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»Ich kann es nicht sagen, Gavin«, sagte er. »Quarry hat zwar gesagt, er würde dem Neuen von unserer Abmachung erzählen, aber es ist ja gut möglich, dass der es lieber auf seine Weise macht, aye? Sollte man mich aber zu ihm rufen, vergesse ich die Sache mit den Ratten nicht. Doch hat Malcolm darum gebeten, dass sich Morrison die Verletzungen ansehen darf?« Das Gefängnis hatte keinen Arzt; auf Mac Dubhs Bitte hin ließen die Wachen Morrison, der ein kundiger Heiler war, von Zelle zu Zelle gehen, um die Kranken oder Verletzten zu versorgen.

Hayes schüttelte den Kopf. »Er hatte keine Zeit, mehr zu sagen – sie waren auf dem Vorbeimarsch, aye?«

»Am besten schicke ich ihm Morrison«, beschloss Mac Dubh. »Er kann Billy fragen, ob sonst noch etwas im Argen liegt.« Es gab vier Sammelzellen, in denen die Gefangenen in großen Gruppen gehalten wurden; sie kommunizierten mit Hilfe von Morrisons Visiten und wenn sie sich in den Arbeitskolonnen begegneten, die das Gefängnis täglich verließen, um im Steinbruch zu arbeiten oder im nahen Moor Torf zu stechen.

Morrison kam sofort herbei, als man ihn rief, und kassierte vier der präparierten Rattenschädel ein, mit denen die Gefangenen ein Damespiel improvisierten. Mac Dubh griff unter die Bank, auf der er saß, und zog den Stoffbeutel hervor, den er mitnahm, wenn er ins Moor ging.

»Och, doch nicht noch mehr von den verdammten Disteln«, protestierte Morrison, als er sah, wie Mac Dubh die Hand in den Beutel steckte und das Gesicht verzog. »Ich kann sie nicht überreden, das zu essen; sie fragen nur, ob ich sie für Rindviecher halte oder vielleicht für Schweine?«

Mac Dubh legte vorsichtig eine Faust voll welker Stengel auf die Bank und lutschte an seinen zerstochenen Fingern.

»Auf jeden Fall sind sie so stur wie Schweine«, stellte er fest. »Es sind doch nur Mariendisteln. Wie oft muss ich es dir noch sagen, Morrison? Knipst die Distelblüten ab und zerstampft die Stiele und die Blätter, und wenn sie zu stachelig sind, um sie auf ein Stück Zwieback zu legen und zu essen, dann koch Tee daraus, den sollen sie trinken. Sag ihnen, ich habe noch nie ein Schwein gesehen, das Tee trinkt.«

Morrisons zerfurchtes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Er war schon älter und wusste sehr wohl, wie man aufmüpfige Patienten behandelte; er beklagte sich nur einfach gern.

»Aye, nun ja, ich werde sie fragen, ob sie schon einmal eine zahnlose Kuh gesehen haben«, sagte er resigniert und steckte das welke Grün vorsichtig in seinen eigenen Beutel. »Aber vergiss nicht, Joel McCulloch deine Zähne zu zeigen, wenn du ihn das nächste Mal siehst. Er ist der Schlimmste von allen und will nichts davon hören, dass das Grünzeug gegen Skorbut hilft.«

»Sag ihm, ich werde ihn in den Hintern beißen«, versprach Mac Dubh und ließ seine exzellenten Zähne aufblitzen, »wenn ich höre, dass er seine Disteln nicht gegessen hat.«

Morrison stieß den kleinen, belustigten Laut aus, der bei ihm als herzhaftes Lachen durchging, und entfernte sich, um die spärlichen Salben und die wenigen Kräuter zusammenzupacken, die ihm als Arznei zur Verfügung standen.

Mac Dubh entspannte sich einen Moment und ließ den Blick durch die Zelle schweifen, um sicherzugehen, dass sich nirgendwo etwas zusammenbraute. Unter den Männern brodelten einige Familienfehden; erst vor einer Woche hatte er einen Streit zwischen Bobby Sinclair und Edwin Murray geschlichtet, und sie mochten zwar auch jetzt nicht die besten Freunde sein, doch sie gingen sich immerhin aus dem Weg.

Er schloss die Augen. Er war müde; er hatte den ganzen Tag Steine geschleppt. In ein paar Minuten würde es Abendessen geben – eine Schüssel Porridge und etwas Brot für alle; wenn sie Glück hatten, auch etwas Suppe –, und vermutlich würden die meisten Männer bald danach schlafen gehen, so dass ihm ein paar Minuten des Friedens und einer Art Zurückgezogenheit blieben, in denen er niemandem zuhören und nicht das Gefühl haben musste, etwas tun zu müssen.

