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»Es scheint mir kein bedeutender Unterschied zu sein, Major, da Ihr so oder so nichts hören werdet.« Er schloss die Augen und wartete, während er versuchte, so viel Hitze aufzusaugen wie möglich, ehe sie ihn fortbrachten.

Grey wusste weder, was er sagen, noch, was er tun sollte. Das Wort stur trifft es nur unzulänglich, hatte Quarry gesagt. So war es.

Er holte tief Luft und fragte sich, was nun. Die kleinliche Grausamkeit, mit der sich die Wärter gerächt hatten, war ihm peinlich; umso mehr, als er schließlich selbst genau eine solche Handlungsweise in Erwägung gezogen hatte, als er erfuhr, dass Fraser sein Gefangener war.

Jetzt wäre es sein gutes Recht gewesen, den Mann auspeitschen oder wieder in Eisen legen zu lassen. Ihn zur Einzelhaft zu verurteilen, ihm die Rationen zu kürzen – er konnte ihm mit Fug und Recht ein Dutzend verschiedene Bestrafungen angedeihen lassen. Und wenn er es tat, schrumpften die Chancen, das Franzosengold zu finden, auf ein verschwindend kleines Maß zusammen.

Auf jeden Fall existierte das Gold. Zumindest war es sehr wahrscheinlich, dass es existierte. Nur der Glaube an dieses Gold konnte Fraser zu dem bewegt haben, was er getan hatte.

Er betrachtete den Mann. Frasers Augen waren geschlossen, seine Lippen fest aufeinandergepresst. Er hatte einen breiten, kraftvollen Mund, dessen grimmiger Ausdruck von den sinnlichen Lippen Lügen gestraft wurde, die ungeschützt in ihrem Nest aus roten Barthaaren lagen.

Grey hielt inne und versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, was die Mauer aus ausdruckslosem Trotz durchbrechen könnte, die der Mann an den Tag legte. Gewalt würde mehr als nutzlos sein – und nach dem, was die Wachen getan hatten, hätte er sich geschämt, sie anzuordnen, selbst wenn ihm der Sinn nach Brutalität gestanden hätte.

Die Uhr auf dem Kaminsims schlug zehn. Es war spät; in der Festung war nichts zu hören außer den gelegentlichen Schritten des Soldaten, der draußen vor dem Fenster im Innenhof Wache hielt.

Es war klar, dass weder Gewalt noch Drohungen helfen würden, die Wahrheit zu erfahren. Widerstrebend begriff er, dass ihm nur eine Möglichkeit offenstand, wenn er dem Gold weiter nachspüren wollte. Er musste seine Gefühle in den Hintergrund stellen und Quarrys Vorschlag befolgen. Er musste versuchen, eine Bekanntschaft zu knüpfen, in deren Verlauf er dem Mann vielleicht einen Hinweis entlocken konnte, der ihn zu dem verborgenen Schatz führen würde.

Falls er existierte, mahnte er sich und wandte sich seinem Gefangenen zu. Er holte tief Luft.

»Mr. Fraser«, sagte er förmlich. »Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, morgen in meinem Quartier zu Abend zu speisen?«

Immerhin wurde ihm flüchtig die Genugtuung zuteil, den schottischen Schuft verblüfft zu haben. Die blauen Augen öffneten sich weit, dann erlangte Fraser die Herrschaft über sein Gesicht zurück. Er hielt einen Moment inne, dann verbeugte er sich ausladend, als trüge er einen Kilt und ein schwingendes Plaid, keine dampfenden Sträflingslumpen.

»Es wird mir ein Vergnügen sein, Euch Gesellschaft zu leisten, Major«, sagte er.

7. März 1755

Fraser wurde von einem Wärter gebracht und im Wohnraum zurückgelassen, wo ein Tisch gedeckt war. Als Grey einige Augenblicke später durch die Tür seines Schlafzimmers kam, fand er seinen Gast beim Bücherregal vor, wo er in ein Exemplar von Nouvelle Héloise vertieft zu sein schien.

»Ihr interessiert Euch für französische Romane?«, entfuhr es ihm, und er begriff erst, als es zu spät war, wie ungläubig seine Frage klang.

Fraser hob verblüfft den Kopf und schlug das Buch zu, um es sehr bedächtig in das Regal zurückzustellen.

»Ich kann lesen, Major«, sagte er. Er hatte sich rasiert, auf seinen Wangen brannte ein Hauch von Röte.

»Ich – ja, natürlich, ich habe auch nicht gemeint – es ist nur so …« Greys Wangen waren stärker errötet als Frasers. Es war nur so, dass er unbewusst davon ausgegangen war, dass sein Gegenüber nicht las, auch wenn er offenbar gebildet war – und das nur wegen seines Highlandakzents und seiner schäbigen Kleidung.

