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»Schlingen? Würdet Ihr dazu nicht Material benötigen, Mr. Fraser?«

»Nur etwas Schnur, Major«, versicherte ihm Jamie. »Ein Dutzend Knäuel, nicht mehr, jeder beliebigen Art von Zwirn oder Schnur, den Rest könnt Ihr uns überlassen.«

Grey rieb sich nachdenklich die Wange, dann nickte er.

»Also schön.« Der Major wandte sich dem kleinen Sekretär zu, zog den Federkiel aus dem Tintenbehälter und machte sich eine Notiz. »Ich werde morgen die entsprechenden Anordnungen erteilen. Nun, was den Rest Eurer Bitten betrifft …«

Eine Viertelstunde später war alles besprochen. Jetzt endlich lehnte sich Jamie zurück, seufzte und trank einen Schluck Sherry. Er fand, dass er ihn sich verdient hatte.

Er hatte nicht nur die Erlaubnis bekommen, Schlingen auszulegen, sondern die Torfstecher durften auch täglich eine halbe Stunde länger arbeiten und den zusätzlichen Torf für ein weiteres kleines Feuer pro Zelle benutzen. Arzneimittel gab es nicht, doch Sutherland durfte eine Nachricht an seine Cousine in Ullapool schicken, deren Mann Apotheker war. Falls der Mann der Cousine bereit war, die Arzneien zu schicken, durften die Gefangenen sie bekommen.

Ein recht anständiges Abendwerk, dachte Jamie. Er trank einen weiteren Schluck Sherry und schloss die Augen, um die Wärme des Feuers auf seiner Wange zu genießen.

Grey beobachtete seinen Gast unter gesenkten Lidern hindurch und sah, wie die breiten Schultern ein wenig zusammensackten und die Anspannung nachließ, nun, da sie alles besprochen hatten. Zumindest dachte Fraser das. Sehr gut, dachte Grey. Ja, trinkt nur Euren Sherry und entspannt Euch. Ich will Euch völlig überrumpeln.

Er beugte sich vor, um nach der Karaffe zu greifen, und spürte Hals Brief in seiner Brusttasche knistern. Sein Herz begann schneller zu schlagen.

»Möchtet Ihr nicht noch einen Tropfen, Mr. Fraser? Und sagt mir – wie geht es Eurer Schwester dieser Tage?«

Er sah, wie Fraser die Augen aufriss und sein Gesicht vor Schreck erbleichte.

»Wie steht es in … Lallybroch nennt man es, nicht wahr?« Grey schob die Karaffe beiseite und hielt den Blick fest auf seinen Gast geheftet.

»Das kann ich nicht sagen, Major.« Frasers Ton war gleichmütig, doch seine Augen hatten sich zu Schlitzen zusammengezogen.

»Nicht? Aber gewiss geht es ihnen doch bestens, dank des Goldes, das Ihr ihnen besorgt habt.«

Die breiten Schultern spannten sich plötzlich an und malten sich unter dem schäbigen Rock ab. Unbesorgt nahm sich Grey eine der Schachfiguren vom Brett und warf sie beiläufig von einer Hand in die andere.

»Ich vermute, Ian – Euer Schwager heißt doch Ian? – wird es gut zu verwenden wissen.«

Fraser hatte sich wieder im Griff. Die dunkelblauen Augen sahen Grey direkt an.

»Da Ihr ja so gut über meine Verwandtschaft informiert seid, Major«, sagte er ruhig, »gehe ich davon aus, dass Euch auch bewusst ist, dass mein Zuhause über hundert Meilen von Ardsmuir entfernt liegt. Vielleicht erklärt Ihr mir ja, wie ich diese Strecke in drei Tagen zweimal zurückgelegt haben soll?«

Greys Blick verharrte auf der Schachfigur, die er müßig von Hand zu Hand rollte. Es war ein Bauer, ein kegelköpfiger kleiner Kämpfer mit einem wilden Gesicht, der aus Walrosselfenbein geschnitzt war.

»Es ist doch möglich, dass Ihr im Moor jemandem begegnet seid, der Eurer Familie die Nachricht von dem Gold – oder das Gold selbst – überbracht hat.«

Fraser prustete.

»Hier im Moor? Wie wahrscheinlich ist es denn, Major, dass ich in diesem Moor zufällig einem Menschen begegne, den ich kenne? Geschweige denn einem Menschen, dem ich eine solche Nachricht anvertrauen würde?« Entschlossen stellte er sein Glas hin. »Ich bin niemandem im Moor begegnet, Major.«

»Und sollte ich Eurem Wort in dieser Hinsicht trauen, Mr. Fraser?« Grey ließ beträchtliche Skepsis in seine Stimme einfließen. Er blickte mit hochgezogenen Augenbrauen auf.

Frasers Wangen erröteten sacht.

»Bis jetzt hat noch niemand Grund gehabt, an meinem Wort zu zweifeln, Major«, sagte er steif.

