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Ich strebte schleunigst auf die hoffnungsvolle kleine Gruppe zu, der noch ein Jockey fehlte, und sah zehn Meter entfernt Henri Nanterre.

Kapitel 5

Er stand bei einer anderen Eigner-Trainer-Jockey-Gruppe und blickte zu mir herüber, als hätte er auch beobachtet.

So unwillkommen er auch war, ich mußte den Gedanken an ihn zurückstellen, wegen der aufgeregten Fragen des dicken, enthusiastischen Besitzerehepaars, dessen Träume ich in den nächsten zehn Minuten wahrmachen sollte; und die Prinzessin war hoffentlich ohnehin wohlbehütet auf der Tribüne.

Der Traum, denn so hieß das Pferd, hatte auf der Flachen gesiegt und debütierte nun über die Hürden. Er erwies sich in der Tat als schnell, aber vom Springen hatte er noch nichts begriffen: Er streifte die ersten drei Hürden unheilschwanger und setzte seine Hufe mitten in die vierte, und das war das Ende unseres gemeinsamen Weges. Der Traum galoppierte in panischer Flucht davon, ich raffte mich unbeschädigt aus dem Gras auf und wartete ergeben auf ein Auto, das mich abholen käme. Man mußte bei jedem zehnten oder elften Rennen auf einen Sturz gefaßt sein, und meistens gingen sie so glimpflich ab wie dieser, allenfalls mit einem Bluterguß. Die bösen kamen vielleicht zweimal im Jahr, immer unerwartet.

Ich ließ mich vom Arzt abklopfen, wie das nach jedem Sturz geboten war, und während ich mich für das nächste

Rennen umzog, fand ich Zeit, mit dem Jockey aus der Gruppe bei Nanterre zu reden: Jamie Fingall, langjähriger Kollege, einer aus dem großen Verein.

«Franzose mit Hakennase? Ach, na ja, der Alte hat ihn vorgestellt, aber ich hab nicht weiter drauf geachtet. Hat Pferde in Frankreich oder so was.«

«Hm… War er bei deinem Chef oder bei den Besitzern?«

«Bei den Besitzern, aber mir kam es vor, als wollte der Alte den Franzmann dazu kriegen, daß er ihm ein Pferd rüberschickt.«

«Gut, danke.«

«Keine Ursache.«

Jamie Fingalls Chef, Basil Clutter, trainierte in Lambourn, etwa anderthalb Kilometer von meinem Haus entfernt, aber vor dem nächsten Lauf, dem 3-Meilen-Jagdrennen, blieb keine Zeit, ihn zu suchen, und danach mußte ich mich wieder umziehen und mich mit der Prinzessin im Führring treffen, wo Kinley bereits umherstolzierte.

Wie vorher war sie gut bewacht und schien beinahe Spaß daran zu haben, und ich zauderte, ob ich sie mit Neuigkeiten über Nanterre beunruhigen sollte oder nicht. Schließlich sagte ich nur zu Thomas:»Der Frosch ist hier. Bleiben Sie dicht bei ihr«, und er reckte kurz den Daumen und sah entschlossen drein. Thomas mit entschlossener Miene, dachte ich, hätte Attila den Hunnen vertrieben.

Kinley entschädigte für einen sonst miserablen Nachmittag und riß mich aus dem Stimmungstief in schwindelnde Höhen.

Der Kontakt zwischen uns, fast augenblicklich hergestellt bei seinem ersten Hürdenrennen im November, hatte sich in drei darauffolgenden Starts vertieft, so daß er im

Februar jeweils schon vorher zu wissen schien, was ich von ihm wollte, genau wie ich wußte, was er wollte, bevor er es tat. Das Ergebnis war Rennreiten in feinster Ausprägung, eine unerklärliche Synthese auf einer primitiven Ebene und zweifellos geteilte Freude.

Kinley nahm Hürden mit einem Elan, der mich, als ich damit Bekanntschaft schloß, fast aus dem Sattel geworfen hätte, und obwohl ich seitdem wußte, was passieren würde, überraschte es mich immer noch. An der ersten Hürde blieb mir wie üblich der Atem stehen, und am Ende schätzte ich, daß wir glatte zwanzig Längen in der Luft herausgeholt hatten. Er siegte mühelos und locker, und ich hoffte, Wykeham, der es im Fernsehen sah, würde es als» anständigen Ritt «einstufen und mir Cascade verzeihen. Maynard Allardeck, dachte ich grimmig, als ich Kinley den Weg zum Sattelplatz hinaufführte, konnte diesmal nicht das geringste zu bekritteln haben; und mir wurde klar, daß er zusammen mit Kinley und Nanterre mich wenigstens davon abgehalten hatte, über Botticelli, Tizian und Raphael zu grübeln.

