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»Oh, ich kann schlafen, Onkel Jamie«, versicherte ihm Ian. »Aber sollte ich nicht Wache halten? Du bist es, der sich ausruhen sollte; du bist schließlich angeschossen worden.« Er hielt inne, dann fügte er sehr schüchtern hinzu: »Ich habe noch gar nicht danke gesagt, Onkel Jamie.«

Jamie lachte, diesmal ungezwungen.

»Gern geschehen, Junge«, sagte er, und man hörte das Lächeln noch. »Leg dich hin und schlaf, Junge. Ich wecke dich, wenn es nötig ist.«

Ian rollte sich gehorsam zusammen, und innerhalb von Sekunden atmete er schwer. Jamie seufzte und lehnte sich noch fester an den Baum.

»Möchtest du auch schlafen, Jamie?« Ich schob mich neben ihm zum Sitzen hoch. »Ich bin wach; ich kann aufpassen.«

Seine Augen waren geschlossen, das verglühende Feuer tanzte auf seinen Lidern. Er lächelte, ohne sie zu öffnen, und tastete nach meiner Hand.

»Nein. Aber wenn es dir nichts ausmacht, eine Weile mit mir hier zu sitzen, kannst du die Augen offen halten. Die Kopfschmerzen werden besser, wenn ich die Augen schließe.«

Hand in Hand saßen wir eine Weile schweigend da. Hin und wieder drang ein seltsames Geräusch oder der ferne Schrei eines Dschungeltiers aus der Dunkelheit, doch uns schien im Moment nichts zu bedrohen.

»Fahren wir nach Jamaica zurück?«, fragte ich schließlich. »Um Fergus und Marsali zu holen?«

Jamie setzte an, den Kopf zu schütteln, dann hielt er mit einem erstickten Stöhnen inne.

»Nein«, sagte er. »Ich glaube, wir fahren nach Eleuthera. Die Insel gehört den Holländern und ist neutral. Wir können Innes mit Johns Boot zurückschicken, und er kann Fergus ausrichten, dass er zu uns kommen soll. Alles in allem würde ich Jamaica lieber nicht mehr betreten.«

»Nein, das kann ich mir vorstellen.« Ich schwieg einen Moment, dann sagte ich: »Ich frage mich, wie Mr. Willoughby – Yi Tien Cho, meine ich – wohl zurechtkommen wird. Vermutlich werden sie ihn ja nicht finden, wenn er in den Bergen bleibt, aber …«

»Oh, er kommt zurecht«, unterbrach mich Jamie. »Er hat schließlich den Pelikan, der für ihn fischen kann.« Sein Mundwinkel verzog sich zu einem Lächeln. »Wenn er klug ist, schlägt er sich irgendwie nach Süden durch, nach Martinique. Dort gibt es eine kleine Kolonie chinesischer Handelsleute. Ich hatte ihm davon erzählt und ihm gesagt, ich würde ihn hinbringen, wenn wir unser Vorhaben in Jamaica erledigt haben.«

»Du bist ihm nach wie vor nicht böse?« Ich sah ihn neugierig an, doch sein Gesicht war glatt und friedvoll, und im Schein des Feuers wirkte es beinahe faltenlos.

Diesmal achtete er darauf, den Kopf nicht zu bewegen, sondern zog eine Schulter zu einem Achselzucken hoch und schnitt eine Grimasse.

»Och, nein.« Er seufzte und setzte sich bequemer zurecht. »Ich glaube nicht, dass er sich viel dabei gedacht hat oder dass ihm die Konsequenzen klar waren. Und es wäre töricht, einen Menschen zu hassen, weil er einem etwas vorenthält, was er gar nicht besitzt.« Jetzt öffnete er die Augen mit einem schwachen Lächeln, und ich wusste, dass er an John Grey dachte.

Ian zuckte im Schlaf, schnaufte laut und drehte sich mit ausgestreckten Armen auf den Rücken. Jamie richtete den Blick auf seinen Neffen, und sein Lächeln wurde breiter.

»Gott sei Dank«, sagte er. »Er fährt zu seiner Mutter zurück, mit dem ersten Schiff, das Schottland ansteuert.«

»Ich weiß nicht«, sagte ich lächelnd. »Vielleicht möchte er ja nach diesem Abenteuer gar nicht nach Lallybroch zurück.«

»Es ist mir gleichgültig, ob er es möchte oder nicht«, sagte Jamie entschlossen. »Er fährt nach Hause, und wenn ich ihn in einer Kiste verpacken muss. Suchst du etwas, Sassenach?«, fügte er hinzu, als er mich in der Dunkelheit umhertasten sah.

»Ich habe es schon«, sagte ich und zog die flache Schatulle mit den Spritzen aus meiner Tasche. Ich klappte sie auf, um den Inhalt zu prüfen, und blinzelte im schwindenden Licht. »Oh, gut, es ist noch genug für eine anständige Dosis übrig.«

Jamie setzte sich aufrechter hin.

