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»Was ich möchte«, sagte sie leise, »ist, Euch etwas anderes zu geben. Etwas weniger Bedeutendes vielleicht, aber etwas, das Ihr brauchen könnt; etwas, das Euch bei Sinnen hält. Eure Schwester und die Kinder können Euch das nicht geben – doch ich kann es.« Er hörte sie Atem holen, und die Berührung löste sich von seinem Gesicht.

»Ihr habt mir mein Dach über dem Kopf, mein Leben und meinen Sohn geschenkt. Kann ich Euch denn nicht diese Kleinigkeit zurückgeben?«

Er spürte, wie ihm die Tränen hinter den Lidern brannten. Federleicht bewegte sich die Berührung über sein Gesicht hinweg, wischte ihm die Feuchtigkeit aus den Augen, strich ihm die rauhen Haare glatt. Langsam hob er die Arme und streckte sie aus. Sie begab sich in seine Umarmung, genauso schlicht und ohne Umschweife, wie sie den Tisch gedeckt und das Bett gemacht hatte.

»Ich … habe das schon sehr lange nicht mehr getan«, sagte er plötzlich schüchtern.

»Ich auch nicht«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »Aber es wird uns schon wieder einfallen.«

Dritter Teil

Wohl, bin ich dein Gefang’ner

Kapitel 7

Was man schwarz auf weiß hat …

Inverness, 25. Mai 1968

Der Umschlag von Linklater kam mit der Morgenpost.

»Sieh nur, wie dick er ist!«, rief Brianna aus. »Er hat etwas für uns!« Ihre Nasenspitze war rot vor Aufregung.

»Scheint so«, sagte Roger. Äußerlich war er zwar ruhig, doch ich konnte den Puls in der Mulde an seinem Hals schlagen sehen. Er ergriff den dicken braunen Briefumschlag und wiegte ihn einen Moment in der Hand. Dann öffnete er ihn wenig rücksichtsvoll mit dem Daumen und zerrte ein Bündel Fotokopien hervor.

Das Anschreiben auf dem schweren Briefpapier der Universität flatterte heraus. Ich schnappte es vom Boden auf und las es laut vor. Meine Stimme zitterte ein wenig.

»›Lieber Dr. Wakefield‹«, las ich. »›Hiermit nehme ich Bezug auf Ihre Anfrage über die Exekution jakobitischer Offiziere durch den Herzog von Cumberland nach der Schlacht von Culloden. Die wichtigste Quelle für das Zitat in meinem Buch, das Sie ansprechen, war das persönliche Tagebuch eines gewissen Lord Melton, Kommandeur eines Infanterieregiments unter Cumberland zur Zeit von Culloden. Ich habe Fotokopien der relevanten Tagebuchseiten beigefügt; wie Sie sehen werden, ist die Geschichte des Überlebenden, eines gewissen James Fraser, merkwürdig und berührend. Fraser ist keine bedeutende historische Figur und hat nichts mit dem Schwerpunkt meiner eigenen Arbeit zu tun, doch ich habe schon oft darüber nachgedacht, weiter nachzuforschen, in der Hoffnung, sein weiteres Schicksal zu erfahren. Sollten Sie feststellen, dass er den Weg zu seinem Anwesen überlebt hat, würde ich mich freuen, wenn Sie es mir mitteilen würden. Ich habe es immer sehr gehofft, obwohl die Situation, die Melton beschreibt, es in ein unwahrscheinliches Licht rückt. Mit freundlichen Grüßen, Eric Linklater‹

Das Papier raschelte in meiner Hand, und ich legte es sehr vorsichtig auf den Schreibtisch.

»Unwahrscheinlich, hm?«, sagte Brianna, die sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, um Roger über die Schulter zu blicken. »Ha! Er hat es geschafft, wir wissen, dass es so war!«

»Wir glauben, dass es so war«, verbesserte Roger, doch es war nur die Vorsicht des Wissenschaftlers; er grinste genauso breit wie Brianna.

»Möchten Sie Tee oder Kakao zum zweiten Frühstück?« Fionas dunkler Lockenkopf lugte zur Tür des Studierzimmers herein und unterbrach die Erregung. »Es gibt Pfeffernüsse, frisch gebacken.« Mit ihr kam der Duft nach warmem Ingwer in das Studierzimmer und wehte uns verlockend aus ihrer Schürze entgegen.

»Tee, bitte«, sagte Roger im selben Moment, als Brianna sagte: »Oh, Kakao klingt gut!« Mit selbstzufriedener Miene schob Fiona den Teewagen herein, der sowohl mit Teekanne und Teewärmer als auch mit einer Kanne Kakao ausstaffiert war, dazu mit einem Teller frischer Pfeffernüsse.

