»Was soll das?«, sagte ich aufgebracht. »Warum bist du mir gefolgt?«
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.« Er wies auf den leeren Parkplatz, wo sich sein großer Buick schützend an meinen kleinen Ford drängte. »Es ist gefährlich für eine Frau, mitten in der Nacht allein in dieser Gegend unterwegs zu sein. Ich wollte dich nach Hause bringen. Das ist alles.«
Er erwähnte weder die Hinchcliffes noch das Abendessen. Mein Ärger flaute ein wenig ab.
»Oh«, sagte ich. »Was hast du denn mit Brianna gemacht?«
»Habe die alte Mrs. Munsing nebenan gebeten, ein Ohr auf sie zu haben, falls sie weint. Aber sie schien fest zu schlafen; ich hatte nicht das Gefühl, dass es sehr wahrscheinlich war. Jetzt komm, es ist kalt hier draußen.«
Das stimmte; die eiskalte Luft aus der Bucht schlängelte sich in weißen Ringeln um die Laternenpfosten, und ich erschauerte in meiner dünnen Bluse.
»Dann sehen wir uns zu Hause«, sagte ich.
Die Wärme des Kinderzimmers kam mir wie eine Umarmung entgegen, als ich eintrat, um nach Brianna zu sehen. Sie schlief zwar noch, war aber unruhig und drehte das rothaarige Köpfchen hin und her, und ihr suchender kleiner Mund öffnete sich wie der eines atmenden Fischs.
»Sie bekommt wieder Hunger«, flüsterte ich Frank zu, der hinter mir eingetreten war und das Baby über meine Schulter hinweg liebevoll ansah. »Ich füttere sie besser noch, ehe ich ins Bett komme; dann schläft sie morgen länger.«
»Ich mache dir etwas Warmes zu trinken.« Er verschwand durch die Tür zur Küche, während ich das verschlafene warme Bündel aufnahm.
Sie hatte zwar nur eine Seite leer getrunken, doch sie war satt. Das erschlaffte, milchgeränderte Mündchen zog sich langsam von der Brustwarze zurück, und das flaumige Köpfchen fiel mir schwer in den Arm. Sie ließ sich weder durch sanftes Rütteln noch mit Worten wecken, um an der anderen Seite zu trinken, also gab ich schließlich auf, legte sie wieder in ihr Bettchen und klopfte ihr sacht den Rücken, bis ein leiser, zufriedener Rülpser aus dem Kissen aufstieg, gefolgt vom schweren Atmen absoluter Sättigung.
»Fertig für die Nacht, wie?« Frank zog die mit gelben Häschen verzierte Babydecke über sie.
»Ja.« Ich lehnte mich in meinem Schaukelstuhl zurück, körperlich und geistig zu erschöpft, um wieder aufzustehen. Frank trat hinter mich; seine Hand ruhte leicht auf meiner Schulter.
»Dann ist er also tot?«, fragte er sanft.
Das habe ich dir doch schon gesagt, lag es mir auf der Zunge. Doch ich hielt inne, schloss den Mund und nickte nur, während ich langsam schaukelte und den Blick auf das dunkle Bettchen und seine winzige Insassin richtete.
Meine rechte Brust war noch so voller Milch, dass es schmerzte. Ganz gleich, wie müde ich war, ich konnte erst schlafen, wenn ich mich darum gekümmert hatte. Mit einem resignierten Seufzer griff ich nach der Milchpumpe, einem umständlichen, lächerlich aussehenden Gummikonstrukt. Es war zwar entwürdigend und unangenehm, sie zu benutzen, doch es war besser, als in einer Stunde unter Schmerzen aufzuwachen, weil ich fast platzte, durchnässt von der auslaufenden Milch.
Ich winkte Frank zu, um ihn aus dem Zimmer zu schicken.
»Geh ruhig. Es dauert nur ein paar Minuten, aber ich muss …«
Statt zu gehen oder zu antworten, nahm er mir die Pumpe aus der Hand und legte sie auf den Tisch. Als bewegte sie sich aus eigener Kraft und ohne seinen Impuls, hob sich seine Hand langsam durch die warme Dunkelheit des Kinderzimmers und legte sich sanft um die geschwollene Rundung meiner Brust.
Sein Kopf neigte sich, und seine Lippen legten sich sacht um meine Brustwarze. Ich stöhnte auf, als ich das halb schmerzende Prickeln der Milch spürte, die durch die kleinen Gänge strömte. Ich legte ihm eine Hand hinter den Kopf und holte ihn näher zu mir heran.
»Fester«, flüsterte ich. Sein Mund war weich, der Druck nur sanft, kein Vergleich mit der unerbittlichen Umklammerung der festen, zahnlosen Babykiefer, die sich festsaugen, als ginge es um Leben und Tod, und alles fordern, so dass die Quelle als Antwort auf ihre Gier zu sprudeln beginnt.