»Ich habe gar kein Fieber«, sagte er und betrachtete mich argwöhnisch. »Und falls du mit dem Gedanken spielst, mir das gemeine Ding in den Kopf zu rammen, vergiss es, Sassenach.«

»Du doch nicht«, sagte ich. »Ian. Es sei denn, du möchtest ihn mit Syphilis und anderen interessanten Geschlechtskrankheiten heim zu Jenny schicken.«

Jamie zog die Augenbrauen bis zu seinem Haaransatz hoch – und zuckte zusammen, weil es schmerzte.

»Au. Syphilis. Meinst du?«

»Ich wäre nicht im Geringsten überrascht. Ausgeprägter Irrsinn zählt zu den Symptomen des fortgeschrittenen Stadiums – obwohl ich sagen muss, dass es in ihrem Fall schwer zu sagen ist. Dennoch, lieber Vorsicht als Reue, hm?«

Jamie prustete belustigt.

»Nun, das wird Ian den Preis des Lotterlebens lehren. Am besten lenke ich Stern ab, während du mit dem Jungen hinter einen Busch gehst, um ihm seine Strafe angedeihen zu lassen; für einen Juden ist Stern zwar ein großer Freigeist, aber er ist neugierig. Ich möchte nicht, dass du doch noch in Kingston auf dem Scheiterhaufen landest.«

»Ich vermute, das wäre peinlich für den Gouverneur«, sagte ich trocken. »Sosehr es ihn vielleicht persönlich freuen würde.«

»Ich glaube nicht, dass es ihn freuen würde, Sassenach«, sagte Jamie genauso trocken. »Hast du meinen Rock in Reichweite?«

»Ja.« Ich fand das zusammengefaltete Kleidungsstück neben mir auf dem Boden und reichte es ihm. »Ist dir kalt?«

»Nein.« Er lehnte sich zurück und legte sich den Rock über die Knie. »Ich hätte nur gern die Kinder bei mir, wenn ich schlafe.« Er lächelte mich an, verschränkte die Hände sacht auf dem Rock mit seinen Bildern und schloss die Augen wieder. »Gute Nacht, Sassenach.«

Kapitel 63

Aus den Tiefen

Gestärkt durch den Schlaf und ein Frühstück aus Zwieback und Kochbananen, machten wir uns am Morgen zuversichtlich auf den Weg zum Strand – selbst Ian, der nach der ersten Viertelmeile aufhörte, demonstrativ zu hinken. Doch als wir den kleinen Engpass durchquerten, der zum Strand führte, erwartete uns ein bemerkenswerter Anblick.

»Großer Gott, sie sind es!«, entfuhr es Ian. »Die Piraten!« Er machte kehrt, um wieder in die Berge zu flüchten, aber Jamie packte ihn am Arm.

»Keine Piraten«, sagte er. »Es sind die Sklaven. Sieh doch!«

Die entflohenen Sklaven vom Yallahs River, die keine Erfahrung mit der Navigation großer Schiffe besaßen, waren offenbar nur langsam und schwerfällig vorangekommen, und kaum, dass sie Hispaniola erreicht hatten, war ihnen das Schiff auf Grund gelaufen. Die Bruja lag im flachen Wasser auf der Seite und hatte sich tief mit dem Kiel in den sandigen Schlamm gebohrt. Sie war von einer Gruppe aufgeregter Sklaven umringt, von denen einige unter lauten Rufen auf dem Strand hin- und herliefen, andere im Laufschritt in den Dschungel flüchteten und einige zurückblieben, um ihren letzten Kameraden von dem gestrandeten Giganten herunterzuhelfen.

Ein rascher Blick in Richtung Meer zeigte uns den Grund für ihre Nervosität. Am Horizont erschien ein weißer Fleck, der vor unseren Augen größer wurde.

»Ein Kriegsschiff«, sagte Lawrence neugierig.

Jamie murmelte etwas auf Gälisch, und Ian warf ihm einen schockierten Blick zu.

»Nichts wie weg«, sagte Jamie knapp. Er zog Ian herum und schubste ihn bergauf, dann packte er meine Hand.

»Wartet!«, sagte Lawrence, der sich eine Hand über die Augen hielt. »Es kommt noch ein Schiff. Ein kleines.«

Die Privatpinasse des Gouverneurs von Jamaica, um genau zu sein, die gefährlich in Schieflage geriet, als sie jetzt um die Kurve in die Bucht geschossen kam, das Segel vom Rückenwind gebläht.

Jamie blieb den Bruchteil einer Sekunde stehen und wägte die Möglichkeiten ab, dann griff er wieder nach meiner Hand.

»Los!«, sagte er.

Als wir die Wasserkante erreichten, kam das Beiboot der Pinasse durch das flache Wasser gepflügt, und Raeburn und MacLeod ruderten, was das Zeug hielt. Ich schnappte keuchend nach Luft, und meine Knie waren weich vom Rennen. Jamie hob mich einfach in seine Arme und rannte in die Brandung, gefolgt von Lawrence und Ian, die wie Wale keuchten.