Die Prinzessin hatte sprühendsten Glanz in ihren blauen Augen, einen Blick, als wären Pistolen nie erfunden worden. Ich glitt aus dem Sattel, und wir lächelten in gemeinsamer Siegesfreude, und ich hielt mich zurück, sonst hätte ich sie umarmt.

«Er ist bereit für Cheltenham«, sie streckte eine behandschuhte Hand aus, um das dunkle Haarkleid zu tätscheln.»Er ist so gut wie Sir Ken.«

Sir Ken war ein Superstar der fünfziger Jahre gewesen, Sieger in zahlreichen hochdotierten Hürdenrennen, dreimal Bester seines Jahrgangs. Ein Pferd wie Sir Ken zu besitzen war für viele, die ihn erlebt hatten, das Allergrößte, und die Prinzessin, für die das zutraf, hatte schon oft von ihm gesprochen.

«Er hat noch viel vor sich«, sagte ich und schnallte die Gurte los.»Er ist noch so jung.«

«O ja«, strahlte sie.»Aber…«Sie stockte plötzlich, mit einem Laut des Erstaunens. Ich sah, wie sie die Augen aufriß, als sie mir entsetzt über die rechte Schulter blickte, und ich schnellte herum, um zu sehen, was dort war.

Henri Nanterre stand da und starrte sie an.

Ich stand zwischen ihnen. Thomas und die Freunde waren hinter ihr, mehr damit beschäftigt, Kinleys sorglosen Hufen auszuweichen als ihren Schützling am sichersten und öffentlichsten aller Orte zu bewachen.

Henri Nanterre lenkte kurz den Blick auf mein Gesicht und glotzte mich dann entgeistert mit offenem Mund an.

Vorhin im Führring hatte ich angenommen, da er mich beobachtete, hätte er gemerkt, wer ich war, aber in dieser Sekunde wurde mir klar, daß er mich einfach als den Jok-key der Prinzessin betrachtet hatte. Er war offenbar verblüfft, in mir den Mann von gestern abend wiederzuerkennen.

«Sie sind doch…«sagte er, ausnahmsweise um laute Sprüche verlegen.»Sie.«

«Ganz recht«, sagte ich.»Was wollen Sie?«

Er erholte sich mit zuschnappendem Mund von seiner Überraschung, sah die Prinzessin aus schmalen Augenschlitzen an und sagte deutlich:»Jockeys können Unfälle haben.«

«Das können auch Leute, die Pistolen tragen«, parierte ich.»War es das, was Sie uns mitteilen wollten?«

Anscheinend war es das wirklich, mehr oder weniger.

«Gehen Sie«, sagte ich, fast so, wie er es mir gestern in der Loge gesagt hatte, und zu meiner größten Verwunderung ging er.

«He«, meinte Thomas aufgeregt,»das war. das war doch… oder nicht?«

«Ja, das war er«, sagte ich und schlang die Gurte um meinen Sattel.»Jetzt wissen Sie, wie er aussieht.«

«Madam!«sagte Thomas zerknirscht.»Wo ist er hergekommen?«

«Ich hab’s nicht gesehen«, antwortete sie ein wenig atemlos.»Auf einmal war er da.«

«Der Kerl bewegt sich wie ein Aal«, meinte einer ihrer Bekannten, und tatsächlich hatte sein Abgang eine gleitende Schnelligkeit gehabt.

«Nun, meine Lieben«, sagte die Prinzessin etwas unsicher lachend zu ihren Freunden,»gehen wir rauf und feiern diesen herrlichen Sieg. Und Sie, Kit, kommen bitte auch bald.«

«Ja, Prinzessin.«

Ich ließ mich zurückwiegen, und da es mein letzter Ritt für heute gewesen war, zog ich Straßenkleidung an. Danach machte ich einen Umweg über die Sattelboxen, weil Jamie zu mir gesagt hatte, dort würde Basil Clutter sein, um seinen Starter für den letzten Wettbewerb zu satteln.

Trainer haben an solchen Orten niemals Muße zum Reden, aber er brachte widerstrebend eine oder zwei Antworten heraus, während er Bleidecke, Nummerndecke und Sattel auf den Rücken seines unruhigen Schützlings legte.

«Franzose? Nanterre, ja. Hat Pferde in Frankreich, ausgebildet von Villon. Irgendein Industrieller. Wo er wohnt? Wie soll ich das wissen? Fragen Sie die Roquevilles, mit denen ist er gekommen. Die Roquevilles? Also, löchern Sie mich jetzt nicht. Rufen Sie mich heute abend an, ja?«