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»Es gehört Euch, MacKenzie. Nicht wahr?«, wollte Grey wissen. Er entriss dem Korporal den Fetzen und hielt ihn dem jungen Mann vor die Nase. Unter den Schmutzflecken war das Gesicht des Gefangenen weiß. Er hatte die Zähne fest zusammengebissen, und er atmete leise pfeifend heftig durch die Nase.

Grey fixierte den jungen Mann mit einem harten, triumphierenden Blick. Der junge Schotte hatte denselben Kern aus unerbittlichem Hass, den sie alle hatten, doch es war ihm noch nicht gelungen, diese Mauer aus stoischer Gleichgültigkeit darum zu errichten. Grey konnte die wachsende Angst des Jungen spüren; eine Sekunde noch, und er würde brechen.

»Es gehört mir.« Die Stimme war ruhig, beinahe gelangweilt, und sie sprach mit solcher Ausdruckslosigkeit, dass weder MacKenzie noch Grey sie sofort registrierten. Sie standen da und starrten einander an, bis eine große Hand über Angus MacKenzies Schulter hinweggriff und dem Offizier das Stoffstück sanft aus der Hand nahm.

John Grey trat zurück und spürte die Worte wie einen Schlag in die Magengrube. MacKenzie war vergessen, und er hob den Blick um die nötigen Zentimeter, so dass er Jamie Fraser ins Auge blicken konnte.

»Es ist kein Frasertartan«, sagte er und spürte, wie sich die Worte ihren Weg über hölzerne Lippen bahnten. Sein ganzes Gesicht fühlte sich taub an, eine Tatsache, für die er vage dankbar war; zumindest konnte ihn seine Miene nicht vor den Augen der Gefangenen verraten.

Frasers Mund verbreiterte sich ein wenig. Grey hielt den Blick darauf gerichtet, denn er hatte Angst, dem Mann in die dunkelblauen Augen zu sehen.

»Nein, das ist es nicht«, pflichtete ihm Fraser bei. »Es ist MacKenzie. Der Clan meiner Mutter.«

In einer entlegenen Ecke seines Kopfes fügte Grey dem kleinen Tatsachenschatz, den er in der juwelenbesetzten Truhe mit der Aufschrift »Jamie« aufbewahrte, eine weitere winzige Information hinzu – seine Mutter war eine MacKenzie. Er wusste, dass es die Wahrheit war, genauso wie er wusste, dass der Stoff nicht Fraser gehörte.

Er hörte seine Stimme kühl und gefasst sagen: »Der Besitz von Tartanstoffen ist illegal. Ihr kennt natürlich die Strafe?«

Der breite Mund verzog sich zu einem einseitigen Lächeln.

»Ja.«

Unter den Gefangenen kamen Bewegung und Gemurmel auf; es verließ zwar niemand seinen Platz, doch Grey konnte spüren, wie sich ihre Anordnung änderte, als rückten sie tatsächlich dichter an Fraser heran, als umringten und umarmten sie ihn. Der Kreis war durchbrochen und hatte sich neu gebildet, und er stand allein außerhalb. Jamie Fraser war zu den Seinen zurückgekehrt.

Mit großer Willenskraft zwang sich Grey, den Blick von den sanften, glatten Lippen abzuwenden, die von Sonne und Wind ein wenig aufgesprungen waren. Der Blick der Augen darüber war genauso, wie er es befürchtet hatte; nicht angstvoll oder wütend – sondern gleichgültig.

Er winkte einem Wärter zu.

»Ergreift ihn.«

Major John William Grey beugte den Kopf über die Arbeit auf seinem Schreibtisch und unterzeichnete Proviantbestellungen, ohne sie zu sehen. Es kam nur selten vor, dass er so spät am Abend noch arbeitete, doch am Tag war keine Zeit dazu gewesen, und die Papierberge türmten sich. Die Bestellungen mussten in dieser Woche nach London geschickt werden.

»Zweihundert Pfund Weizenmehl«, schrieb er und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, dass die schwarzen Kringel unter seinem Federkiel ordentlich gerieten. Das Problem mit solchen Schreibtischarbeiten war, dass sie zwar seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, nicht aber seinen Verstand, so dass sich die Erinnerungen an den Tag heimlich heranschleichen konnten.

»Sechs Fass Ale, für die Besatzung.« Er legte den Federkiel hin und rieb sich energisch die Hände. Auch jetzt noch konnte er die Kälte spüren, die ihm am Morgen auf dem Hof bis ins Mark gekrochen war. Im Kamin brannte zwar ein heißes Feuer, doch das schien nicht zu helfen. Er ging nicht dichter heran; das hatte er bereits versucht und dann wie gebannt dagestanden, weil er die Bilder des Mittags in den Flammen sah. Er war erst aufgeschreckt, als der Stoff seiner Hose zu schmoren begann.

