch einen Ort, den ich ansteuern konnte. Ich wandte mich wieder der Vorstadt zu, in der wir wohnten – und der St.-Finbar-Kirche.

Um diese Uhrzeit war die Kapelle zum Schutz vor Vandalen und Einbrechern abgeschlossen. Für die nächtlichen Betenden gab es ein Zahlenschloss unter der Türklinke. Fünf Tasten mit den Ziffern eins bis fünf. Wenn man drei davon in der richtigen Reihenfolge drückte, klickte das Schloss und ermöglichte den Zugang.

Leise ging ich an der Rückseite der Kapelle entlang zu dem Logbuch, das zu St. Finbars Füßen lag, um meine Ankunft einzutragen.

»St. Finbar?«, hatte Frank ungläubig gesagt. »Diesen Heiligen gibt es nicht. Das kann gar nicht sein.«

»Doch«, sagte ich mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit. »Ein irischer Bischof aus dem zwölften Jahrhundert.«

»Oh, ein Ire«, sagte Frank abfällig. »Das erklärt alles. Aber was ich nicht verstehen kann«, sagte er und versuchte, es taktvoll auszudrücken, »ist, äh, na ja … warum

»Warum was?«

»Warum gehst du zu diesem Ewigen Gebet? Du bist noch nie auch nur ansatzweise religiös gewesen, genauso wenig wie ich. Und du gehst nicht zur Messe oder so; Vater Beggs fragt mich jede Woche, wo du bist.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann es dir nicht sagen, Frank. Es ist einfach etwas … was ich tun muss.« Ich konnte es nicht richtig erklären und sah ihn an. »Es ist … so friedlich«, sagte ich schließlich.

Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, dann wandte er sich seinerseits kopfschüttelnd ab.

Es war friedlich. Der Parkplatz an der Kirche war verlassen gewesen bis auf das einzelne Auto des für diese Stunde eingeteilten Betenden, das anonym und schwarz im Licht der Straßenbeleuchtung glänzte. Ich trug meinen Namen in das Logbuch ein und ging nach vorn. Dabei hüstelte ich taktvoll, um den von elf bis zwölf Betenden auf mich aufmerksam zu machen, ohne unhöflich zu sein und ihn direkt anzusprechen. Ich kniete mich hinter ihn; es war ein untersetzter Mann mit einer gelben Windjacke. Nach einem Moment erhob er sich, beugte vor dem Altar das Knie, machte kehrt und ging zur Tür. Im Vorübergehen nickte er mir kurz zu.

Die Tür schloss sich zischend, und ich war allein bis auf das Sakrament, das im großen goldenen Strahlenkranz der Monstranz auf dem Altar ausgestellt war. Außerdem standen zwei große Kerzen auf dem Altar. Sie waren glatt und weiß und brannten mit ruhiger Flamme in der reglosen Luft. Einen Moment schloss ich die Augen, um einfach nur der Stille zu lauschen.

Alles, was sich im Lauf des Tages zugetragen hatte, wirbelte mir als zusammenhanglose Flut aus Gedanken und Gefühlen durch den Kopf. Da ich keinen Mantel trug, hatte ich nach dem kurzen Fußweg über den Parkplatz vor Kälte zu zittern begonnen, doch langsam wurde mir wieder warm, und meine verkrampften Hände entspannten sich auf meinem Schoß.

Wie so oft, wenn ich hier war, hörte ich schließlich auf zu denken. Ob es das Innehalten der Zeit im Angesicht der Ewigkeit war oder nur der Sieg meiner tiefen Erschöpfung, das wusste ich nicht. Aber mein schlechtes Gewissen gegenüber Frank ließ nach, der quälende Schmerz um Jamie wurde schwächer, und selbst die unablässigen emotionalen Erfordernisse der Mutterschaft verblassten zu einem Hintergrundgeräusch, nicht lauter als das Schlagen meines Herzens, rhythmisch und tröstend im dunklen Frieden der Kapelle.

»O Herr«, flüsterte ich, »in Deine Hände lege ich die Seele Deines Dieners James.« Und die meine, fügte ich schweigend hinzu. Und die meine.

Ich saß reglos da und beobachtete das Flackern der Kerzenflammen auf der goldenen Oberfläche der Monstranz, bis die leisen Schritte des nächsten Betenden hinter mir im Mittelgang erklangen und verstummten, als er schwerfällig ächzend das Knie beugte. Sie kamen zu jeder neuen Stunde, Tag und Nacht. Das Heilige Sakrament blieb nie allein.

Ich verweilte noch ein paar Minuten, dann glitt ich von der Bank, und auch ich nickte dem Altar zu. Auf dem Weg zur Rückseite der Kapelle sah ich eine Gestalt in der letzten Reihe, im Schatten der Antoniusstatue. Als ich näher kam, bewegte sie sich, dann erhob sich der Mann und kam auf den Mittelgang zu, um mich abzufangen.

»Was machst du denn hier?«, zischte ich.

Frank wies kopfnickend auf den neuen Betenden, der bereits versunken in der Bank kniete, und nahm meinen Ellbogen, um mich ins Freie zu führen.

Ich wartete, bis sich die Kapellentür geschlossen hatte, dann riss ich mich los und fuhr zu ihm herum.