Sein Rock mochte zwar schäbig sein, doch Frasers Manieren waren es nicht. Ohne Greys verlegene Entschuldigung zu beachten, wandte er sich dem Bücherregal zu.

»Ich habe den Männern die Geschichte erzählt, aber es ist eine Weile her, dass ich sie gelesen habe; ich dachte, ich frische mein Gedächtnis auf, was das Ende betrifft.«

»Ah.« Grey hinderte sich gerade noch selbst daran zu sagen: »Sie verstehen das?«

Offenbar las ihm Fraser die unausgesprochene Frage vom Gesicht ab, denn er sagte trocken: »Alle schottischen Kinder lernen lesen und schreiben, Major. Aber wir haben in den Highlands eine lange Tradition des Erzählens.«

»Ah. Ja. Ich verstehe.«

Das Eintreten seines Bediensteten, der das Essen brachte, rettete ihn vor weiteren Peinlichkeiten, und das Abendessen verstrich ereignislos, obwohl sie nicht viel redeten, und wenn, dann nur über Dinge, die das Gefängnis betrafen.

Beim nächsten Mal hatte er den Schachtisch am Feuer aufstellen lassen und lud Fraser ein, eine Partie mit ihm zu spielen, ehe das Essen aufgetragen wurde. Auf ein kurzes überraschtes Aufblitzen der blauen Katzenaugen war ein zustimmendes Nicken gefolgt.

Das war ein kleiner Geniestreich gewesen, dachte Grey rückblickend. Von der Notwendigkeit befreit, Konversation zu betreiben oder Höflichkeiten auszutauschen, hatten sie sich langsam aneinander gewöhnt, während sie über das eingelegte Brett aus Elfenbein und Ebenholz gebeugt saßen und sich anhand der Bewegungen der Schachfiguren ein Bild vom jeweils anderen machten.

Als sie sich schließlich zum Essen niedergesetzt hatten, waren sie einander nicht mehr völlig fremd, und ihr Gespräch war zwar immer noch förmlich und voller Argwohn, doch es war immerhin ein echtes Gespräch, nicht die unbeholfene Abfolge von Anfängen und Unterbrechungen, die es zuvor gewesen war. Sie unterhielten sich über Dinge, die das Gefängnis betrafen, tauschten sich ein wenig über Bücher aus und trennten sich förmlich, aber freundschaftlich voneinander. Von Gold sagte Grey kein Wort.

Und so wurde es zur wöchentlichen Gepflogenheit. Grey versuchte, seinen Gast in Sicherheit zu wiegen, in der Hoffnung, dass Fraser ihm einen Hinweis auf den Verbleib des Franzosengoldes geben würde. Dazu war es trotz vorsichtigen Nachbohrens bisher nicht gekommen. Jede Andeutung einer Frage, was sich während Frasers dreitägiger Abwesenheit aus Ardsmuir ereignet hatte, wurde schweigend aufgenommen.

Bei Hammel und Salzkartoffeln tat er sein Bestes, seinen seltsamen Gast in ein Gespräch über Frankreich und seine Politik zu verwickeln, um so zu entdecken, ob es vielleicht Verbindungen zwischen Fraser und einer möglichen Goldquelle am französischen Hofe gab.

Zu seiner großen Überraschung erfuhr er, dass Fraser tatsächlich vor dem Stuart-Aufstand fast zwei Jahre in Frankreich gelebt hatte und im Weingeschäft tätig gewesen war.

Ein gewisser kühler Humor in Frasers Augen deutete darauf hin, dass sich der Mann seiner Motive hinter diesen Fragen wohl bewusst war. Gleichzeitig jedoch ließ er sich mit großem Takt auf das Gespräch ein, auch wenn er darauf achtete, die Fragen stets fort von seinem Privatleben und stattdessen auf allgemeinere Themen der Kunst und Gesellschaft zu lenken.

Auch Grey hatte einige Zeit in Paris verbracht, und trotz seiner Versuche, mehr über Frasers französische Verbindungen zu erfahren, stellte er fest, dass ihn das Gespräch an und für sich zu interessieren begann.

»Sagt mir, Mr. Fraser, seid Ihr während Eures Aufenthalts in Paris zufällig mit Monsieur Voltaires dramatischen Werken in Berührung gekommen?«

Fraser lächelte. »Oh, aye, Major. Ich hatte sogar das Privileg, Monsieur Arouet – Voltaire ist sein nom de plume, aye? – mehr als einmal an meinem Tisch zu unterhalten.«

»Tatsächlich?« Grey zog neugierig die Augenbraue hoch. »Und ist er in Person genauso geistreich wie mit dem Stift?«