Der Keller unter der Zuckermühle war einigermaßen angenehm ausgestattet gewesen, mit Betten und Nachttöpfen, und abgesehen vom Lärm der Zuckerproduktion am Tage war es dort nicht schlecht gewesen. Dennoch konnte sich keiner der Jungen vorstellen, warum sie dort waren, obwohl sie sich natürlich diverse Möglichkeiten ausdachten, eine unwahrscheinlicher als die andere.
»Und hin und wieder ist ein großer schwarzer Kerl zusammen mit Mrs. Abernathy in den Keller gekommen. Wir haben sie jedes Mal angefleht, uns zu sagen, warum wir dort waren, und ob sie uns denn nicht gehen lassen könnte, um der Barmherzigkeit willen? Aber sie hat nur gelächelt und uns getätschelt und gesagt, wir würden schon sehen. Dann hat sie einen Jungen ausgewählt, und der schwarze Kerl hat ihm die Hand um den Arm gekrallt und ihn mitgenommen.« Ians Stimme klang bestürzt – kein Wunder.
»Sind die Jungen danach zurückgekommen?«, fragte Jamie. Seine Hand tätschelte mich sanft, und ich hob den Arm und drückte sie.
»Nein – zumindest normalerweise nicht. Und das hat uns allen furchtbare Angst gemacht.«
Ian war einige Wochen nach seiner Ankunft an die Reihe gekommen. Inzwischen waren drei Jungen gegangen und nicht zurückgekehrt, und als sich Mistress Abernathys leuchtend grüne Augen auf ihn hefteten, war ihm nicht nach Fügsamkeit zumute gewesen.
»Ich habe den schwarzen Kerl getreten und auf ihn eingeschlagen – ihn sogar in die Hand gebissen«, sagte Ian reumütig. »Es hat ekelhaft geschmeckt; er war am ganzen Körper eingefettet. Aber es war sinnlos; er hat mir nur eine Ohrfeige verpasst, dass mir schwindelig geworden ist, dann hat er mich hochgehoben und mich fortgetragen, als wäre ich ein kleines Kind.«
Sie hatten Ian in die Küche gebracht, wo sie ihn auszogen und badeten, ihm ein sauberes Hemd anzogen – sonst aber nichts – und ihn dann ins Haus brachten.
»Es war gerade dunkel geworden«, sagte er sehnsüchtig, »und in allen Fenstern brannte Licht. Es hat mich so sehr an Lallybroch erinnert, wenn man abends aus den Hügeln kommt, und Mama hat gerade die Lampen angezündet – es hat mir fast das Herz gebrochen, das zu sehen und an zu Hause zu denken.«
Doch er hatte nicht viel Zeit für sein Heimweh gehabt. Hercule – oder Atlas – hatte ihn die Treppe hinauf in ein Zimmer geschoben, das offensichtlich Mrs. Abernathys Schlafzimmer war. Mrs. Abernathy erwartete ihn in einem losen weichen Kleid, das am Saum mit seltsamen Figuren in Rot und Silber bestickt war.
Sie hatte ihn herzlich empfangen und ihm etwas zu trinken angeboten. Es roch merkwürdig, aber nicht unangenehm, und da ihm kaum etwas anderes übriggeblieben war, hatte er es getrunken.
Zwei gemütliche Sessel standen an den Enden eines langen flachen Tischs, und an der Wand ein großes Bett mit einem Himmel wie das eines Königs. Er hatte sich auf den einen Sessel gesetzt, Mrs. Abernathy auf den anderen, und sie hatte ihm Fragen gestellt.
»Was denn für Fragen?«, erkundigte sich Jamie, und da Ian zu zaudern schien, ließ er nicht locker.
»Nun, über mein Zuhause und meine Familie – sie wollte die Namen all meiner Schwestern und Brüder wissen und meiner Tanten und Onkel.« Ich fuhr sacht zusammen. Deshalb hatte Geilie also nicht die geringste Überraschung über unser Auftauchen an den Tag gelegt! »Und alles Mögliche andere, Onkel Jamie. Dann hat sie … hat sie mich gefragt, ob ich schon einmal mit einer Frau geschlafen habe. Einfach so, als würde sie fragen, ob ich zum Frühstück Porridge gegessen habe!« Ian klang jetzt noch schockiert.
»Ich wollte ihr nicht antworten, aber irgendwie konnte ich nicht anders. Mir war furchtbar warm, als hätte ich Fieber, und jede Bewegung fiel mir schwer. Aber ich habe all ihre Fragen beantwortet, und sie hat einfach freundlich dagesessen und mich mit ihren großen grünen Augen beobachtet.«
»Also hast du ihr die Wahrheit gesagt?«
»Aye. Aye, das habe ich«, sagte Ian langsam, während er die Szene erneut durchlebte. »Ich habe ja gesagt und ihr von … von Edinburgh erzählt und von der Druckerei und dem Seemann und dem Bordell und Mary und – alles.«
Zum ersten Mal hatte Geilie auf eine seiner Antworten unzufrieden reagiert. Ihre Miene hatte sich verfinstert, und im ersten Moment hatte Ian ernstlich Angst bekommen. Er hätte versucht zu fliehen, wären seine Beine nicht so schwer gewesen – und wäre der Riese nicht gewesen, der reglos in der Tür stand.