Er ergriff den Federkiel und versuchte erneut, den Anblick des Innenhofs aus seinem Kopf zu verbannen.

Es war besser, den Vollzug solcher Strafen nicht hinauszuzögern; die Gefangenen wurden im Vorfeld nur unruhig und nervös, und es wurde ausgesprochen schwierig, sie zu kontrollieren. Auf der Stelle vollzogen, zeigten solche Disziplinarstrafen jedoch oft eine heilsame Wirkung, weil sie den Gefangenen zeigten, dass die Vergeltung schnell und unbarmherzig erfolgen würde, und weil sie ihren Respekt gegenüber der Wachmannschaft vergrößerten. Irgendwie hatte John Grey den Verdacht, dass dieser Anlass jedoch den Respekt seiner Gefangenen nicht sehr vergrößert hatte – zumindest nicht ihm gegenüber.

Er hatte nicht viel mehr empfunden als das Tröpfeln des Eiswassers in seinen Adern, als er seine Befehle erteilt hatte, zügig und gefasst, und sie waren mit gebührender Kompetenz befolgt worden.

Man hatte die Gefangenen in Reihen an den vier Seiten des Innenhofs aufmarschieren lassen, und die Wärter hatten ihnen in kürzeren Reihen gegenübergestanden, die Bajonette aufgepflanzt, um jeden unziemlichen Ausbruch zu verhindern.

Doch es hatte keinerlei Ausbruch gegeben. Kalt und schweigend hatten die Gefangenen im Nieselregen gewartet, der die Steine auf dem Hof benetzte; es war kaum etwas anderes zu hören gewesen als das normale Husten und Räuspern einer ganz normalen Menschenansammlung. Der Winter stand vor der Tür, und in den Quartieren der Soldaten grassierten Husten und Schnupfen genauso wie in den feuchten Zellen.

Er hatte reglos dagestanden, die Hände im Rücken verschränkt, und zugesehen, wie man den Gefangenen auf die Plattform zuführte. Hatte gespürt, wie ihm der Regen in die Schultern seines Rocks sickerte und ihm in kleinen Rinnsalen am Hemdkragen hinunterlief, während er beobachtete, wie Jamie Fraser einen Meter vor ihm auf die Plattform trat und sich bis zur Taille entkleidete, ohne Hast und ohne Zögern, als sei das etwas, was er nicht zum ersten Mal tat, etwas, was er gewohnt war und was eigentlich nicht von Bedeutung war.

Er hatte den beiden Privatgefreiten zugenickt, die die widerstandslosen Hände des Gefangenen ergriffen und erhoben hatten, um sie an die Querbalken des Pfostens zu binden. Sie knebelten ihn, und Fraser stand aufrecht da, während ihm der Regen über die erhobenen Arme und die tiefe Furche seines Rückgrats lief, bis er in den dünnen Stoff seiner Kniehose drang.

Ein weiteres Nicken in Richtung des Sergeants, der die Anklageschrift in der Hand hielt, und eine Spur von Verärgerung, weil die Bewegung eine Regenkaskade auslöste, die sich von einer Seite seines Huts ergoss. Er rückte sich den Hut und die durchnässte Perücke gerade und nahm seine Haltung als Autoritätsperson wieder ein, um die Verlesung von Klage und Strafe zu hören.

»… in Zuwiderhandlung gegen den Diskilting Act des Parlaments Seiner Majestät, für welches Verbrechen die Strafe von sechzig Hieben verhängt werden soll.«

Grey richtete den Blick in dienstlicher Gleichgültigkeit auf den Sergeanten, der die Aufgabe hatte, die Bestrafung durchzuführen; dies war für keinen von ihnen das erste Mal. Diesmal nickte er nicht; es regnete immer noch. Stattdessen schloss er halb die Augen, während er die üblichen Worte sprach:

»Mr. Fraser; Ihr empfangt nun Eure Strafe.«

Und er stand da, Augen geradeaus, und sah zu, und hörte das Klatschen der landenden Riemen und den grunzenden Atem des Gefangenen, der sich mit jedem Hieb an dem Knebel vorbeizwängte.

Die Muskeln des Mannes spannten sich an, um dem Schmerz zu trotzen. Wieder und wieder, bis sich jeder einzelne Muskel hart unter der Haut abmalte. Auch seine eigenen Muskeln schmerzten vor Anspannung, und er trat unauffällig von einem Bein auf das andere, während die monotone Brutalität ihren Lauf nahm. Dünne rote Rinnsale liefen am Rückgrat des Gefangenen entlang, Blut mit Wasser vermischt, und färbten den Stoff seiner Hose.