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Innes wischte sich mit der Hand über den Mund und schluckte schmerzhaft; das Wort Essen ließ allen das Wasser in den ausgetrockneten Mündern zusammenlaufen.

»Ich tue, was ich kann, Mac Dubh«, versprach er.

»Land! Es ist Land!« Als der Ruf fünf Tage später endlich kam, war die Stimme so heiser vor Wind und Durst, dass sie nicht mehr als ein schwaches Krächzen war, doch sie war dennoch von Freude erfüllt. Ich stürzte nach oben an Deck, um den hügeligen schwarzen Umriss am Horizont zu betrachten. Er war zwar weit entfernt, doch es war unleugbar Land, solide und deutlich.

»Was glaubt Ihr, wo wir sind?«, versuchte ich zu sagen, doch meine Stimme war so heiser, dass die Worte nur ein leises Flüstern waren, das niemand hörte. Es war gleichgültig; und wenn wir geradewegs auf die Kaserne von Antigua zuhielten; es kümmerte mich nicht.

Die Wellen waren große, glatte Hügel wie Walrücken. Der Wind wehte böig, und Innes rief dem Steuermann zu, den Bug ein Grad mehr in den Wind zu legen.

Ich konnte große Vögel in einer Reihe fliegen sehen, eine stattliche Prozession, die das ferne Ufer überflog. Pelikane, die die Untiefen nach Fischen durchsuchten, und die Sonne glänzte auf ihren Flügeln.

Ich zupfte an Jamies Ärmel und zeigte darauf.

»Sieh nur –«, begann ich, doch weiter kam ich nicht. Ich hörte ein scharfes Krack!, und die Welt explodierte schwarz und brennend. Ich kam im Wasser zu mir. Benommen und halb erstickt schlug ich um mich und ruderte in einer Welt aus dunklem Grün. Irgendetwas war um meine Beine geschlungen und zog mich in die Tiefe.

Ich strampelte wild und versuchte, meine Beine aus der tödlichen Umklammerung zu befreien. Irgendetwas trieb an meinem Kopf vorüber, und ich fasste danach. Holz, herrliches Holz, etwas, woran ich mich im Sog der Wellen festhalten konnte.

Ein dunkler Umriss schoss wie ein Seehund unter der Wasseroberfläche vorüber, und keine zwei Meter weiter kam ein roter Kopf zum Vorschein und schnappte nach Luft.

»Festhalten!«, sagte Jamie. Er war mit zwei Schwimmzügen bei mir, duckte sich unter dem Holzstück hindurch, an dem ich mich festhielt, und tauchte. Ich spürte, wie etwas an meinem Bein zog, wurde von stechendem Schmerz durchbohrt, und dann ließ das Zerren nach. Auf der anderen Seite der Spiere tauchte Jamies Kopf wieder auf. Er packte meine Handgelenke, hing im Wasser und schnappte nach Luft, während wir von der Dünung auf und ab getragen wurden.

Ich konnte das Schiff nirgendwo sehen, war es gesunken? Eine Welle brach sich über meinem Kopf, und Jamie verschwand einen Moment. Ich schüttelte blinzelnd den Kopf, und da war er wieder. Er lächelte mich an, ein brutales, angestrengtes Grinsen, und seine Hände klammerten sich fester um meine Handgelenke.

»Festhalten!«, rasselte er erneut, und ich hielt mich fest. Das Holz war rauh und voller Splitter, doch ich klammerte mich mit aller Kraft daran fest. Wir trieben dahin, halb geblendet von der Gischt, und drehten uns wie ein Stück Treibgut, so dass ich manchmal das ferne Ufer sah, manchmal nichts als das offene Meer, aus dem wir gekommen waren. Und wenn eine Welle über uns hinwegspülte, sah ich nichts als Wasser.

Irgendetwas stimmte nicht mit meinem Bein; es war seltsam taub, nur hin und wieder durchfuhr mich stechender Schmerz. Mir ging eine Vision von Murphys Holzbein und dem Rasiermessergrinsen eines offenen Haifischmauls durch den Kopf; hatte mir eine gezahnte Bestie das Bein geraubt? Ich dachte an meinen kleinen Vorrat warmen Blutes, das dem Stumpf einer abgebissenen Gliedmaße entströmte und sich in die kalte Leere des Meeres ergoss. Panik erfasste mich, und ich versuchte, Jamie meine Hand zu entreißen, um in die Tiefe zu fassen und mich selbst zu überzeugen.

Er fauchte mir etwas Unverständliches zu und klammerte sich eisern an meine Handgelenke. Nach kurzem panischem Paddeln kam ich wieder zur Vernunft, und ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass ich längst das Bewusstsein verloren hätte, wenn mein Bein tatsächlich verschwunden wäre.