»Ach nein?« Greys Zorn war nicht komplett gespielt. »Ich glaube, Ihr habt mir Euer Wort gegeben, als ich den Befehl gegeben habe, Euch die Eisen abzunehmen!«

»Und ich habe es gehalten!«

»Ach ja?« Die beiden Männer saßen kerzengerade da und funkelten sich über den Tisch hinweg an.

»Ihr habt mich um drei Dinge gebeten, Major, und ich habe diese Abmachung in jedem Punkt eingehalten!«

Grey schnaubte verächtlich.

»Tatsächlich, Mr. Fraser? Und was, bitte, war es dann, was Euch plötzlich bewogen hat, die Gesellschaft Eurer Kameraden zu verschmähen und Euch mit den Hasen auf dem Moor herumzutreiben? Da Ihr mir ja versichert, dass Ihr sonst niemandem begegnet seid – Ihr mir Euer Wort gebt, dass dies so ist.« Letzteres wurde mit solcher Häme gesprochen, dass Fraser die Farbe ins Gesicht schoss.

Eine seiner kräftigen Hände krümmte sich langsam zur Faust.

»Aye, Major«, sagte er leise. »Ich gebe Euch mein Wort, dass es so ist.« In diesem Moment schien er zu begreifen, dass seine Hand zur Faust geballt war; ganz langsam öffnete er sie und legte die Hand flach auf den Tisch.

»Und was Eure Flucht betrifft?«

»Und was meine Flucht betrifft, Major, habe ich Euch bereits mitgeteilt, dass ich nichts sagen werde.« Fraser atmete langsam aus und lehnte sich zurück, die Augen unter den dichten roten Brauen fest auf Grey geheftet.

»Lasst mich offen sprechen, Mr. Fraser. Ich erweise Euch die Ehre, davon auszugehen, dass Ihr ein Mensch von Vernunft seid.«

»Meine Vernunft weiß die Ehre zu schätzen, Major, das versichere ich Euch.«

Grey hörte die Ironie zwar, doch er reagierte nicht darauf; er hatte jetzt die Oberhand.

»Es ist so, Mr. Fraser, dass es nicht die geringste Rolle spielt, ob Ihr tatsächlich bezüglich des Goldes mit Eurer Familie kommuniziert habt. Ihr hättet es tun können. Diese Möglichkeit allein ist mir Berechtigung genug, einen Trupp Dragoner nach Lallybroch zu entsenden und das Anwesen – gründlich – durchsuchen zu lassen sowie die Mitglieder Eurer Familie festzunehmen und zu verhören.«

Er griff in seine Brusttasche und zog ein Stück Papier hervor. Er faltete es auseinander und las die Namensliste vor.

»Ian Murray – Euer Schwager, richtig? Seine Frau Janet. Das wäre dann natürlich Eure Schwester. Ihre Kinder James – vielleicht nach seinem Onkel benannt?«, er hob flüchtig den Kopf, lange genug, um einen Blick auf Frasers Gesicht zu werfen, dann wandte er sich wieder seiner Liste zu, »Margaret, Katherine, Janet, Michael und Ian. Was für eine Brut«, sagte er in einem abfälligen Ton, der die sechs jüngeren Murrays mit einem Wurf Ferkel gleichsetzte. Er legte die Liste neben der Schachfigur auf den Tisch.

»Die drei größten Kinder sind alt genug, um sie mit ihren Eltern festzunehmen und zu verhören. Solche Verhöre sind häufig sehr unsanft, Mr. Fraser.«

Damit sagte er nicht weniger als die Wahrheit, und Fraser wusste es. Das Gesicht des Gefangenen hatte jede Farbe verloren, und seine kräftigen Knochen malten sich deutlich unter der Haut ab. Er schloss kurz die Augen, dann öffnete er sie.

Grey musste an Quarrys Stimme denken, die sagte: »Wenn Ihr allein mit ihm speist, dreht ihm nicht den Rücken zu.« Seine Nackenhaare sträubten sich flüchtig, doch er beherrschte sich und erwiderte Frasers blauen Blick.

»Was wollt Ihr von mir?« Die Stimme war leise und heiser vor Wut, doch der Schotte saß reglos da, eine Statue aus Zinnober, vom Feuer vergoldet.

Grey holte tief Luft.

»Ich will die Wahrheit«, sagte er leise.

Im Zimmer war nichts zu hören außer dem Knacken und Zischen des Torfs auf dem Kamingitter. Fraser bewegte sich kaum merklich, nicht mehr als ein Zucken seines Fingers an seinem Bein, dann nichts mehr. Mit abgewandtem Kopf saß der Schotte da und blickte in das Feuer, als suchte er dort eine Antwort.

Grey saß schweigend da und wartete. Er konnte es sich leisten zu warten. Schließlich wandte sich Fraser zu ihm zurück.