Der Regen endete genauso abrupt, wie er begonnen hatte. Vereinzelte Tropfen fielen von den Büschen und Bäumen, und ihr Plätschern hallte in meinen Ohren wider, die noch vom Tosen des Gewitters klingelten. Ein sanfter, frischer Wind kam durch das Bachbett geweht und trug die Schwüle davon, während er mir herrlich kühl die feuchten Locken aus dem Nacken hob. Die Vögel und Insekten begannen zu singen, erst leise, dann in voller Lautstärke, und die Luft schien von grünem Leben erfüllt zu tanzen.
Ich bewegte mich und seufzte, dann richtete ich mich auf und befreite mich aus Jamies Rock.
»Weißt du, Geilie hat mir einen besonderen Stein gezeigt, einen schwarzen Diamanten, den man auch Adamant nennt«, sagte ich. »Sie sagt, es ist ein Stein, den die Alchemisten benutzt haben; er schenkt uns Freude an allen Dingen. Ich glaube, unter dieser Stelle könnte sich ein solcher Stein befinden.«
Jamie lächelte mich an.
»Es würde mich nicht im mindesten überraschen, Sassenach«, sagte er. »Warte, du hast überall Wasser im Gesicht.«
Er griff in seinen Rock, um ein Taschentuch herauszuholen, dann hielt er inne.
»Briannas Bilder«, sagte er plötzlich.
»Oh, ich habe sie ganz vergessen.« Ich grub in meiner Tasche und reichte ihm die Bilder zurück. Er nahm sie und blätterte sie hastig durch, hielt inne, dann ging er sie noch einmal langsamer durch.
»Was ist?«, fragte ich plötzlich alarmiert.
»Es fehlt eins«, sagte er leise. Ich spürte, wie sich eine furchtbare Vorahnung in meiner Magengrube ausbreitete, und die Freude, die ich noch einen Moment zuvor empfunden hatte, begann zu verebben.
»Bist du sicher?«
»Ich kenne sie wie dein Gesicht, Sassenach«, sagte er. »Aye. Ich bin mir sicher. Es ist das Bild am Feuer.«
Ich erinnerte mich gut an dieses Bild; es zeigte Brianna als Erwachsene; sie saß an einem Lagerfeuer auf einem Felsen. Sie hatte die Knie hochgezogen und stützte sich mit den Ellbogen darauf, und sie blickte direkt in die Kamera, ohne diese jedoch zu bemerken. Ihr Gesicht war von flackernden Träumen erfüllt, ihr Haar wurde nach hinten geweht.
»Geilie muss es sich genommen haben. Sie hat die Bilder in deinem Rock gefunden, während ich in der Küche war, und ich habe sie ihr wieder abgenommen. Sie muss es da gestohlen haben.«
»Der Teufel soll sie holen!« Jamie wandte sich abrupt um und blickte zur Straße, seine Augen waren finster vor Wut. Seine Hand lag fest auf den verbleibenden Fotos. »Was will sie damit?«
»Vielleicht ist es ja nur Neugier«, sagte ich, doch das dumpfe Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. »Was könnte sie damit tun? Sie wird es kaum jemandem zeigen – wer kommt schon hierher?«
Wie als Antwort auf diese Frage hob sich plötzlich Jamies Kopf, und er packte meinen Arm, um mich zum Schweigen zu ermahnen. Ein Stück unter uns war eine Windung der Straße durch das wuchernde Grün zu sehen, ein schmales Band aus gelblichem Schlamm, über das sich jetzt ein Reiter plagte, ein schwarzgekleideter Mann, aus dieser Entfernung klein und dunkel wie eine Ameise.
Dann fiel mir ein, was Geilie gesagt hatte. Ich erwarte Besuch. Und später: Dieser Pfaffe hat gesagt, er kommt um vier.
»Es ist ein Priester oder Prediger«, sagte ich. »Sie hat gesagt, dass sie ihn erwartet.«
»Es ist Archie Campbell«, sagte Jamie grimmig. »Was zum Teufel … oder vielleicht sollte ich diesen Ausdruck im Hinblick auf Mistress Duncan lieber nicht benutzen.«
»Vielleicht ist er hier, um sie zu exorzieren«, sagte ich und lachte nervös.
»Dann hat er sich ja etwas vorgenommen.« Die hagere Gestalt verschwand in den Bäumen, doch es dauerte noch mehrere Minuten, bis Jamie darauf vertraute, dass er endgültig an uns vorüber war.
»Was hast du in Bezug auf Ian vor?«, fragte ich, als wir uns wieder auf der Straße befanden.