Andererseits war ich dabei, das Bewusstsein zu verlieren. Mein Gesichtsfeld wurde an den Rändern grau, und schwebende Leuchtpunkte verdeckten Jamies Gesicht. War ich wirklich im Begriff zu verbluten, oder waren es nur die Kälte und der Schock? Es schien kaum wichtig, dachte ich benommen; es lief auf dasselbe hinaus.

Ein Gefühl von Gelassenheit und großem Frieden stahl sich allmählich über mich. Ich konnte weder meine Beine noch meine Füße spüren, und auch an die Existenz meiner Hände wurde ich nur durch Jamies Klammergriff erinnert. Mein Kopf versank, und ich musste mich daran erinnern, die Luft anzuhalten.

Die Welle verebbte, und das Holz stieg empor, so dass meine Nase aus dem Wasser gehoben wurde. Ich holte Luft, und mein Gesichtsfeld wurde klarer. Dreißig Zentimeter vor mir war Jamie Frasers Gesicht, das Haar an den Kopf geklebt, die nassen Gesichtszüge in der Brandung verzerrt.

»Festhalten!«, brüllte er. »Halt dich fest, verdammt!«

Ich hörte ihn kaum und lächelte sanft. Das Gefühl großen Friedens hob mich hoch und trug mich an einen Ort jenseits von Lärm und Chaos. Es gab keine Schmerzen mehr. Nichts war mehr wichtig. Eine neue Welle spülte über mich hinweg, und diesmal vergaß ich, die Luft anzuhalten.

Das Erstickungsgefühl weckte mich kurz, lange genug, um das Grauen in Jamies Augen aufblitzen zu sehen. Dann wurde mir wieder schwarz vor Augen.

»Verdammt, Sassenach!«, sagte seine Stimme aus großer Entfernung, halb erstickt vor Leidenschaft. »Verdammt! Ich schwöre, wenn du mir jetzt stirbst, bringe ich dich um!«

Ich war tot. Alles ringsum war blendend weiß, und ich hörte leise Engelsflügel rauschen. Ich fühlte mich friedvoll und körperlos, frei von jeder Angst und Wut, von leisem Glück erfüllt. Dann hustete ich.

Ich war doch nicht körperlos. Mein Bein schmerzte. Es schmerzte sogar sehr. Allmählich wurde mir bewusst, dass mich auch noch diverse andere Stellen schmerzten, doch mein linkes Schienbein hatte eindeutig Vorrang. Ich hatte das ausgeprägte Gefühl, dass der Knochen entfernt und durch ein glühendes Schüreisen ersetzt worden war.

Immerhin war das Bein unleugbar noch da. Als ich die Augen einen Spalt öffnete, um nachzusehen, schien die Wolke aus Schmerz, die über meinem Bein hing, beinahe sichtbar zu sein, obwohl das vielleicht nur an meiner allgemeinen Benommenheit lag. Ob nun geistigen oder körperlichen Ursprungs, das Resultat war ein Wirbel aus Weiß, in dem es ab und zu noch heller aufblitzte. Der Anblick schmerzte meine Augen, also schloss ich sie wieder.

»Gott sei Dank, du bist wach!«, sagte eine erleichtert klingende schottische Stimme neben meinem Ohr.

»Nein, das bin ich nicht«, sagte ich. Meine Stimme war ein salzverkrustetes Krächzen, rostig, weil ich Meerwasser geschluckt hatte. Auch in meiner Nase konnte ich Salzwasser spüren, und ein unangenehmes Gurgeln erfüllte meinen Kopf. Ich hustete erneut, und meine Nase begann heftig zu laufen. Dann nieste ich.

»Igitt!«, sagte ich, angewidert von der Schleimspur auf meiner Oberlippe. Meine Hand schien weit entfernt und substanzlos zu sein, doch ich machte mir die Mühe, sie zu heben und mir unbeholfen über das Gesicht zu wischen.

»Halt still, Sassenach; ich kümmere mich darum.« Die Stimme hatte einen deutlich belustigten Unterton, was mich so sehr ärgerte, dass ich die Augen wieder öffnete. Mein Blick fiel kurz auf Jamies Gesicht, ehe mein Gesichtsfeld wieder in den Tiefen eines immensen weißen Taschentuchs verschwand.

Er wischte mir gründlich das Gesicht ab, ohne meine halberstickten Protestlaute zu beachten, dann hielt er mir das Tuch an die Nase.

»Pusten«, sagte er.

Ich tat, was er sagte. Zu meiner großen Überraschung half es. Jetzt, da mein Kopf frei war, konnte ich mehr oder weniger zusammenhängend denken.

Jamie lächelte auf mich herunter. Sein Haar war zerzaust und salzverkrustet, und er hatte eine große Schürfwunde auf der Schläfe, ein aggressives dunkles Rot auf seiner Bronzehaut. Er schien kein Hemd zu tragen, sondern hatte eine Art Decke um die Schultern liegen.