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Lange Zeit sagte sie nichts. Ihr Blick heftete sich auf Brianna und verweilte einen Moment, dann kehrte er zu Rogers Gesicht zurück.

»Ja«, sagte sie, ein Flüstern, so leise, dass er sie kaum hören konnte. »Ja. Finde es für mich heraus. Bitte. Finde es heraus.«

Kapitel 3

Frank und frei

Inverness, 9. Mai 1968

Die Brücke über den Ness war voller Fußgänger, die nach Hause zum Abendessen strömten. Roger ging voraus, und seine breiten Schultern schützten mich vor den Remplern der Menge ringsum.

Ich konnte mein Herz heftig gegen den Umschlag des Buches schlagen spüren, das ich an meine Brust geklammert hielt. Ich bekam jedes Mal Herzklopfen, wenn ich innehielt, um darüber nachzudenken, was wir hier tatsächlich taten. Ich war mir nicht sicher, welche der möglichen Alternativen schlimmer war; herauszufinden, dass Jamie in Culloden gestorben war, oder herauszufinden, dass es nicht so war.

Die Bohlen der Brücke hallten unter unseren Füßen wider, als wir nun zum Pfarrhaus zurückstapften. Vom Gewicht der Bücher taten mir die Arme weh, und ich verlagerte sie auf die andere Seite.

»Pass auf mit dem verdammten Rad, Mann!«, rief Roger und schubste mich geschickt zur Seite, als ein Arbeiter auf dem Fahrrad mit gesenktem Kopf durch den Verkehr auf der Brücke pflügte und mich dabei um ein Haar gegen die Reling stieß.

»’tschuldigung«, rief er und winkte hinter sich, während sich sein Rad zwischen zwei Gruppen von Schulkindern auf dem Heimweg zum Tee hindurchschlängelte. Ich warf einen Blick über die Brücke, um zu sehen, ob Brianna irgendwo hinter uns war, doch es war nichts von ihr zu sehen.

Roger und ich hatten den Nachmittag bei der Gesellschaft zur Erhaltung historischer Antiquitäten verbracht. Brianna war zum Informationsbüro der Highlandclans gegangen, um dort eine Liste von Dokumenten zu fotokopieren, die Roger zusammengestellt hatte.

»Es ist wirklich nett, dass du dir solche Mühe machst, Roger«, sagte ich und hob die Stimme, um im Widerhall der Brücke und dem Rauschen des Flusses gehört zu werden.

»Keine Ursache«, sagte er etwas verlegen und blieb stehen, damit ich ihn einholen konnte. »Ich bin neugierig«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. »Du weißt doch, wie Historiker sind – können die Finger nicht von solchen Rätseln lassen.« Er schüttelte den Kopf und versuchte, sich das vom Wind zerzauste Haar aus den Augen zu streichen, ohne die Hände zu benutzen.

Ich wusste in der Tat, wie Historiker sind. Ich hatte zwanzig Jahre mit einem zusammengelebt. Auch Frank hatte die Finger nicht von genau diesem Rätsel lassen können. Allerdings war er auch nicht darauf erpicht gewesen, es zu lösen. Doch Frank war seit zwei Jahren tot, und jetzt war ich an der Reihe – ich und Brianna.

»Hast du schon von Dr. Linklater gehört?«, fragte ich, als wir das Ende der Brücke erreichten. Es war zwar schon später Nachmittag, doch so weit im Norden stand die Sonne noch hoch am Himmel. Sie fing sich im Laub der Linden am Flussufer und leuchtete rötlich auf dem Granit des Gedenksteins am Fuß der Brücke.

Roger schüttelte den Kopf und kniff die Augen gegen den Wind zusammen. »Nein, aber ich habe ihm ja erst vor einer Woche geschrieben. Wenn ich bis Montag nichts höre, versuche ich, ihn anzurufen. Keine Sorge«, er lächelte mich von der Seite an, »ich habe mich ganz vorsichtig ausgedrückt. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich – falls vorhanden – für eine Studie, die ich durchführe, eine Liste der jakobitischen Offiziere benötige, die nach der Schlacht Culloden in der Kate von Leanach waren, und ihn gefragt, ob er mir seine Primärquellen nennt, falls es Informationen über den Überlebenden dieser Exekution gibt?«

»Kennst du Linklater persönlich?«, fragte ich und entlastete meinen linken Arm, indem ich mir die Bücher seitlich auf die Hüfte stemmte.

»Nein, aber ich habe einen Briefbogen des Balliol College für meine Anfrage benutzt und eine taktvolle Anspielung auf Mr. Cheesewright einfließen lassen, meinen ehemaligen Tutor, und der kennt Linklater.« Roger zwinkerte mir mit einem Auge beruhigend zu, und ich lachte.