Ich selbst nahm eine Tasse Tee und ließ mich mit den Seiten aus Meltons Tagebuch auf dem Armsessel nieder. Die fließende Handschrift aus dem achtzehnten Jahrhundert war überraschend deutlich, trotz der archaischen Rechtschreibung, und innerhalb von Minuten befand ich mich in der Enge der Kate von Leanach und stellte mir das Summen der Fliegen vor, die Bewegungen der dicht an dicht gedrängten Männer und den scharfen Geruch des Blutes, das in den Lehmboden sickerte.

»… um der Ehrenschuld meines Bruders Genüge zu tun, blieb mir keine andere Wahl, als Frasers Leben zu verschonen. Daher unterließ ich es, seinen Namen auf die Liste der vor der Kate exekutierten Verräter zu setzen, und ich habe seinen Transport auf sein Heimatanwesen veranlasst. Durch diese Handhabung fühle ich mich weder besonders gnädig Fraser gegenüber noch besonders schuldig, was meine Dienstpflichten gegenüber dem Herzog betrifft, da es angesichts der großen eiternden Wunde an Frasers Bein unwahrscheinlich ist, dass er den Heimweg überleben wird. Dennoch verbietet es mir die Ehre, anders zu handeln, und ich gestehe, dass es mich mit Erleichterung erfüllte zu sehen, wie der Mann lebend vom Feld abtransportiert wurde, während ich mich der traurigen Aufgabe widmete, die Leichen seiner Kameraden beseitigen zu lassen. Ich habe in den vergangenen beiden Tagen so viel Töten gesehen, dass es mich bedrückt.«

Ich legte mir die Blätter auf das Knie und schluckte. »Angesichts der großen eiternden Wunde …« Anders als Roger und Brianna wusste ich, wie ernst eine solche Verletzung gewesen sein musste, ohne Antibiotika, ohne die geringste ernsthafte medizinische Versorgung – nicht einmal die simplen Kräuterumschläge, die einem Highlandheiler damals zur Verfügung standen. Wie lange mochte es gedauert haben, von Culloden in einem Wagen nach Broch Tuarach zu rumpeln? Zwei Tage? Drei? Wie konnte er in einem solchen Zustand überleben, nach so langer Vernachlässigung?

»Aber er hat es geschafft«, unterbrach Briannas Stimme meine Grübeleien und antwortete Roger, der einen ähnlichen Gedanken ausgesprochen zu haben schien. Ihr Ton war schlicht und voller Überzeugung, als hätte sie alles mit eigenen Augen gesehen, was in Meltons Tagebuch beschrieben stand, und sei sich sicher, wie es ausgegangen war. »Er ist nach Hause gekommen. Er war der Dunbonnet, das weiß ich.«

»Der Dunbonnet?« Fiona, die den Kopf tadelnd über meine unberührte Tasse mit jetzt kaltem Tee gebeugt hatte, blickte sich überrascht um. »Ihr habt vom Dunbonnet gehört?«

»Hast du von ihm gehört?« Roger warf einen erstaunten Blick auf die junge Haushälterin.

Sie nickte, während sie meinen Tee beiläufig in die Topfpalme am Kamin kippte und meine Tasse frisch mit dampfender Flüssigkeit füllte.

»Oh, aye. Meine Oma hat mir die Geschichte oft erzählt.«

»Erzähl sie uns!« Brianna beugte sich gebannt vor, den Kakao zwischen den Händen. »Bitte, Fiona! Wie geht die Geschichte?«

Fiona schien etwas überrascht zu sein, sich plötzlich so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sehen, doch sie zuckte gutmütig mit den Schultern.

»Och, es ist nur die Geschichte von einem Gefolgsmann des Bonnie Prince. Als es zu der großen Niederlage in Culloden kam und so viele umgekommen sind, konnten ein paar entfliehen. Ein Mann ist vom Feld geflüchtet und durch den Fluss geschwommen, um zu entwischen, doch die Rotröcke waren immer noch hinter ihm her. Unterwegs kam er an eine Kirche, und innen wurde gerade gepredigt. Er ist hineingerannt und hat den Priester um Gnade gebeten. Der Priester und die Leute hatten Mitleid mit ihm, und er hat die Kutte des Priesters angezogen, und als kurz darauf die Rotröcke hereinplatzten, hat er von der Kanzel gepredigt, die Füße in einer Pfütze aus Wasser, das ihm aus Bart und Kleidern gelaufen war. Die Rotröcke dachten, sie hätten sich geirrt, und sind auf der Straße weitergezogen, und so ist er entkommen – und alle in der Kirche haben gesagt, es wäre die beste Predigt gewesen, die sie je gehört hätten!« Fiona lachte herzhaft, während Brianna die Stirn runzelte und Roger sie verwundert ansah.