»Was zum Teufel ist denn los?«, wollte er wissen. Dann folgte er der Richtung, in die der Finger des Jungen zeigte, und sah sie. Drei kleine schwarze Flecken, die über dem braunen Gewirr der abgestorbenen Pflanzen auf dem Kartoffelacker dahinsegelten.
»Raben«, sagte er leise und spürte, wie ihm die Nackenhaare zu Berge standen. Es war ein besonders schlimmes Zeichen, wenn diese Vögel des Krieges und des Gemetzels während einer Geburt zu einem Haus kamen. Eins der dreckigen Biester ließ sich sogar vor seinen Augen auf dem Dachfirst nieder.
Ohne darüber nachzudenken, zog er die Pistole aus dem Gürtel, stützte den Lauf auf seinen Unterarm und zielte sorgfältig. Es war ein weiter Schuss von der Stalltür zum Dachfirst, und dann auch noch aufwärts. Dennoch …
Die Pistole zuckte in seiner Hand, und der Rabe explodierte in einer schwarzen Federwolke. Seine beiden Begleiter fuhren in die Luft, als hätte die Explosion sie fortgeblasen, und flatterten wie verrückt davon. Ihre heiseren Rufe verhallten schnell in der Winterluft.
»Mon Dieu!«, rief Fergus aus. »C’est bien, ça!«
»Aye, guter Schuss, Sir.« Rabbie war zwar immer noch rot und etwas kurzatmig, doch er hatte sich gerade noch gefasst, um den Schuss zu sehen. Jetzt wies er kopfnickend mit dem Kinn zum Haus. »Da, Sir, ist das die Hebamme?«
Sie war es. Mrs. Innes steckte den Kopf aus dem Fenster in der ersten Etage, und ihr blondes Haar wehte im Wind, als sie sich hinauslehnte, um auf den Hof zu blicken. Vielleicht hatte der Schuss sie herbeigerufen, und sie fürchtete, dass es Schwierigkeiten gab. Jamie trat aus dem Stall und winkte zum Fenster hinauf, um sie zu beruhigen.
»Es ist schon gut«, rief er. »Nur ein Missgeschick.« Die Raben erwähnte er lieber nicht, damit die Hebamme Jenny nicht davon erzählte.
»Kommt herauf«, rief sie, ohne seine Worte zu beachten. »Das Kind ist da, und Eure Schwester will Euch sehen!«
Jenny schlug ein Auge auf, blau und etwas schräg, genau wie seine Augen.
»Du bist ja doch da, aye?«
»Ich dachte, es sollte jemand hier sein – und sei es nur, um für dich zu beten«, sagte er schroff.
Sie schloss das Auge wieder, und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie ähnelte, dachte er, einem Gemälde, das er in Frankreich gesehen hatte; ein altes Bild von irgendeinem Italiener, aber trotzdem ein gutes Bild.
»Du bist ein alberner Narr – und ich bin froh darüber«, sagte sie leise. Sie öffnete die Augen und senkte den Blick auf das eingewickelte Bündel, das sie in der Ellenbeuge hielt.
»Möchtest du ihn sehen?«
»Oh, ein Er, ja?« Mit der Erfahrung langer Jahre als Onkel hob er das kleine Päckchen auf und schmiegte es an sich. Dann schlug er die Decke zurück, die das Gesicht verhüllte.
Die Augen des Kleinen waren fest geschlossen, die Wimpern unsichtbar in der tiefen Falte der Augenlider. Die Lider selbst lagen deutlich schräg über den rötlichen glatten Rundungen der Wangen und schienen zu verheißen, dass das Kind – zumindest was diesen erkennbaren Zug betraf – seiner Mutter ähneln könnte.
Der Kopf war seltsam zerbeult und schief, so dass Jamie unangenehm an eine eingetretene Melone erinnert wurde, doch das fette Mündchen war entspannt und friedlich, und die feuchte rosa Unterlippe zitterte sacht, denn das Baby schnarchte nach der Strapaze der Geburt.
»Schwerstarbeit, wie?«, sagte er an das Kind gerichtet, doch es war die Mutter, die ihm antwortete.
»Aye, das war es«, sagte Jenny. »Im Schrank ist Whisky – holst du mir ein Glas?« Ihre Stimme war heiser, und sie musste sich räuspern, ehe sie die Bitte zu Ende aussprechen konnte.
»Whisky? Solltest du nicht mit Ale verrührte Eier trinken?«, fragte er und unterdrückte nur mit Mühe das Bild, das Fergus’ Ernährungsempfehlung für frisch entbundene Mütter vor seinem inneren Auge heraufbeschwor.