Frank kniete sich vor mich hin, sein Mund ein Bittsteller. Ob sich Gott so fühlte, fragte ich mich, wenn Er die Betenden vor sich sah – wurde auch Er von Zärtlichkeit und Mitleid erfüllt? Der Nebel der Erschöpfung gab mir das Gefühl, als geschähe alles in Zeitlupe, als wären wir unter Wasser. Franks Hände bewegten sich langsam wie Wasserpflanzen, die in der Strömung wanken, und bewegten sich sanft wie Algen über meine Haut, ehe er mich mit der Kraft einer Woge anhob und mich am Ufer des Kinderzimmerteppichs niederlegte. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Flut davontragen.
Die Tür des alten Pfarrhauses öffnete sich mit dem Quietschen rostiger Scharniere und verkündete Brianna Ellen Randalls Rückkehr. Von den Mädchenstimmen angezogen, war Roger schon auf den Beinen und auf dem Weg in den Flur.
»Ein Pfund gute Butter – du hast gesagt, danach soll ich fragen, und das habe ich auch getan, aber ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es auch so etwas wie nicht so gute Butter oder schlechte Butter gibt …« Brianna reichte Fiona ihre Päckchen und lachte und redete gleichzeitig dabei.
»Na ja, wenn du sie von Wicklow hast, dem alten Gauner, dann ist sie wahrscheinlich schlecht, egal, was er sagt«, unterbrach Fiona. »Oh, und du hast den Zimt, großartig! Dann backe ich Zimtscones; möchtest du mitkommen und zusehen?«
»Ja, aber erst möchte ich essen. Ich verhungere gleich!« Brianna stellte sich auf die Zehenspitzen und schnupperte hoffnungsvoll in Richtung der Küche. »Was gibt es denn – Haggis?«
»Haggis! Du liebe Güte, so etwas kann man nur als Sassenach sagen – es gibt doch im Frühjahr keinen Haggis! Den isst man im Herbst, wenn die Schafe geschlachtet werden.«
»Sagst du etwa Sassenach zu mir?« Brianna schien sich über die Bezeichnung zu freuen.
»Natürlich, Dummi. Aber ich mag dich trotzdem.«
Fiona lachte zu Brianna empor, die die kleine Schottin um mehr als einen Kopf überragte. Fiona war neunzehn, bezaubernd hübsch und etwas rundlich; Brianna sah neben ihr wie eine mittelalterliche Schnitzerei aus, streng und markant. Mit ihrer geraden Nase und dem langen Haar, das rotgolden unter der gläsernen Deckenlampe leuchtete, hätte sie einem illustrierten Manuskript entstiegen sein können, lebendig genug, um tausend Jahre unverändert zu überdauern.
Roger wurde plötzlich bewusst, dass Claire Randall neben ihm stand. Sie betrachtete ihre Tochter mit einer Mischung aus Liebe, Stolz und noch etwas – vielleicht die Erinnerung? Mit einem kleinen Schock begriff er, dass Jamie Fraser nicht nur die gleiche auffällige Größe und das rote Wikingerhaar besessen haben musste, das er seiner Tochter vererbt hatte, sondern vermutlich auch die gleiche schiere körperliche Präsenz.
Es war bemerkenswert, dachte er. Sie tat oder sagte gar nichts so Außergewöhnliches, und doch zog Brianna die Menschen unleugbar an. Sie besaß eine beinahe magnetische Anziehungskraft, die jeden in der Nähe in ihre leuchtende Umlaufbahn zog.
Zumindest ihn; Brianna drehte sich um und lächelte ihn an, und ohne sich einer Bewegung bewusst zu sein, fand er sich so nah bei ihr wieder, dass er die schwachen Sommersprossen auf ihren Wangen sehen und den Hauch von Tabakrauch riechen konnte, der ihr aus den Geschäften noch in den Haaren hing.
»Hallo«, sagte er lächelnd. »Hattest du Glück im Informationsbüro, oder warst du zu sehr damit beschäftigt, für Fiona das Mädchen für alles zu spielen?«
»Mädchen für alles?« Briannas Augen verengten sich zu blauen Dreiecken voller Belustigung. »Mädchen für alles? Erst Sassenach, dann Mädchen für alles. Wie nennt ihr Schotten denn jemanden, wenn ihr nett sein wollt?«
»Darrrrling«, sagte er mit übertrieben rollenden »R«s, und die beiden jungen Frauen lachten.
»Du klingst wie ein schlechtgelaunter Aberdeenterrier«, stellte Claire fest. »Hast du in der Bibliothek der Highlandclans etwas gefunden, Brianna?«