Seine Augen waren leuchtend grün und glitzerten mir aus einem braunen Gesicht entgegen. Er mochte ja behaupten, dass er uns nur aus Neugier half, Jamies Geschichte herauszufinden, aber mir war sehr wohl bewusst, dass sein Interesse um einiges tiefer ging – in Briannas Richtung. Außerdem wusste ich, dass das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. Was ich nicht wusste, war, ob Roger das ebenfalls klar war.

Im Studierzimmer des verstorbenen Reverends ließ ich den Arm voller Bücher erleichtert auf den Schreibtisch fallen und sank in den Ohrensessel am Kamin, während Roger ein Glas Limonade aus der Pfarrhausküche holen ging.

Meine Atmung verlangsamte sich zwar, während ich an der bitteren Süße nippte, doch mein Pulsschlag blieb unruhig, als mein Blick über den gewaltigen Bücherstapel schweifte, den wir mitgebracht hatten. War Jamie dort irgendwo? Und wenn es so war … Meine Hände wurden feucht auf dem kalten Glas, und ich würgte den Gedanken ab. Nicht zu weit in die Zukunft blicken, mahnte ich mich zur Vernunft. Besser erst einmal abwarten und sehen, was wir finden mochten.

Rogers Blick suchte die Regale im Studierzimmer nach weiteren möglichen Quellen ab. Reverend Wakefield, Rogers verstorbener Adoptivvater, war sowohl ein guter Amateurhistoriker als auch ein Mensch gewesen, der nichts wegwerfen konnte; Briefe, Tagebücher, Pamphlete und Flugblätter, antike und zeitgenössische Bücher – alles drängte sich Seite an Seite auf den Regalen.

Roger zögerte, dann fiel seine Hand auf einen Stapel Bücher, die neben ihm auf einem Tisch lagen. Es waren Franks Bücher – eine eindrucksvolle Leistung, soweit ich das anhand der Lobeshymnen auf den Schutzumschlägen beurteilen konnte.

»Hast du das hier je gelesen?«, fragte er und ergriff den Band mit dem Titel Die Jakobiten.

»Nein«, sagte ich. Ich trank einen stärkenden Schluck Limonade und hustete. »Nein«, wiederholte ich. »Ich konnte es nicht.« Nach meiner Rückkehr hatte ich mich entschlossen geweigert, mich mit irgendwelchem Material zu befassen, das mit Schottlands Vergangenheit zu tun hatte, obwohl das achtzehnte Jahrhundert eins von Franks Spezialgebieten gewesen war. Angesichts der Gewissheit, dass Jamie tot war, und der Notwendigkeit, ohne ihn leben zu müssen, hatte ich alles vermieden, was mich an ihn erinnert hätte. Ein nutzloses Unterfangen – es war unmöglich, nicht an ihn erinnert zu werden, wo ihn mir doch Briannas Existenz tagtäglich vor Augen hielt –, doch ich konnte einfach keine Bücher über den Bonnie Prince – diesen schrecklichen, nichtsnutzigen jungen Mann – oder seine Anhänger lesen.

»Ich verstehe. Ich dachte nur, du wüsstest vielleicht, ob hier etwas Brauchbares steht.« Roger hielt inne, und die Röte auf seinen Wangen nahm zu. »War … äh, war dein Mann … Frank, meine ich«, fügte er hastig hinzu. »Hast du ihm erzählt … äh … was …« Er verstummte, weil ihm Verlegenheit die Stimme raubte.

»Aber natürlich habe ich das!«, sagte ich etwas scharf. »Was dachtest du denn – dass ich nach dreijähriger Abwesenheit einfach in sein Büro spaziert bin und gesagt habe: ›Oh, hallo, Schatz, was hättest du heute gern zum Abendessen?‹«

»Nein, natürlich nicht«, murmelte Roger. Er wandte sich ab, den Blick auf die Regale gerichtet. Sein Nacken war rot vor Verlegenheit.

»Entschuldige«, sagte ich und holte tief Luft. »Die Frage ist ja berechtigt. Es ist nur … selbst heute noch ein wunder Punkt.« Ein ziemlich wunder Punkt. Ich war gleichermaßen überrascht und entgeistert festzustellen, wie sehr es immer noch schmerzte. Ich stellte das Glas neben mir auf den Tisch. Wenn wir dieses Gespräch fortsetzen wollten, würde ich etwas Stärkeres als Limonade brauchen.

»Ja«, sagte ich. »Ich habe es ihm erzählt. Alles über die Steine – über Jamie. Alles.«