Jedes Wort war unmöglich – und unnötig. Raeburn, Ian, Meldrum und Lawrence kauerten festgebunden um den Mast; so furchterregend es an Deck auch war, niemand wollte nach unten gehen, um in der Finsternis umhergeworfen zu werden, ohne zu wissen, was oben geschah.
Ich saß mit gespreizten Beinen auf dem Deck, den Mast im Rücken, ein Seil vor meiner Brust. Der Himmel war jetzt auf der einen Seite bleigrau, auf der anderen leuchtend grün, und Blitze schlugen wahllos in die Wasseroberfläche ein, gleißend helle Zacken in der Dunkelheit. Der Wind war so laut, dass wir selbst den Donner nur hin und wieder hören konnten, gedämpft wie das Geräusch von Schiffskanonen in der Ferne.
Dann schlug es neben dem Schiff ein, Blitz und Donner gleichzeitig, so nah, dass ich das Zischen kochenden Wassers im Dröhnen nach dem Donner hören konnte. Ozongeruch hing scharf in der Luft. Innes stand im Gegenlicht, und seine hochgewachsene, dünne Gestalt malte sich so scharf vor dem Blitz ab, dass er aussah wie ein Skelett, schwarze Knochen vor dem Himmel.
Ich war so geblendet, dass es durch die Bewegung eine Sekunde lang so wirkte, als sei er gesund, als sei sein fehlender Arm aus der Geisterwelt gekommen, um sich hier an der Schwelle der Ewigkeit wieder mit ihm zu vereinen.
Oh, de headbone connected to de … neckbone, sang Joe Abernathys Stimme leise in meiner Erinnerung. And de neckbone connected to de … backbone. Plötzlich kam mir eine haarsträubende Vision der verstreuten Gliedmaßen, die ich am Strand neben der Bruja gesehen hatte, als hauchten die Blitze ihnen Leben ein, so dass sie sich wanden und zappelten, um wieder zusammenzukommen.
Dem bones, dem bones, are gonna walk around.
Now, hear de word of de Lawd!
Ein neuer Donnerschlag, und ich schrie, nicht wegen des Lärms, sondern weil mich die Erinnerung traf wie der Blitz. Ein Schädel in meinen Händen, mit leeren Augen, die einst so grün gewesen waren wie der Himmel des Hurrikans.
Jamie rief mir etwas ins Ohr, doch ich konnte ihn nicht hören. Ich konnte nur den Kopf schütteln, sprachlos vor Grauen, und ein Schauder lief über mich hinweg.
Der Wind trocknete nicht nur meine Röcke, sondern auch mein Haar; die Strähnen tanzten auf meinem Kopf und rissen an den Wurzeln. Während es trocknete, spürte ich das Knistern statischer Elektrizität auf meinen Wangen. Plötzlich kam Bewegung in die Seeleute neben mir, und als ich den Kopf hob, sah ich die Spieren und die Takelage in das phosphoreszierende Blau des Elmsfeuers getaucht.
Ein Feuerball fiel auf das Deck und rollte als leuchtendes Wabern auf uns zu. Jamie schlug danach; die Kugel hüpfte grazil in die Luft und rollte über die Reling davon, und es blieb Brandgeruch zurück.
Ich blickte zu Jamie auf, um zu sehen, ob ihm etwas fehlte, und sah sein Haar in Feuer getaucht hinter ihm herwehen wie das eines Dämons. Leuchtendes Blau umhüllte seine Finger, als er sich das Haar aus dem Gesicht strich. Dann senkte er den Blick, sah mich und nahm meine Hand. Bei der Berührung durchfuhr uns beide ein Schlag, doch er ließ nicht los.
Ich konnte nicht sagen, wie lange es dauerte; Stunden oder Tage. Der Wind trocknete unsere Münder aus, und sie wurden klebrig vor Durst. Der Himmel verwandelte sich von Grau zu Schwarz, doch es war nicht zu sagen, ob es Nacht war oder ob nur Regen nahte.
Als der Regen schließlich kam, begrüßten wir ihn freudig. Er kam mit dem triefenden Tosen eines tropischen Schauers, dessen Trommeln selbst den Wind übertönte. Besser noch, es war Hagel, kein Regen; die Hagelkörner prasselten wie Kiesel auf meinen Schädel, doch es kümmerte mich nicht. Ich sammelte die eisigen Kugeln mit beiden Händen ein und schluckte sie halb geschmolzen, ein kühler Segen für meine gequälte Kehle.
Meldrum und MacLeod krochen auf Händen und Füßen über das Deck und schaufelten die Hagelkörner mit den Händen in Eimer und Töpfe, alles, was wasserdicht war.
