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«Nun«, meinte ich nachdenklich,»nachdem Sie’s mir gesagt haben, wüßte ich auch, wie es geht.«

«Ja, aber wohlgemerkt, es kommt auf die Stelle ebenso wie auf den Winkel an. Man muß direkt auf den Punkt zielen, wo Rückgrat und Hirn zusammentreffen. Dann tritt die Wirkung sofort ein, und wie Sie sehen können, fließt kein Blut.«

«Und das Pferd steht einfach still«, fragte ich ironisch,»während es das alles über sich ergehen läßt?«

«Die meisten ja, seltsamerweise. Ich habe mir aber sagen lassen, daß es für kleinere Leute trotzdem schwierig ist, die Hand im richtigen Winkel in die richtige Höhe zu bringen.«

«Ja, bestimmt«, sagte ich. Ich schaute auf den erloschenen, großartigen Kampfgeist hinunter. Ich hatte auf diesem Rücken gesessen, mich in diesen Verstand hineinversetzt, die geschmeidige Herrlichkeit dieser Muskeln gespürt, mich an seinen Siegen gefreut, ihn als Junghengst ausgebildet, mich an seinen wachsenden Kräften begeistert. Ich würde immer noch weggehen, dachte ich, auch beim nächsten Mal.

Ich kehrte an die frische Luft zurück, und Robin Curtiss folgte mir, wobei er meine Belehrung sachlich und nüchtern fortsetzte.

«Abgesehen von der Schwierigkeit, den richtigen Punkt zu treffen, hat der Bolzen noch einen weiteren Nachteil. Er schnellt zwar sofort zurück, aber genauso schnell beginnt das Pferd zu stürzen, und die harten Schädelknochen verbiegen den Bolzen nach häufigem Gebrauch, so daß der Apparat untauglich wird.«

«Man benutzt also jetzt etwas anderes?«

«Ja«, nickte er.»Patronenmunition. Wenn Sie wollen, zeige ich es Ihnen. Ich habe so eine Pistole im Wagen.«

Wir gingen ohne Eile über den Hof zu seinem Auto; er stand nicht weit von dem Rolls der Prinzessin. Er schloß den Kofferraum auf, dann einen Aktenkoffer und holte ein braunes Tuch daraus hervor, das er aufwickelte.

In dem Tuch lag eine lugerähnliche Automatikpistole, die bis auf den Lauf normal aussah. Statt des schmalen, geraden Laufs, den man erwartet hätte, war da ein breites, knollenförmiges Ding mit einer abgeschrägten Öffnung am Ende.

«Dieses Rohr läßt die Kugel in einer Spiralkurve austreten«, erklärte er.

«Irgendeine Kugel?«

«Es muß das richtige Kaliber sein, aber dann paßt jede Kugel, ja, und jeder Waffentyp. Das ist mit ein Hauptvorteil — Sie können so ein Rohr an jede beliebige Pistole anschweißen. Also, die abgefeuerte Kugel hat zunächst hohe Durchschlagskraft, aber weil sie Spiralen dreht, hält fast jeder Widerstand sie auf. Wenn man damit also ein Pferd erschießt, bleibt die Kugel im Kopf stecken. Meistens, immerhin. «Er lächelte vergnügt.»Jedenfalls braucht man nicht so genau zu zielen wie mit einem Bolzen, denn die schwirrende Kugel richtet viel mehr Schaden an.«

Ich betrachtete ihn nachdenklich.»Wie können Sie so sicher sein, daß die beiden hier mit dem Bolzen getötet wurden?«

«Oh, eine Kugel hinterläßt Blutspuren an der Einschußstelle; außerdem tritt dabei Blut durch die Nüstern aus und wahrscheinlich auch aus dem Maul. Manchmal nicht viel, aber etwas immer, wegen der ausgedehnten inneren Verletzungen, verstehen Sie?«

«Ja«, seufzte ich.»Ich verstehe. «Ich sah zu, wie er seine Pistole in das braune Tuch einschlug, und sagte:»Wahrscheinlich braucht man dafür einen Waffenschein.«»Klar. Und für den Bolzen auch.«

Es mußten Tausende von Bolzenschußgeräten im Land sein, überlegte ich. Jeder Tierarzt würde eines haben. Jeder Abdecker. Eine Menge Schaf- und Rinderzüchter. Alle Aufseher von Jagdhunden. Leute, die Polizeipferde betreuten. die Möglichkeiten schienen endlos.

«Dann liegen wohl Hunderte von den alten Bolzenschießern jetzt irgendwo in der Mottenkiste?«

«Nun ja«, sagte er.»Unter Verschluß.«

«Nicht gestern nacht.«

«Nein.«

«Um welche Zeit gestern nacht, was meinen Sie?«

Er packte seine Pistole wieder weg.