Bis jetzt hatte er noch gar keine Zeit gehabt, sich Gedanken um den neuen Verwalter zu machen, der doch eine so wichtige Rolle in ihrem Leben spielte. Jung, hatte Hayes gesagt. Das konnte gut sein, oder es konnte schlecht sein.

Ältere Männer, die während des Aufstands Soldaten gewesen waren, hatten oft Vorurteile gegenüber Highlandern – Bogle, der ihn in Eisen gelegt hatte, hatte unter Cope gekämpft. Ein ängstlicher junger Soldat jedoch, der versuchte, Herr über eine unvertraute Aufgabe zu werden, konnte strenger und tyrannischer sein als der mürrischste alte Oberst. Aye, nun ja, vorerst konnte er nichts tun, außer abzuwarten.

Er seufzte und veränderte seine Haltung, denn er wurde – zum zehntausendsten Mal – durch die Eisen beeinträchtigt, die er trug. Er rutschte gereizt hin und her und stieß mit dem Handgelenk an die Kante der Bank. Er war zwar so kräftig, dass ihn das Gewicht der Eisen nicht sonderlich störte, doch sie scheuerten ihm bei der Arbeit die Haut wund. Schlimmer noch war das Unvermögen, die Arme mehr als vierzig Zentimeter auszubreiten; er bekam Krämpfe davon und litt an einem Ziehen tief in den Muskeln von Brust und Rücken, das er nur vergaß, wenn er schlief.

»Mac Dubh«, sagte eine leise Stimme neben ihm. »Ein Wort unter uns, wenn ich darf?« Er öffnete die Augen und sah Ronnie Sutherland neben sich hocken, das spitze Gesicht reglos wie ein Fuchs im schwachen Schein des Feuers.

»Aye, Ronnie, natürlich.« Er schob sich zum Sitzen hoch und verbannte sowohl die Eisen als auch den neuen Verwalter entschlossen aus seinen Gedanken.

Liebste Mutter, schrieb John Grey später in dieser Nacht.

Ich bin sicher auf meinem neuen Posten eingetroffen und finde ihn recht kommod. Oberst Quarry, mein Vorgänger – er ist der Neffe des Herzogs von Clarence, Du erinnerst Dich? –, hat mich willkommen geheißen und mich mit meiner Aufgabe vertraut gemacht. Mir wurde ein ganz hervorragender Bediensteter zur Verfügung gestellt, und es mag zwar zu erwarten sein, dass mir einiges an Schottland zunächst seltsam erscheint, doch ich bin sicher, dass es eine interessante Erfahrung sein wird. Zum Abendessen wurde mir ein Objekt serviert, das nach Auskunft des Stewards »Haggis« genannt wird. Auf mein Nachfragen entpuppte es sich als Magen eines Schafs, gefüllt mit einer Mischung aus gemahlenem Hafer und bis zur Unkenntlichkeit gekochtem Fleisch. Obwohl man mir versichert, dass die Einwohner Schottlands dies Gericht als besondere Delikatesse betrachten, habe ich es in die Küche zurückgeschickt und stattdessen einen einfachen Hammelrücken bestellt. Nachdem ich also meine erste – bescheidene! – Mahlzeit hier zu mir genommen habe, werde ich mich nun wohl erschöpft von der langen Reise – über deren Einzelheiten ich Dich in einem späteren Brief informieren werde – zurückziehen. Auch die weitere Beschreibung meiner Umgebung – mit der ich im Augenblick nur unvollkommen vertraut bin, da es dunkel ist – hebe ich mir für später auf.

Er hielt inne und tippte mit dem Federkiel auf das Löschpapier. Die Spitze hinterließ kleine Tintenpunkte, die er zerstreut durch Linien verband, so dass der Umriss eines gezackten Objektes entstand.

Konnte er es wagen, sich nach George zu erkundigen? Nicht direkt, das würde nicht gehen, aber ein Verweis auf die Familie, indem er fragte, ob seine Mutter in letzter Zeit zufällig Lady Everett begegnet war und ob er sie bitten konnte, ihren Sohn von ihm zu grüßen?

Er seufzte und zeichnete noch einen Zacken an sein Gebilde. Nein. Seine verwitwete Mutter hatte zwar keine Ahnung von dem, was sich abgespielt hatte, doch Lady Everetts Ehemann bewegte sich in militärischen Kreisen. Der Einfluss seines Bruders würde zwar dafür sorgen, dass sich das Gerede auf ein Minimum beschränkte, doch es war dennoch möglich, dass Lord Everett etwas aufschnappte und seine eigenen Schlüsse zog. Ein einziges unüberlegtes Wort über George gegenüber seiner Frau, und Lady Everett würde es seiner Mutter erzählen … und Gräfin Melton war schließlich kein Dummkopf.