»Ich werde Hilfe benötigen«, antwortete er schroff. »Ich habe vor, mit Innes und MacLeod und dem Rest der Männer den Fluss hinaufzufahren. Es gibt eine Anlegestelle in der Nähe der Raffinerie. Wir lassen das Boot da, gehen an Land und kümmern uns um Hercule – und um Atlas, falls er vorhat, uns Ärger zu machen. Dann brechen wir den Keller auf, schnappen uns Ian und machen uns wieder davon. In zwei Tagen ist Neumond – ich wünschte, es ginge eher, aber es wird uns vermutlich nicht eher gelingen, ein geeignetes Boot und die nötigen Waffen aufzutreiben.«
»Und mit welchem Geld?«, fragte ich unverblümt. Die Kosten für neue Kleider und Schuhe hatten einen beträchtlichen Teil von Jamies Profit aus dem Verkauf des Guanos aufgezehrt. Der Rest reichte aus, um uns mehrere Wochen zu ernähren, und vermutlich konnte man damit auch für ein oder zwei Tage ein Boot mieten, aber es war nicht genug für den Kauf größerer Mengen von Waffen.
Auf der Insel wurden weder Pistolen noch Schwerter hergestellt; sämtliche Waffen wurden aus Europa importiert und waren demzufolge teuer. Jamie besaß zwar die beiden Pistolen, die Kapitän Raines gehört hatten, doch die Schotten hatten nichts außer ihren Fischmessern und dem einen oder anderen Entermesser – nichts, was für einen bewaffneten Überfall ausgereicht hätte.
Er schnitt eine kleine Grimasse, dann sah er mich von der Seite an.
»Ich muss John um Hilfe bitten«, sagte er schlicht. »Nicht wahr?«
Einen Moment ritt ich schweigend weiter, dann nickte ich zustimmend.
»Ich vermute, das musst du.« Es gefiel mir zwar nicht, aber darum ging es jetzt nicht; es ging um Ians Leben. »Eines nur, Jamie …«
»Aye, ich weiß«, sagte er resigniert. »Du möchtest mitkommen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich lächelnd. »Was ist schließlich, wenn Ian verletzt ist oder krank, oder …«
»Aye, du kannst mitkommen!«, sagte er ziemlich gereizt. »Tu mir nur den einen kleinen Gefallen, Sassenach. Gib dir bitte Mühe, nicht umgebracht oder verstümmelt zu werden, aye? Das schlägt einem Mann aufs Gemüt.«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte ich vorsichtig. Ich trieb mein Pferd dichter an das seine heran, und Seite an Seite ritten wir durch die tropfenden Bäume auf Kingston zu.
Kapitel 61
Das Grinsen des Krokodils
Trotz der Nachtzeit herrschte überraschend viel Verkehr auf dem Fluss. Lawrence Stern, der darauf beharrt hatte, die Expedition zu begleiten, erzählte mir, dass die meisten Plantagen in den Bergen den Fluss als Hauptverbindung nach Kingston und zum Hafen benutzten; entweder gab es gar keine Straßen, oder sie waren grauenvoll und wurden mit jeder Regenzeit aufs Neue von der üppigen Vegetation geschluckt.
Ich hatte damit gerechnet, dass der Fluss verlassen sein würde, aber wir begegneten zwei kleinen Schiffen und einem Lastkahn auf dem Weg ins Tal, während wir uns auf der breiten Wasserstraße flussaufwärts quälten. Der Lastkahn, ein gewaltiger dunkler Umriss, auf dem sich Fässer und Ballen türmten, passierte uns bedrohlich wie ein schwarzer Eisberg. Die Stimmen der Sklaven, die ihn mit Staken antrieben, hallten leise über das Wasser hinweg, während sie sich in einer fremden Sprache unterhielten.
»Es war gütig von Euch mitzukommen, Lawrence«, sagte Jamie. Wir hatten ein kleines, einmastiges offenes Boot, das gerade genug Platz für Jamie, mich, die sechs schottischen Schmuggler und Stern bot. Trotz der drangvollen Enge war ich ebenfalls dankbar für Sterns Gesellschaft; er strahlte ein unerschütterliches Phlegma aus, das unter den Umständen sehr beruhigend wirkte.
»Nun, ich kann nicht leugnen, dass ich neugierig bin«, sagte Stern und wedelte mit der Vorderseite seines Hemds, um seinen verschwitzten Körper abzukühlen. Alles, was ich im Dunklen von ihm sehen konnte, war ein wabernder weißer Fleck. »Ich bin der Dame schließlich bereits begegnet.«