«Ziemlich früh«, sagte er entschieden.»Nicht lange nach Mitternacht. Ich weiß, daß es eine kalte Nacht war, aber heute morgen waren beide Pferde völlig ausgekühlt. Null Eigentemperatur. Das braucht Stunden… und sie wurden um halb sechs entdeckt. «Er grinste.»Die Abdecker holen nicht gern Pferde ab, die schon so lange tot sind. In der Starre lassen sie sich schlecht bewegen, und sie dann aus den Boxen herauszukriegen ist ein echtes Problem. «Er schälte sich aus seinem Overall und legte ihn in den Kofferraum.»Es wird noch eine Obduktion geben. Die Versicherungen bestehen darauf. «Er schloß den Kofferraum und sperrte ihn ab.»Gehen wir doch ins Haus.«

«Und lassen sie da einfach liegen?«Ich deutete auf den Hof zurück.

«Die laufen schon nicht weg«, sagte er, aber wir kehrten noch einmal um und schlossen die Boxentüren — für den Fall, meinte er, daß irgendwelche Besitzer zu einer sonntäglichen Besichtigung vorbeikämen und ihr Zartgefühl beleidigt sähen. Robins Zartgefühl war in der ersten Woche seiner Veterinärausbildung unzart über Bord gegangen, nahm ich an, aber er brauchte keine Samthandschuhe, um ein überaus tüchtiger Betreuer für Wykehams Hindernispferde zu sein.

Wir gingen in Wykehams Haus, alt und verschachtelt wie der Hof, und sahen, daß er und die Prinzessin sich mit Tee und Erinnerungen trösteten; sie in ihrem stoischsten Gleichmut, er inzwischen freundlicher und selbstbeherrschter, aber verwirrt.

Er stand bei unserem Erscheinen auf und bugsierte mich mit der fadenscheinigen Bemerkung aus seinem Wohnzimmer, mir zeigen zu wollen, wo ich etwas Warmes zu trinken machen konnte, obwohl ich das seit zehn Jahren wußte.

«Es ist mir ein Rätsel«, sagte er auf dem Weg zur Küche.»Warum fragt sie nicht, wer sie getötet hat? Das wäre doch das erste, was mich interessiert. Sie hat darüber kein Wort verloren. Redet einfach über die Rennen, wie man das bei ihr kennt, und erkundigt sich nach den anderen Pferden. Warum will sie nicht wissen, wer sie umgebracht hat?«

«Mm«, sagte ich.»Sie glaubt, sie weiß es schon.«

«Was? Um Himmels willen, Kit. wer denn?«

Ich zögerte. Er sah dünn und klapprig aus, mit tief eingegrabenen Furchen in dem runzligen Gesicht, auf dem die dunklen Altersflecke stark hervortraten.»Das müßte sie Ihnen selber sagen«, antwortete ich,»aber es hat etwas mit der Firma ihres Mannes zu tun. Immerhin glaube ich nicht, daß Sie sich Gedanken über einen Verräter im eigenen Lager zu machen brauchen. Wenn sie Ihnen nicht gesagt hat, wen sie für den Täter hält, wird sie es keinem sagen, bevor sie mit ihrem Mann darüber gesprochen hat, und vielleicht bewahren sie auch danach lieber Stillschweigen, sie haben so ungern Publicity.«

«An die Öffentlichkeit kommt das sowieso«, meinte er bekümmert.»Der Mitfavorit für das Grand National in seiner Box erschossen… Das können wir beim besten Willen nicht aus den Zeitungen heraushalten.«

Mir lag an dem bevorstehenden Theater ebensowenig wie ihm, und ich klapperte mit dem Geschirr herum, während ich frischen Tee für Robin und mich aufschüttete.

«Trotzdem«, sagte ich.»Ihre Hauptsorge ist nicht, wer es war. Ihre Hauptsorge ist der Schutz der anderen Tiere.«

«Kit!«Er war völlig entgeistert.»V-verdammt noch mal, K-Kit. «Jetzt stotterte er wieder.»Das w-wird doch nicht nochmal passieren.«

«Nun ja«, sagte ich mild, aber zu beschönigen gab es da nichts.»Ich denke, sie sind alle in Gefahr. Jedes ihrer Pferde. Nicht im Augenblick, nicht heute. Aber wenn die Prinzessin und ihr Mann einen bestimmten Kurs einschlagen, was durchaus sein kann, dann sind sie alle in Gefahr, in erster Linie vielleicht Kinley. Wir sollten also über Schutzmaßnahmen nachdenken.«