»Whisky«, sagte seine Schwester entschlossen. »Als du schwer verletzt unten gelegen hast und dein Bein dich fast umgebracht hat, habe ich dir da mit Ale verrührte Eier gegeben?«
»Du hast mir Dinge verabreicht, die noch viel schlimmer waren«, sagte ihr Bruder und grinste, »aber du hast recht, du hast mir auch Whisky gegeben.« Er legte das schlafende Kind vorsichtig auf die Bettdecke und wandte sich ab, um den Whisky zu holen.
»Hat er schon einen Namen?«, fragte er und wies kopfnickend auf das Baby, während er einen großzügigen Becher der bernsteinfarbenen Flüssigkeit einschenkte.
»Ich werde ihn Ian nennen, nach seinem Vater.« Jennys Hand legte sich sanft auf den runden Schädel, der dünn mit goldbraunem Flaum überzogen war. Unter der weichen Stelle auf dem Scheitel schlug sichtbar der Puls; der Anblick wirkte furchtbar zerbrechlich, doch die Hebamme hatte Jamie versichert, dass das Baby gesund und kräftig war, also musste er sie wohl beim Wort nehmen. Aus einem obskuren Impuls heraus, diese nackte weiche Stelle zu schützen, hob er das Baby noch einmal auf und zog ihm die Decke über den Kopf.
»Mary MacNab hat mir von dir und Mrs. Kirby erzählt«, sagte Jenny und nippte an ihrem Whisky. »Schade, dass ich nicht dabei war – sie sagt, die alte Schachtel hat fast ihre Zunge verschluckt, als du ihr die Meinung gesagt hast.«
Jamie lächelte als Antwort und tätschelte dem Baby, das an seiner Schulter lag, sacht den Rücken. Es schlief tief und fest, und sein kleiner Körper hing reglos da wie ein kleiner Schinken, ein weiches, beruhigendes Gewicht.
»Zu dumm, dass sie es nicht getan hat. Wie kannst du es nur ertragen, dass die Frau mit dir in einem Haus lebt? Ich würde sie erwürgen, wenn ich jeden Tag hier wäre.«
Seine Schwester prustete, schloss die Augen und legte den Kopf zurück, um sich den Whisky durch die Kehle rinnen zu lassen.
»Ah, die Leute nehmen sich so viel heraus, wie man zulässt; ich lasse einfach nicht viel zu. Trotzdem«, fügte sie hinzu und öffnete die Augen. »Ich kann nicht sagen, dass ich ihr nachweinen werde. Mir schwebt vor, sie mit dem alten Kettrick in Broch Mordha zu verkuppeln. Ihm sind letztes Jahr Frau und Tochter gestorben, und er braucht jemanden, der für ihn sorgt.«
»Aye, aber wenn ich Samuel Kettrick wäre, würde ich die Witwe Murray nehmen«, stellte Jamie fest, »nicht die Witwe Kirby.«
»Peggy Murray ist bereits versorgt«, versicherte ihm seine Schwester. »Sie wird im Frühjahr Duncan Gibbons heiraten.«
»Da hat sich Duncan aber beeilt«, sagte er ein wenig überrascht. Dann kam ihm ein Gedanke, und er grinste sie an. »Wissen die beiden schon davon?«
»Nein«, sagte sie und erwiderte das Grinsen. Dann verwandelte sich das Lächeln in Spekulation.
»Das heißt, es sei denn, du hast selbst ein Auge auf Peggy geworfen?«
»Ich?« Jamie hätte nicht verblüffter sein können, wenn sie plötzlich vorgeschlagen hätte, dass er hier im ersten Stock aus dem Fenster sprang.
»Sie ist erst fünfundzwanzig«, vertiefte Jenny das Thema. »Jung genug, um noch Kinder zu bekommen, und eine gute Mutter.«
»Wie viel von dem Whisky hast du getrunken?« Ihr Bruder beugte sich vor und gab vor, den Füllstand der Karaffe zu prüfen. Dabei legte er eine Hand um den Kopf des Babys, damit er nicht hin- und herschwang. Er richtete sich auf und warf einen etwas ungeduldigen Blick auf seine Schwester.
»Ich lebe wie ein Tier in einer Höhle, und du möchtest, dass ich mir eine Frau nehme?« Sein Inneres fühlte sich plötzlich dumpf und leer an. Damit sie nicht sah, wie ihn der Vorschlag getroffen hatte, erhob er sich und ging im Zimmer auf und ab und summte dabei dem Bündel in seinen Armen leise etwas zu, obwohl es schlief.
»Wann hast du das letzte Mal mit einer Frau geschlafen, Jamie?«, fragte seine Schwester hinter ihm im Konversationston. Schockiert fuhr er auf dem Absatz herum und starrte sie an.
»Wie zum Teufel kann man einen Mann so etwas fragen?«
»Du warst mit keiner der unverheirateten Frauen zwischen Lallybroch und Broch Mordha zusammen«, fuhr sie fort, ohne ihn zu beachten. »Davon hätte ich gehört. Mit einer der Witwen auch nicht, denke ich?« Sie hielt vorsichtig fragend inne.