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Der Mann erhob sich heftig gestikulierend und rief einige Befehle. Er sprach zwar kein Englisch, doch es war offensichtlich, worum es ihm ging; der gewaltige Schwanz war noch frei und hieb mit solcher Wucht von rechts nach links, dass er jeden Mann in Reichweite zu Boden geworfen hätte. Angesichts der Kraft, die hinter diesen Bewegungen steckte, konnte ich nur darüber staunen, dass meine Beine nur geprellt waren, nicht gebrochen.

Auf die Befehle ihres Anführers hin näherten sich die Stockträger tänzelnd. Ich konnte spüren, wie sich die beinahe angenehme Taubheit des Schocks über mich stahl, und in diesem Zustand der Unwirklichkeit überraschte es mich eigentlich gar nicht zu sehen, dass der Anführer der Mann namens Ishmael war.

»Huwe!«, sagte er und gestikulierte mit den Handflächen, so dass es keinen Zweifel gab, was er meinte. Zweien der Männer war es gelungen, dem Tier ihre Stangen unter den Bauch zu schieben; ein Dritter zielte jetzt glücklich an dem schlagenden Kopf vorbei und rammte ihm den Stock unter die Brust.

»Huwe!«, sagte Ishmael erneut, und alle drei stemmten sich mit aller Kraft gegen ihre Stangen. Das Reptil flog mit einem klebrigen Platsch! auf den Rücken, wo es heftig um sich schlug, seine Unterseite ein plötzliches weißes Glänzen im Fackelschein.

Die Fackelträger riefen jetzt wieder; der Lärm war ohrenbetäubend. Dann brachte Ishmael sie mit einem Wort zum Schweigen und streckte fordernd die Hand aus. Ich konnte zwar nicht sagen, was für ein Wort er gerufen hatte, aber es hätte auch »Skalpell!« sein können. Der Ton – und das Ergebnis – war der gleiche.

Einer der Fackelträger zog sich hastig das Zuckerrohrmesser aus dem Lendenschurz und drückte es seinem Anführer in die Hand. Ishmael drehte sich um und rammte dem Krokodil die Messerspitze in die Kehle, dort, wo die Schuppen des Kiefers in den Hals übergingen.

Das Blut quoll schwarz im Fackelschein auf. Die Männer traten zurück und blieben in sicherem Abstand stehen. Sie beobachteten den Todeskampf des großen Reptils mit einer Mischung aus Respekt und tiefer Genugtuung. Ishmael richtete sich auf, sein Hemd ein heller Fleck vor dem dunklen Zuckerrohr; anders als die anderen Männer war er bis auf die nackten Füße vollständig bekleidet, und an seinem Gürtel hingen einige kleine Lederbeutel.

Durch eine Laune meines Nervensystems war ich die ganze Zeit stehen geblieben. An diesem Punkt hatten sich die zunehmend drängenden Botschaften meiner Beine zu meinem Gehirn vorgearbeitet, und ich setzte mich plötzlich mit wehenden Röcken in den Matsch.

Diese Bewegung erregte Ishmaels Aufmerksamkeit; sein schmaler Kopf drehte sich in meine Richtung, und seine Augen wurden groß. Die anderen Männer, die das sahen, drehten sich ebenfalls um, und es folgte ein Gewirr ungläubiger Kommentare in mehreren Sprachen.

Ich beachtete sie kaum. Das Krokodil atmete noch immer rasselnd und keuchend. Auch ich rang jetzt nach Atem. Mein Blick war auf den langen, geschuppten Kopf geheftet, dessen Auge mit der geschlitzten Pupille in grünlichem Gold wie ein Turmalin leuchtete, dessen seltsam gleichgültiger Blick ebenso auf mich geheftet zu sein schien. Das Grinsen des Krokodils stand auf dem Kopf, doch es war unverändert da.

Der Schlamm war kühl und glatt unter meiner Wange, schwarz wie der dicke Strom, der sich über die Schuppen der Echse ergoss. Der Ton der Fragen und Bemerkungen war jetzt besorgt, doch ich hörte nicht mehr zu.

Ich war nicht völlig bewusstlos; vage nahm ich schubsende Menschen und flackerndes Licht wahr, dann wurde ich hochgehoben, und jemand hielt mich fest in den Armen. Ich hörte aufgeregte Stimmen, fing aber nur hin und wieder ein Wort auf. Dumpf dachte ich, dass ich ihnen sagen sollte, sie sollten mich hinlegen und zudecken, aber meine Zunge versagte mir den Dienst.

Blätter streiften mein Gesicht; mein Begleiter schob sich achtlos durch das Zuckerrohr; es war, als durchquerte man ein Maisfeld ohne Ähren, das nur aus Stengeln und raschelnden Blättern bestand. Die Männer waren jetzt verstummt; das Rascheln des Feldes übertönte sogar die Schritte.