»Sie ist aufgestanden und eine Weile hin und her gestapft, und sie hat gesagt, ich wäre also verdorben, weil ich nicht mehr unberührt wäre, und was würde einem kleinen Jungen wie mir eigentlich einfallen, mich mit Mädchen herumzutreiben und meine Unschuld zu ruinieren?«
Dann hatte sie ihre Strafpredigt beendet, sich ein Glas Wein eingeschenkt und es in einem Zug geleert, und ihre Wut schien sich zu legen.
»Dann hat sie gelacht und mich genau angesehen und gesagt, vielleicht wäre es doch kein so großer Verlust. Ich wäre zwar für ihr Vorhaben nicht mehr zu verwenden, aber vielleicht könnte sie mich anderweitig brauchen.« Ians Stimme klang etwas erstickt, als wäre ihm der Kragen zu eng. Doch Jamie stieß einen tröstenden Fragelaut aus, und er holte tief Luft und fuhr entschlossen fort.
»Nun, sie … sie hat meine Hand genommen, und ich musste aufstehen. Dann hat sie mir das Hemd ausgezogen, und sie – ich schwöre, dass es wahr ist, Onkel Jamie! –, sie hat sich vor mir auf den Boden gekniet und meinen Schwanz in den Mund genommen!«
Jamies Hand legte sich fester um meine Schulter, doch seine Stimme verriet höchstens schwaches Interesse.
»Aye, ich glaube dir, Ian.«
Ian klang bekommen. »Sie hat meinen Schwanz dazu gebracht, sich aufzurichten, und dann musste ich zum Bett gehen und mich hinlegen, und sie hat Dinge getan. Aber es war überhaupt nicht so wie mit der kleinen Mary.«
»Nein, das kann ich mir vorstellen«, sagte sein Onkel trocken.
»Gott, es hat sich seltsam angefühlt!« Ich konnte dem Jungen anhören, dass er erschauerte. »Irgendwann habe ich aufgeblickt, und da stand der schwarze Mann mit einer Kerze direkt neben dem Bett. Sie hat ihm gesagt, er soll sie höher halten, damit sie besser sehen kann.« Er hielt inne, und ich hörte es leise gluckern, als er aus einer der Flaschen trank. Dann atmete er tief und bebend aus.
»Onkel Jamie. Hast du schon einmal … mit einer Frau geschlafen, obwohl du es nicht wolltest?«
Jamie zögerte einen Moment, seine Hand fest auf meiner Schulter, doch dann sagte er leise: »Aye, Ian. Das habe ich.«
»Oh.« Der Junge schwieg, und ich hörte, wie er sich am Kopf kratzte. »Dann weißt du also, wie es sein kann, Onkel Jamie? Dass man es tut, obwohl man es überhaupt nicht will, und man findet es schrecklich, und … und trotzdem fühlt es sich schön an?«
Jamie lachte trocken auf.
»Nun ja, Ian, das liegt daran, dass du ein Gewissen hast und dein Schwanz nicht.« Seine Hand hob sich von meiner Schulter, denn er wandte sich seinem Neffen zu.
»Mach dir keine Gedanken, Ian«, sagte er. »Du konntest es nicht verhindern, und es hat dir vermutlich das Leben gerettet. Die anderen Jungen – die, die nicht in den Keller zurückgekehrt sind –, weißt du, ob sie noch unberührt waren?«
»Also – von einigen weiß ich es mit Sicherheit, denn wir hatten ja viel Zeit, um uns zu unterhalten, aye, und nach einer Weile wussten wir vieles übereinander. Ein paar der Jungen haben damit angegeben, sie hätten schon einmal mit einem Mädchen geschlafen, aber nach dem, was sie darüber erzählt haben, hatte ich das Gefühl, dass es in Wahrheit nicht stimmte.« Er hielt einen Moment inne, als zögerte er, die nächste Frage zu stellen, obwohl er es musste.
»Onkel Jamie – weißt du, was aus ihnen geworden ist? Aus den anderen Jungen, die bei mir waren?«
»Nein, Ian«, sagte Jamie gleichmütig. »Ich habe keine Ahnung.« Er lehnte sich wieder an den Baum und seufzte tief. »Meinst du, du kannst schlafen, Ian? Wenn ja, solltest du es tun, denn der Weg zur Küste wird morgen anstrengend.«