Zwischendurch schlief ich mit schlackerndem Kopf an Jamies Schulter, und als ich erwachte, brüllte der Wind unverändert. Ich hatte keine Angst mehr; ich wartete nur. Ob wir überlebten oder starben, schien kaum von Bedeutung zu sein, wenn doch nur der furchtbare Lärm aufhörte.
Es war unmöglich, Tag und Nacht auseinanderzuhalten, die Zeit zu bestimmen, solange die Sonne ihr Gesicht nicht zeigte. Hin und wieder schien mir die Dunkelheit ein wenig lichter zu sein, doch ob es Tageslicht oder Mondschein war, konnte ich nicht sagen. Ich schlief und wachte und schlief wieder ein.
Dann schließlich erwachte ich und stellte fest, dass sich der Wind ein wenig beruhigt hatte. Immer noch herrschte hoher Wellengang, und das kleine Boot kippte hin und her wie eine Muschelschale und schleuderte uns mit Übelkeit erregender Regelmäßigkeit auf und ab. Doch der Lärm hatte nachgelassen; ich konnte hören, wie MacGregor Ian zurief, ihm einen Becher Wasser zu reichen. Die Gesichter der Männer waren aufgesprungen und wund, ihre Lippen vom pfeifenden Wind so aufgeplatzt, dass sie bluteten, doch sie lächelten.
»Es ist vorbei«, klang Jamies Stimme leise und heiser in meinem Ohr, vom Wetter verrostet. »Der Sturm ist vorbei.«
So war es; der bleigraue Himmel hatte Lücken, und hier und da blitzte blasses, frisches Blau auf. Ich glaubte, dass es früher Morgen sein musste, kurz nach der Dämmerung, doch ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
Der Hurrikan war zwar verebbt, doch der Wind war immer noch kräftig, und die Strömung des Sturms trug uns mit erstaunlicher Geschwindigkeit voran. Meldrum übernahm das Ruder von Innes, und als er sich bückte, um auf den Kompass zu schauen, stieß er einen überraschten Ausruf aus. Der Kugelblitz, der während des Sturms an Bord gekommen war, hatte zwar niemanden verletzt, doch der Kompass war nur noch eine geschmolzene Masse aus silbernem Metall, obwohl seine hölzerne Fassung völlig unversehrt geblieben war.
»Erstaunlich!«, sagte Lawrence und berührte ihn ehrfürchtig mit dem Finger.
»Aye, und ziemlich unpraktisch«, sagte Innes trocken. Er blickte zu den dahinrasenden Wolkenfetzen empor. »Könnt Ihr gut nach den Gestirnen navigieren, Mr. Stern?«
Nachdem sie ausgiebig in die aufgehende Sonne und die letzten Sterne geblinzelt hatten, kamen Jamie, Innes und Stern zu dem Schluss, dass wir ungefähr in nordöstlicher Richtung unterwegs waren.
»Wir müssen uns nach Westen wenden«, sagte Stern, der sich mit Jamie und Innes über die einfache Karte beugte. »Wir wissen zwar nicht, wo wir sind, doch wenn es hier Land gibt, so kann es nur im Westen liegen.«
Innes nickte und blickte nüchtern auf die Karte, die mit verstreuten Inseln übersät war wie mit grob gemahlenen Pfefferkörnern, die auf dem Wasser der Karibik trieben.
»Aye, so ist es«, sagte er. »Wir fahren jetzt schon Gott weiß wie lange aufs offene Meer hinaus. Das Schiff hat zwar kein Leck, aber sonst lässt sich nicht viel Positives berichten. Was den Mast und die Segel angeht – nun, vielleicht halten sie noch eine Weile.« Er klang ausgesprochen skeptisch. »Aber weiß der Himmel, wo wir auskommen werden.«
Jamie grinste ihn an und tupfte sich einen Tropfen Blut von der aufgeplatzten Lippe.
»Solange es Land ist, Duncan, werde ich nach dem Wo nicht fragen.«
Innes zuckte mit der Augenbraue, ein kleines Lächeln auf den Lippen.
»Aye? Und ich dachte schon, du wärst zum Seemann geworden, Mac Dubh; du bist so munter an Deck. Und du hast in den letzten beiden Tagen nicht ein einziges Mal gekotzt!«
»Ich habe in den letzten beiden Tagen ja auch nichts gegessen«, sagte Jamie ironisch. »Es interessiert mich nicht, ob die Insel, die wir als erste finden, englisch, französisch, spanisch oder holländisch ist, aber ich wäre dir dankbar, wenn du eine Insel mit Essen finden würdest.«