Als wir die Lichtung vor den Sklavenhütten erreichten, waren mein Seh- und Denkvermögen zurückgekehrt. Ich war zwar bis auf ein paar Kratzer und blaue Flecken unverletzt, hielt es aber nicht für sinnvoll, darauf hinzuweisen. Also hielt ich die Augen weiter geschlossen und ließ mich hängen, während man mich in eine der Hütten trug. Ich kämpfte gegen meine Panik an und hoffte, dass mir ein vernünftiger Plan einfallen würde, ehe ich mich gezwungen sah, offiziell zu erwachen.

Wo zum Teufel waren Jamie und die anderen? Wenn alles gutging – oder schlimmer, wenn nicht –, was würden sie tun, wenn sie am Landeplatz ankamen und mich nicht antrafen, während alles mit Kampfspuren übersät war?

Und was war mit unserem Freund Ishmael? Was im Namen des barmherzigen Gottes machte er hier? Den Koch gab er jedenfalls gerade nicht.

Vor der offenen Tür der Hütte hörte ich Menschen in Feierlaune, und der Geruch eines alkoholischen Getränks – kein Rum, es roch scharf und beißend – kam hereingeschwebt, eine hohe Note im Mief der Hütte, in der es nach Schweiß und gekochten Yamswurzeln roch. Ich öffnete ein Auge einen Spaltbreit und sah, dass die festgetretene Erde Flammen reflektierte. Schatten bewegten sich vor der offenen Tür hin und her; ich konnte nicht gehen, ohne dass man mich sah.

Ich hörte großes Triumphgeschrei, und sämtliche Gestalten verschwanden abrupt in die Richtung, in der ich das Feuer vermutete. Vermutlich sammelten sie sich um das Krokodil, das kopfunter an den Staken der Jäger hängend gleichzeitig mit mir eingetroffen war.

Ich wälzte mich vorsichtig auf die Knie hoch. Konnte ich mich davonstehlen, während sie beschäftigt waren? Wenn ich es bis zum nächsten Zuckerrohrfeld schaffte, war ich mir zwar sicher, dass sie mich nicht finden würden … allerdings war ich mir alles andere als sicher, dass ich im Stockfinsteren den Fluss finden würde.

Sollte ich stattdessen das Haus ansteuern und hoffen, dass ich auf Jamie und seinen Rettungstrupp stoßen würde? Ich erschauerte sacht, als ich an das Haus und die leblose schwarze Gestalt auf dem Boden des Salons dachte. Aber wenn ich weder zum Haus noch zum Boot ging, wie sollte ich sie in einer mondlosen Nacht wie dieser finden?

Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, weil ein Schatten in der Tür vorübergehend das Licht blockierte. Ich riskierte einen Blick, dann fuhr ich kerzengerade zum Sitzen hoch und schrie.

Die Gestalt kam hastig herein und kniete sich neben mein Strohlager.

»Hören auf mit Lärm«, sagte Ishmael. »Bin ich es nur.«

»Natürlich«, sagte ich. Mir brach der kalte Schweiß aus, und ich konnte mein Herz wie einen Schmiedehammer schlagen spüren. »Das habe ich doch gleich gewusst.«

Sie hatten dem Krokodil den Kopf abgetrennt und die Zunge und den Boden der Maulhöhle herausgeschnitten. Er trug den gewaltigen Kopf mit den kalten Augen wie einen Hut, in dessen Tiefen seine eigenen Augen hinter dem Gitter aus Zähnen nur als schwacher Glanz zu sehen waren. Der leere Unterkiefer und die hängenden Kinnbacken verbargen seine untere Gesichtshälfte hinter einer Miene grimmiger Jovialität.

»Egungun hat Euch nicht verletzt?«, fragte er.

»Nein«, sagte ich. »Dank der Hilfe der Männer. Äh … Ihr würdet das nicht vielleicht absetzen?«

Er ignorierte meine Frage und richtete sich in die Hocke auf, während er anscheinend überlegte, was mit mir zu tun war. Ich konnte zwar sein Gesicht nicht sehen, doch jede Kontur seines Körpers drückte tiefste Unentschlossenheit aus.

»Warum Ihr hier?«, fragte er schließlich.

Weil mir nichts Besseres einfiel, erzählte ich es ihm. Wenn er vorgehabt hätte, mir den Schädel einzuschlagen, hätte er es schließlich gleich getan, als ich neben dem Zuckerrohrfeld zusammenbrach.

»Ah«, sagte er, als ich fertig war. Die Schnauze des Reptils nickte sacht in meine Richtung, während er nachdachte. Aus einer Nüster fiel mir ein Tropfen Flüssigkeit auf die bloße Hand. Ich erschauerte und wischte sie mir hastig am Rock ab.